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New Special Instructions
author | Klaus Thoden <kthoden@mpiwg-berlin.mpg.de> |
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date | Wed, 30 Jul 2014 15:58:21 +0200 |
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Phys. 68. S. 281. 1922) <br/><span class="cmbxti-10x-x-144">von A. Einstein.</span></p></div> <div class="center" > <!--l. 16--><p class="noindent"> </p><!--l. 17--><p class="noindent">--------</p></div> <!--l. 20--><p class="indent"> Es ist zuzugeben, daß die Hypothese vom ,,molekular-<br/>hierarchischen“ Charakter des Aufbaues der Sternenwelt vom <br/>Standpunkt der Newtonschen Theorie manches für sich hat, <br/>wenn auch die Hypothese von der Gleichwertigkeit der Spiral-<br/>nebel mit der Milchstrabe durch die letzten Beobachtungen <br/>als widerlegt zu betrachten sein dürfte. Diese Hypothese erklärt <br/>ungezwungen das Nichtbuchten des Himmelsgrundes und ver-<br/>meidet den Seeligerschen Konflikt mit dem Newtonschen <br/>Gesetz, ohne die Materie als Insel im leeren Raum aufzufassen. </p><!--l. 32--><p class="indent"> Auch vom Standpunkte der allgemeinen Relativitätstheorie <br/>ist die Hypothese vom molekularhierarchischen Bau des Weltalls <br/><span class="cmti-12">m</span><span class="cmti-12">öglich. </span>Aber vom Standpunkt dieser Theorie ist die Hypothese <br/>dennoch als unbefriedigend anzusehen. Dies sei im folgenden <br/>noch einmal kurz begründet. Wenn die geometrischen und <br/>die Inertialeigenschaften des Raumes durch die Materie beein-<br/>flußt, bzw. zum Teil bedingt sind, so drängt sich die Ansicht <br/>auf, daß diese Bedingtheit eine voliständige sei, wie dies nach <br/>der allgemeinen Relativitätstheorie der Fall ist, wenn die <br/>mittlere Dichte der Materie endlich und die Welt räumlich <br/>geschlossen ist. Ich will dies durch einen einfacheren fingierten <br/>Fall -- wenn auch unvollkommen -- zu illustrieren suchen. </p><!--l. 48--><p class="indent"> Es sei angenommen, man würde die Gravitation nur durch <br/>das genaue Studium der Mechanik solcher Massen kennen, <br/>welche uns bei Laboratoriumsversuchen zur Verfügung stehen. <br/>Die Kugelgestalt der Erde sei uns unbekannt. Dann könnte <br/>man folgende Theorie aufstellen. Es existiert primär ein <br/>vertikales ,,kosmisches“ Schwerefeld, welches sich überall ins <br/>Unendliche erstreckt. Die Erde erstreckt sich unten ins Un-<br/>endliche. Ihre Gravitationswirkung sei gegen das kosmische <br/><pb/> </p><!--l. 61--><p class="indent"> </p><!--l. 62--><p class="noindent">Schwerefeld zu vernachlässigen.<sup ><span class="cmr-8">1</span></sup>) Das kosmische Schwerefeld <br/>wird modifiziert durch Gravitationswirkungen von der Erfahrung <br/>zugänglichen Massen an der Erdoberfläche. </p><!--l. 68--><p class="indent"> Obwohl das angenommene kosmische Schwerefeld der <br/>Poissonschen Gleichung entspricht ebenso wie die Schwere-<br/>felder der dem Experiment zugänglichen Massen an der Erd-<br/>oberfläche, wäre diese Auffassung deshalb unbefriedigend, weil <br/>man das kosmische Feld selbst ohne materielle Ursache an-<br/>genommen hat. Die Idee, daß das Schwerefeld, welches in <br/>der Hauptsache den Fall der Körper an der Erdoberfläche <br/>bedingt, nicht selbständig existierend, sondern durch den Erd-<br/>körper verursacht sei, würde gewiß als großer Fortschritt <br/>empfunden werden. </p><!--l. 80--><p class="indent"> Daß heute das Bedürfnis einer Zurückführung des metri-<br/>schen und Inertialfeldes der Welt auf physikalische Ursachen <br/>nicht ähnlich intensiv gefordert wird, liegt nur daran, daß <br/>dieses letztere Feld als physikalische Realität nicht so deutlich <br/>gefühlt wird, wie im obigen Beispiel die physikalische Realität <br/>des ,,kosmischen Schwerefeldes“. Einer späteren Generation <br/>wird aber diese Genügsamkeit unbegreiflich erscheinen. </p><!--l. 90--><p class="indent"> Die ,,molekular-hierarchische Welt“ erfüllt ebensowenig <br/>wie die ,,Inselwelt“ das Machsche Postulat, nach welchem <br/>die Trägheitswirkung des einzelnen Körpers durch die Gesamt-<br/>heit aller übrigen im gleichen Sinne bedingt sein soll, wie seine <br/>Gravitationskraft. Es ist mir schwer verständlich, wieso. Hrn. <br/>Selety dieser Mangel seines Systems hat entgehen können. <br/>Dieser Mangel ist um so schwerwiegender, als man in der all-<br/>gemeinen Relativitätstheorie auch ohne Betrachtungen kosmo-<br/>logischen Charakters zeigen kann, daß sich die Körper der ersten <br/>Näherung so verhalten, wie es nach dem Machschen Gedanken <br/>erwartet werden muß. Ich verweise hierüber auf die vierte <br/>meiner bei Vieweg erschienenen ,,Vier Vorlesungen über <br/>Relativitätstheorie“ (gehalten im Mai 1921 an der Universität <br/>Princeton). </p><!--l. 108--><p class="indent"> Es sei endlich noch ein Punkt erwähnt, der nicht nur in <br/>der Seletyschen Abhandlung, sondern vielfach in der ein-<br/>---------- </p><!--l. 113--><p class="indent"> 1) Daß diese Hypothese zum Newtonschen Gesetz nicht paßt, bitte <br/>ich zu entschuldigen.<pb/> </p><!--l. 119--><p class="indent"> </p><!--l. 120--><p class="noindent">schlägigen Literatur Verwirrung stiftet. Die Relativitätstheorie <br/>sagt: Die Naturgesetze sind unabhängig von jeder besonderen <br/>Koordinatenwahl zu formulieren, da dem Koordinatensystem <br/>nichts Reales entspricht; die Einfachheit eines hypothetischen <br/>Gesetzes ist nur nach seiner allgemein kovarianten Formulierung <br/>zu beurteilen. Daraus folgt aber nicht, daß man sich die <br/>Beschreibung durch passende Wahl des Bezugssystems nicht <br/>erleichtern dürfe, ohne gegen das Relativitätspostulat zu ver-<br/>stoßen. Wenn ich z. B. die wirkliche Welt durch die ,,Zylinder-<br/>welt“ mit gleichmäßig verteilter Materie approximiere und dabei <br/>die Zeitachse parallel den Erzeugenden des ,,Zylinders“ wähle, <br/>so bedeutet dies nicht die Einführung einer ,,absoluten Zeit“. <br/>In der Welt gibt es nach wie vor kein Koordinatensystem, <br/>welches für die Formulierung der Naturgesetze bevorzugt wäre. <br/>Bezüglich der wirklichen Welt ist eine exakte Definition eines <br/>derartigen Koordinatensystems übrigens unmöglich, auch dann, <br/>wenn sich die wirkliche Welt <span class="cmti-12">durch </span>jene Zylinderwelt roh <br/>approximieren läßt. Das Relativitätsprinzip behauptet nicht, <br/>daß die Welt gegenüber allen Koordinatensystemen in gleich <br/>einfacher oder gar in gleicher Weise zu beschreiben sei, sondern <br/>nur, daß die <span class="cmti-12">allgemeinen</span> <span class="cmti-12">Gesetze </span>der Natur bezüglich aller Systeme <br/>die gleichen seien (genauer: daß die hypothetisch möglichen <br/>Naturgesetze bezüglich ihrer Einfachheit nur in ihrer allgemein <br/>kovarianten Formulierung gegeneinander abzuwägen sind. </p><!--l. 151--><p class="indent"> September 1922. </p> <div class="center" > <!--l. 153--><p class="noindent"> </p><!--l. 154--><p class="noindent">(Eingegangen 25, September 1922.)</p></div> <div class="center" > <!--l. 157--><p class="noindent"> </p><!--l. 158--><p class="noindent">----------</p></div> </body></html>