metadata: dcterms:identifier ECHO:K40X4GU6.xml dcterms:creator (GND:118645048) Ampère, André-Marie dcterms:title (de) Natuerliches System aller Naturwissenschaften: eine Begegnung deutscher und franzoesischer Speculation. Aus dem Franzoesischen des A. M. Ampere im Auszug bearbeitet und mit critischen Noten begleitet von Dr. Gustav Widenmann; Essai sur la philosophie des [dt.] dcterms:date 1844 dcterms:language deu echodir:/permanent/einstein_exhibition/sources/K40X4GU6 text (de) free http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuView?url=http://content.mpiwg-berlin.mpg.de/mpiwg/online/permanent/einstein_exhibition/sources/K40X4GU6/index.meta&mode=texttool&viewMode=images [001] Natürliches Sy$tem aller Uaturwi$$en$chaften. Eine Begegnung deut$cher und franzö$i$cher Spekulation. Aus dem Franzö$i$chen des A. v. Ampère im Auszug bearbeitet und mit kriti$chen Noten begleitet von Dr. G. Widenmann, prakti$chem Arzt. Stuttgart. Verlag von Ebner & Seubert. 1844. [002] [003] Einleitung des Herausgebers.

Gegen den überwiegenden Einflu{$s}, den franzö$i$che Philo- $ophie und Gei$tesbildung im vorigen Iahrhundert auf Deut$ch- land ausgeübt hat, bildet die Gegenwart einen $elt$amen Contra$t, da man jetzt in Frankreich deut$che Philo$ophie $tudirt, in Deut$ch- land aber von den Bewegungen der Philo$ophie in Frankreich keine, oder nur höch$t oberflächliche Notiz nimmt. Der Grund die$er Er$cheinung liegt darin, da{$s} $eit 60 Iahren die deut$che Philo$ophie durch die Grö{$s}en ihrer Probleme und die Unermüdlichkeit ihrer For$chungen eine gebietende Stellung in den Krei$en der Wi$$en$chaft errungen hat, während die franzö$i$che Philo$ophie, nach der Auf- $tellung ihrer materiali$ti$chen Lehren, $cheinbar keine weitere Ent- wicklung hatte. Ich $age „$cheinbar”, denn es fand dennoch eine $olche Fortentwicklung $tatt, und das vorliegende Werk hat den Zweck, die neue$te Stufe die$er Entwicklung in das verdiente Licht zu $tellen.

Die neuere franzö$i$che Philo$ophie hat, wie die neuere deut$che, ihren Ur$prung in dem Um$chwung, den das Denken am Ende des vorigen Iahrhunderts erfahren, nachdem es Iahrhunderte lang in $peciellem Arbeiten und Lernen ver$enkt war. Man fing an, einen

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Gedruckt auf einer Schnellpre$$e bei K. Fr. Hering & Comp.

[005] Natürliches Sy$tem aller Uaturwi$$en$chaften. Eine Begegnung deut$cher und franzö$i$cher Speculation. Aus dem Franzö$i$chen des A. M. Ampère im Auszug bearbeitet und mit criti$chen Noten begleitet von Dr. G. Widenmann, practi$chem Arzt. Stuttgart. Verlag von Ebner & Seubert. 1844. [006]

Ueberblick über das Ganze, die Grenzen und den Zu$ammenhang der ver$chiedenen Gebiete zu $uchen, und die Philo$ophie begann nach einer Weltan$chauung zu $treben, die Alles in $ich fa$$en und erklären, und ebendamit von aller Autorität frei $ein $ollte. Die$e neue Tendenz mu{$s}te in ver$chiedener Form $ich äu{$s}ern, je nachdem der active organi$irende, der eigentlich $peculative Ver$tand oder der receptive Ver$tand überwog, der nur Gegebenes aufnimmt, ordnet und $charf$innig combinirt.

Wenn das Er$tere, wie in Deut$chland, der Fall i$t, $o legt der Gei$t vor Allem den Organismus $einer Denkverhältni$$e an die Welt der Objecte, und aus dem Verhältni$$e beider re$ultirt die weitere Entwicklung. I$t der Organismus der Categorieen noch unreif und $chief, $o kann man auf zweierlei Arten verfahren. Ent- weder ge$teht man $ich offen den Wider$treit zwi$chen Denken und Sein; aber man gibt, getrieben von dem autonomi$chen Character der Zeit, dem er$teren Recht, vernichtet $kepti$ch die reale Erkenntni{$s}, wie Kant, und behauptet, wie Fichte, ideali$ti$ch das Ich, als die einzige Realität. Oder aber man fingirt gewalt$am eine Ueber- ein$timmung zwi$chen Denken und Welt; man thut den empiri$chen That$achen $o lange Zwang an, bis $ie in die unfertigen Categorieen des Gei$tes pa$$en, wie Schelling und Hegel thaten. Sie wollten zwi$chen der Philo$ophie und Erfahrung eine Vermittlung finden; aber die$e Vermittlung i$t unmöglich, $o lange nicht der richtige Organismus der Categorieen vollendet i$t. Er$t dann wird das Denken auf ungezwungene Art mit der Welt in Einklang, und das Eine, wahre reale Sy$tem gefunden $ein.

Anders i$t die Sache im zweiten Fall. Wenn, wie bei den Franzo$en, das receptive Erkennen, die $en$uale Richtung, das Uebergewicht hat, $o geht der Ver$tand, ohne criti$ches Zagen an die objective Welt, und im Drang nach Einheit alles Wi$$ens, will er $ie als ein Ganzes, als aus einem Gu{$s}e ent$tanden, begreifen. [007] So lang aber nicht durch Vollendung der empiri$chen Analy$e die Mannigfaltigkeit der Welt in eine alleserklärende Einheit verknüpft i$t, mu{$s}te die neue Weltan$chauung das Be$ondere, $tatt es zu erklären, ignoriren. „Natur,” „Materie” hie{$s} der letzte Grund alles Da$eins; aber nicht die $en$uali$ti$che Färbung die$er Begriffe, $ondern ihre Leerheit war ihr eigentlicher Mangel. Man fa{$s}te das Ganze ab$tract, und der Reichthum des Be$ondern fiel als un- organi$ches Aggregat auseinander. Die{$s} i$t unter andern Formen da$$elbe Verhältni{$s}, welches die deut$che Philo$ophie in den Idea- lismus trieb; aber der empiri$che Gei$t der Franzo$en $chlug den entgegenge$etzten Weg ein, und warf $ich auf die Analy$e des Be- $ondern, und wenn in Deut$chland der Idealismus, $einer feind- $eligen Stellung gegen die Welt der Objecte ungeachtet, doch immer noch Philo$ophie war, $o $chien die$e, die Bemühung um das All- gemeine, in Frankreich erlo$chen, $obald $ich der Gei$t aus$chlie{$s}lich zu der empiri$chen For$chung gewendet hatte. Aber unter ver- änderter Ge$talt machte $ich auch in Frankreich das philo$ophi$che Bedürfni{$s} nach Einheit alles Wi$$ens wieder geltend, indem man die Ge$ammtheit des be$ondern in ein Ganzes zu$ammenfa{$s}te, cla$$ificirte, und die$er ari$toteteli$che Weg, von der Vielheit zur Einheit, i$t um nichts minder $peculativ, als der umgekehrte Weg, den man in Deut$chland ein$chlug.

Um von die$em Punkt aus die weiteren Pha$en der fran- zö$i$chen Philo$ophie richtig zu beurtheilen, mu{$s} man im Auge behalten, da{$s} man bei der Cla$$ification eines empiri$chen Materials auf doppelte Wei$e verfahren kann, auf kün$tliche Art, wenn man ein$eitig und willkührlich ausgewählte Merkmale zu Ein- theilungsgründen macht, oder auf natürliche Art, wenn man den ganzen Inhalt der einzutheilenden Objecte zur Grundlage der Eintheilung nimmt. Die$es, das natürliche Sy$tem allein, lä{$s}t den wirklichen Organismus der Dinge erkennen, und i$t de{$s}halb [008] ein $peculatives Sy$tem. Die$er Gegen$atz des kün$tlichen und natürlichen Sy$tems, den man bis jetzt blos bei den $peciellen Ein- theilungen der Naturreiche zu hören gewohnt war, tritt bei den Franzo$en in der Anwendung auf das Ganze des Wi$$ens auf und be$timmt die Perioden ihres ferneren Philo$ophirens, ja er i$t, we$entlich betrachtet, da$$elbe, was in Deut$chland der Gegen$atz des $ubjectiven und des $ogenannten objectiven Idealismus i$t.

Wie in Deut$chland der $ubjective Idealismus dem objectiven vorausging, $o mu{$s}ten, der Natur der Sache nach, die kün$tlichen Sy$teme aller Wi$$en$chaften dem natürlichen Sy$tem vorangehen. Solche kün$tlichen Sy$teme finden wir bei Baco, bei den Encyclo- pädi$ten, und Andern. Das Système figuré des connaissances hu- maines, das an der Spitze der Encyclopädie $teht, i$t nur eine Copie von Baco’s Eintheilung. Den er$ten Schritt zum natürlichen Sy$tem hat Ampère gethan. Er verwirft die kün$tlichen Sy$teme Baco’s und der Encyclopädie und erklärt es ausdrücklich für $ein Hauptbe$treben, ein natürliches Sy$tem alles Wi$$ens aufzu$tellen. Dadurch i$t er nun ganz auf dem Boden der Speculation. Ob er jenes Ziel erreicht habe, die{$s} auszumachen, i$t hier nicht der Ort; aber der Le$er kann fragen, ob er auch der rechte Mann zu einem $olchen Ge$chäft gewe$en $ei. Es mögen darum einige No- tizen aus $einem Leben hier ihre Stelle finden.

Ampère i$t geboren im Iahr 1775. Mathemati$che Studien bildeten die Grundlage $einer Bildung. Er wurde $chon in jun- gen Iahren des mathemati$chen Wi$$ens vollkommen Herr, be- $onders auch der Anwendung der höheren Rechnungsarten auf Mechanik und Phy$ik. Seine Iugend fiel in die Zeit der Ent- deckungen Lavoi$ier’s und Davy’s, er be$chäftigte $ich auch auf das Eifrig$te mit der Chemie und war Lehrer der letztern in Aix. Später kam er als Profe$$or der höhern Analy$e nach Lyon, und von dort ging er nach Paris, wo er zuer$t Repetitor der Analy$e [009] in der polytechni$chen Schule und $päter Profe$$or der Mathe- matik und Phy$ik ebenba$elb$t wurde. Im Iahr 1814 trat er an Bo$$uet’s Stelle in die Academie und $tarb als General$tudien- in$pector. Von ihm $tammt das durch $eine Allgemeinheit und mathemati$che Schärfe gro{$s}artige Ge$etz über die gegen$eitige An- ziehung und Ab$to{$s}ung zweier von electri$chen Strömungen be- $eelten Metalldrähte. Neben die$en mathemati$chen und phy$ica- li$chen Studien zieht $ich aber durch $ein ganzes Leben ein unge- meines Streben nach allgemeinem Wi$$en. In den mei$ten Wi$$en- $chaften war er Autodidact. Er machte Studien in der Botanik und Zoologie, in den alten Sprachen, Ge$chichte u. $. f.; er war auch Dichter, und von dem Iahr 1803 an, wo er $chon in Paris war, be$chäftigte er $ich mit P$ychologie und Metaphy$ik. Seine Geno$$en in die$en Be$trebungen waren Cabanis, de Tracy, Dége- rando, Maine de Biron. Er $elb$t erzählt den Beginn $einer p$ycho- logi$chen Studien mit den Worten: “c’est en 1803, que je commençai à m’occuper presque exclussivement de recherches sur les phénomènes aussi variés, qu’intéressants, que l’intelligence humaine offre à l’obser- vation, qui saitse soustraire à l’influence des habitudes.” Im Iahr 1820 war er $chon daran, ein Schema der p$ychologi$ch- metaphy$i$chen Begriffe zu vollenden, als ihn die bekannte Oer$tedti- $che Entdeckung zu phy$icali$chen Unter$uchungen rief, in Folge deren er $päter das vorerwähnte wichtige Ge$etz fand. Die{$s} Schema der metaphy$i$chen Grundbegriffe i$t auch in un$erem Werke im Auszug gegeben und $teht in genauem Zu$ammenhang mit den vier Ge$ichtspunkten, welche nach Ampère den Schlü$$el zu der ganzen encyclopädi$chen Eintheilung des men$chlichen Wi$$ens bil- den. Den er$ten Ver$uch des natürlichen Sy$tems aller Wi$$en- $chaften hatte er $chon im Iahr 1804 entworfen. Den Abri{$s} des vollendeten Sy$tems gibt das im Iahr 1834 er$chienene Werk: “Essai sur la philosophie des sciences,” das wir hier im Auszug [010] mittheilen, welches aber nur den er$ten Theil, die Naturwi$$en- $chaften, in encyclopädi$cher Eintheilung, enthält, da er an der Herausgabe des zweiten Bandes, welcher die gei$tigen Wi$$en$chaften enthalten $ollte, durch den Tod verhindert wurde. So $chlo{$s} er al$o mit dem, was $chon $eine frühe$ten Iahre be$chäftigt hatte; denn als Knabe $chon hat er die Encyclopädie mit Begierde ver$chlungen und wu{$s}te $ie fa$t auswendig; und es be$tätigt $ich al$o an $einer per$önlichen Entwicklung die aufge$tellte Behauptung, da{$s} ency- clopädi$che Zu$ammenfa$$ung des empiri$chen Materials die Grund- lage geworden $ei für die weitere Entwicklung der franzö$i$chen Philo$ophie.

Ampère i$t der originelle franzö$i$che Philo$oph, der in der nationalen Fortbildung der franzö$i$chen Philo$ophie den letzten wichtigen Knotenpunkt bildet, nicht Cou$in, nicht die$e Eklectiker in Frankreich, welche an dem Ti$ch der deut$chen Philo$ophie hungrig $chmarotzen. Die{$s} letztere i$t auch ganz überflü$$ig, da die fran- zö$i$che Philo$ophie nur durch ihre Methode einen Gegen$atz macht gegen die deut$che, während $ie $ich, den Re$ultaten nach, auf ihrem $elb$t$tändigen Wege der deut$chen Philo$ophie in kühner Wei$e nahe kommt. Durch eine empiri$che Grundlage traten dem fran- zö$i$chen Philo$ophiren die ver$chiedenen Weltgebiete, deren Unter- $chied der ab$tracte Materialismus vernichtet hatte, wieder deutlich auseinander, und dennoch werden, durch die Con$equenz der na- türlichen Eintheilung, $ämmtliche Gebiete wieder auf einen ober$ten Punkt bezogen. Ia der Alles beherr$chende Eintheilungsgrund, der $ämmtliche Gebiete in eine Einheit verknüpft, und mittel$t de$$en die$elben wieder auf apriori$che Wei$e abgeleitet werden können, liegt bei Ampère in der nothwendigen Stufenfolge der men$chlichen Erkenntni{$s}, und $o i$t al$o bei ihm das Ge$etz des Denkens auch das Ge$etz, wornach $ich die Welt in ihre ver- $chiedenen Gebiete zerlegt ߞ ein Satz, wodurch die fran- [011] zö$i$che Philo$ophie voll$tändig mit den objectiv-ideali$ti$chen Sy- $temen Deut$chlands zu$ammentrifft.

Trotz aller Aehnlichkeit in den Re$ultaten jedoch i$t die Art, wie er dazu kam, originell franzö$i$ch. Ein univer$eller Wi$$ens- dur$t treibt Ampère in alle $pecielle Gebiete, in allen Fächern macht er $eine empiri$chen Studien, und er$t nachdem er $ich die$e Totalität des Stoffes errungen, macht $ich hintenher das Bedürfni{$s} bemerklich, den$elben über$ichtlich zu ordnen. Er greift nach den Cla$$ificationen $einer Vorgänger, aber $ie verletzen $ein Wahrheitsgefühl, indem $ie den Be$timmungen und Definitionen, die er aus $einen be$ondern For$chungen gewonnen, wider- $prechen. Er wirft die Objecte und Gebiete $o lange hin und her, bis $ie endlich in einer Ordnung er$cheinen, die mit $einem empi- ri$chen Wi$$en von ihnen überein$timmt. Aber noch fehlt es ihm an einem Schlü$$el, welcher das ganze Sy$tem beherr$cht. Zufällig entdeckt er, da{$s} auch die höheren und höch$ten Grup- pen auf die$elbe Wei$e $ich unter einander gliedern, wie die ver- $chiedenen Ge$ichtspunkte, nach welchen die Erkenntni{$s} einen $pe- ciellen Gegen$tand $tufenmä{$s}ig auffa{$s}t und begreift. So hat al$o Ampère wohl am Ende ein natürliches Sy$tem, er hat für da$$elbe in den Categorien des Denkens die beherr$chende Einheit gefun- den, aber es i$t ein zufälliges geniales Aperçu, und das er$te trei- bende Motio war zunäch$t blos das Streben nach Totalität des Materials, des gegebenen Stoffes. Wenn ein Deut$cher einen $olchen Fund macht, $o bringt er den$elben in Beziehung mit den höch$ten Fragen des Da$eins, er glaubt auf heiligem Boden zu $tehen; der franzö$i$che Ampère dagegen $etzt pünktlich die Vortheile auseinander, welche aus einem natürlichen Sy$tem für das practi$che Leben ent$pringen, wie man durch da$$elbe be- fähigt werde, eine Bibliothek zweckmä{$s}ig zu ordnen, oder die Lehr- cur$e einer Bildungsan$talt, die Sectionen einer gelehrten Körper- [012] $chaft $achgemä{$s} einzutheilen. ߞ So machen die ver$chiedenen Be- rufe der beiden Nationen da am $chärf$ten $ich geltend, wo $ie der Sache nach in Eins zu$ammentreffen.

Bei dem nach$tehenden Auszug des Ampère’$chen Werkes $chien es mir zweckmä{$s}ig, von der Ordnung des Originals ab- zuweichen. Ich beginne mit dem Begriff des „natürlichen Sy$tems,” welchen Ampère in der Einleitung $eines Werks auf$tellt. Dann werde ich das eigenthümliche Eintheilungsprincip, welches dem Ampère’$chen Sy$tem zu Grunde liegt, und den Weg, wie Ampère da$$elbe entdeckt hat, und die ver$chiedenen weitgreifen- den Anwendungen, welche er von dem$elben macht, auseinander- $etzen, und zu die$em Ende den we$entlichen Inhalt der Vorrede Ampère’s und einer vor dem eigentlichen Texte des Werks $tehenden Note wiedergeben. Auf die$e Dar$tellung des Grundprincips $eines Sy$tems la$$e ich die$es $elb$t folgen, $o weit es in dem vorliegenden Werke enthalten i$t, und den Schlu{$s} des Ganzen bilden criti$che Bemerkungen über Ampère’s Sy$tem und die wichtigen Beziehun- gen, welche da$$elbe zur gegenwärtigen Pha$e der deut$chen Phi- lo$ophie hat.

[013] Inhaltsanzeige. # Seite Einleitung des Verfa$$ers # V-XII Ampère’s Begriff einer Cla$$ification alles Wi$$ens überhaupt und # eines natürlichen Sy$tems alles Wi$$ens ins Be$ondere # 1 Plan des Werks # 11 Eintheilungsprincip Ampère’s und die Art, wie er es entdeckte # 17 Ampère’s Zu$atz zu $einem Eintheilungsprincip # 31 Ampère’s natürliche Cla$$ification aller Wi$$en$chaften # 41 Er$tes Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, welche es nur # mit den Begriffen von Grö{$s}e und Maas zu thun haben # 41 Zweites Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, welche die # unorgani$chen Eigen$chaften der Körper und ihre Anordnung # auf dem Erdball zum Gegen$tand haben # 66 Drittes Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, die $ich auf # lebendige We$en, Pflanzen und Thiere, beziehen # 77 Viertes Kapitel. Medicini$che Wi$$en$chaften # 84 Fünftes Kapitel. Definitionen und Eintheilung der ver$chie- # denen Provinzen der cosmopoliti$chen Wi$$en$chaften # 88 Tabelle aller Naturwi$$en$chaften er$ter Ordnung # 102 Critik der Ampère’$chen Cla$$ification # 103 [014] [015] Ampère’s Begriff einer Cla$$ification Alles Wi$$ens überhaupt und eines natürlichen Sy$tems Alles Wi$$ens insbe$ondere.

Sobald der Men$ch über einen Gegen$tand $ich eine Anzahl von Begriffen gebildet hat, $o fühlt er das Bedürf- ni{$s}, $ie nach einer be$timmten Ordnung zu$ammenzu$tellen, um die$elben $icherer zu be$itzen, um $ie wiederfinden und andern mittheilen zu können. Dies i$t der Ur$prung der Eintheilungen, welche au{$s}er den ebengenannten noch andere Vortheile gewähren. Sie vermehren nämlich die Summe un$eres Wi$$ens über irgend einen Gegen$tand, indem $ie uns nöthigen, den$elben von ver$chiedenen Seiten zu be- trachten, und neue Beziehungen an ihm aufzu$uchen, die au{$s}erdem unentdeckt geblieben wären.

Läng$t hat man den Vortheil einge$ehen, welchen eine allgemeine Eintheilung aller Wi$$en$chaften und Kün$te haben könnte, und man kennt die Arbeiten, welche Baco, d’Alem- bert und viele Andere zu die$em Zwecke unternommen haben. Die$e Ver$uche hatten jedoch nicht den gewün$chten Erfolg, wofür $ich ver$chiedene Gründe anführen la$$en. Zu Baco’s Zeit war noch in keiner Wi$$en$chaft eine Cla$$ification, welche auf die wahren Beziehungen ihrer Gegen$tände ge- gründet gewe$en wäre, und von einer natürlichen Einthei- lung hatte man keine Ahnung. Wie Baco machten auch die Späteren $ich keine andere Aufgabe, als die Aggregate von Kenntni$$en, die der Zufall zu$ammengeführt, und denen die Laune des Sprachgebrauchs Namen gegeben hatte, in eine Ordnung zu bringen. Man $ah die doppelte Nothwendig- keit nicht ein, da{$s} man zuer$t $ämmtliche Wahrheiten [016] auf die richtige Art gruppiren, und da{$s} man jeder $olchen Gruppe einen neuen Namen geben mü$$e, wenn $ie noch keinen habe. Zudem ging man von einem ganz willkürlichen Eintheilungsprincip aus. So i$t es z. B. in dem von Baco entlehnten Schema Alles Wi$$ens, das an der Spitze der Encyclopädie $teht; hier $ind drei ober$te Abtheilungen gebildet, ent$prechend den drei Grundvermögen, auf welche man damals das gei$tige Leben des Men$chen glaubte zu- rückführen zu können: Gedächtni{$s}, Vernunft und Einbil- dungskraft. Soll die darauf gebaute Eintheilung eine gute $eyn, $o dürfen zum Minde$ten nicht ganz heterogene Wi$- $en$chaften in die$elbe Abtheilung zu$ammenge$tellt werden, noch weniger dürfen $olche, welche durch zahlreiche Analo- gieen einander nahe $tehen, in ganz ver$chiedene Abtheilungen gebracht werden.

Nun bedarf es aber blos eines Blicks auf jenes Sy- $tem, um $ich zu überzeugen, wie ganz fremdartige Wi$$en- $chaften neben einander $tehen, die Be$chreibung der Mine- ralien, Pflanzen, Thiere, Elemente neben der politi$chen Ge$chichte, während die Mineralogie, Botanik, Zoologie, Chemie, welche von den er$teren gar nicht oder höch$tens durch den Ge$ichtspunkt ver$chieden $ind, unter denen man ganz gleiche Objekte betrachtet, in einer andern der drei Hauptabtheilungen, bei der Metaphy$ik, Logik und Mathe- matik $tehen. Eben$o unnatürlich i$t die Zoologie von der Botanik getrennt, und zwi$chen beide Wi$$en$chaften die A$tronomie, die Meteorologie und Mineralogie einge$choben, die ihrer$eits wieder durch die Zoologie von den phy$ikali$ch- mathemati$chen Wi$$en$chaften getrennt $ind.

Nicht bei allen Eintheilungen zeigen $ich vielleicht $o in die Augen fallende Anomalieen, aber überall kommen Zu$ammen$tellungen vor, deren Grund man nicht ab$ieht, überall werden Wi$$en$chaften von einander getrennt, deren Aehnlichkeit vor Augen liegt. Manchmal geht die Ver- wirrung wirklich ins Abenteuerliche. So $teht z. B. in [017] einer ganz neuen Eintheilung die Mathematik zwi$chen der Chemie und Anatomie; die Phy$ik, welche doch die Mathe- matik $o nöthig hat, $teht vor die$en Wi$$en$chaften, und hinter der Zoologie und Botanik; $ie i$t durch die$e beiden von der Mineralogie und Geologie getrennt, die doch mit der Phy$ik in $o naher Beziehung $tehen. Die A$tronomie endlich, die noch enger mit der Mathematik verwandt, ja nur eine unmittelbare Anwendung der$elben i$t, $teht am Anfang des ganzen Sy$tems, weil $ie die einfach$te und am leichte$ten zu fa$$ende Wi$$en$chaft $ei; und das nennt der Verfa$$er „die Wi$$en$chaften in natürliche Fa- milien zu$ammen$tellen, um leicht von einer zur andern übergehen zu können, und $ich $o wenig als möglich wie- derholen zu mü$$en.”

Nach $o vielen unglücklichen Ver$uchen i$t man bis jetzt er$t in den naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften zu Einthei- lungen gekommen, welche eine $trengere Prüfung aushalten können; auch liegt es in der Natur der Sache, da{$s} gerade die$e zuer$t einen gewi$$en Grad von Vollendung erreichten, weil die in den$elben betrachteten Gegen$tände $charf be- $timmte Charaktere an $ich tragen, die man nur aus$prechen darf, um die Gruppen zu einem natürlichen Sy$teme zu haben. Will man aber in das ungeheure Reich des men$ch- lichen Wi$$ens eine Ordnung bringen, $o liegt die Schwie- rigkeit darin, zu be$timmen, was man unter einer Wi$$en- $chaft ver$teht.

Man trennt gewöhnlich die Wi$$en$chaften von den Kün$ten. Die$er Unter$chied beruht darauf, da{$s} in den Wi$$en$chaften der Men$ch blos erkennt, bei den Kün$ten aber erkennt und handelt; denn wenn der Phy$iker die Ei- gen$chaften des Goldes erkennt, $eine Schmelzbarkeit, $eine Hämmerbarkeit u. $. f., $o mu{$s} auch der Goldarbeiter $ei- ner$eits die Mittel kennen, da$$elbe zu gie{$s}en, zu $chlagen, in Draht zu ziehen u. $. f., in dem einen, wie in dem an- dern Fall findet al$o Erkenntni{$s} $tatt. Handelt es $ich [018] al$o um eine Eintheilung aller Wahrheiten, $o giebt es keinen we$entlichen Unter$chied zwi$chen Kün$ten und Wi$- $en$chaften, und die er$teren mü$$en eben$ogut in die Ein- theilung aufgenommen werden, wie die andern. Die Kün$te haben jedoch nur in$ofern eine Stelle in der Cla$$ification, als man das Verfahren und die In$trumente kennen lernt, die dabei in Anwendung kommen, und gänzlich ab- $ieht von der prakti$chen Ausübung; denn die$e hängt von der Ge$chicklichkeit des Arbeiters ab, und hat nichts zu $chaffen mit den mehr oder weniger voll$tändigen Kennt- ni$$en, die er erworben, da ihn die$e nur zu einem wi$- $en$chaftlich gebildeten Arbeiter machen.

In Beziehung auf die Erkenntni{$s} i$t al$o jede Kun$t und jede Wi$$en$chaft eine Gruppe von Wahrheiten, welche durch die Vernunft bewie$en, durch äu{$s}ere oder innere Er- fahrung gewonnen werden, und durch einen gemein$amen Charakter verbunden $ind, mag nun die$er darin be$tehen, da{$s} man es mit gleichartigen Gegen$tänden zu thun, oder da{$s} man ver$chiedene Gegen$tände unter dem$elben Ge$ichts- punkt betrachtet.

Man kann $agen, der Philo$oph mü$$e bei der Ein- theilung alles Wi$$ens die einzelnen Wahrheiten als das an$ehen, was für den Naturhi$toriker die ver$chiedenen Arten von Pflanzen und Thieren $ind. Wie die$er die näch$t$te- henden Arten in Gattungen, die ähnlich$ten Gattungen in Familien, die Familien in Ordnungen, die Ordnungen in Cla$$en u. $. f. gruppirt, $o mu{$s} der Philo$oph aus den Wahrheiten, die er eintheilen will, Gruppen von ver$chie- denen Ordnungen und Graden bilden. Die Gruppen, welche die einander am näch$ten $tehenden Wahrheiten enthalten, werden den Gattungen der Naturge$chichte ent$prechen, und Wi$$en$chaften der nieder$ten Ordnung hei{$s}en. Die$e werden in Wi$$en$chaften der näch$t höheren Ordnung vereinigt, wie die Gattungen in Familien. Mehrere $olcher Wi$$en$chaften zu$ammen, bilden abermals eine Wi$$en$chaft von noch aus- [019] gedehnterem Umfang, welche den Ordnungen ent$pricht, und $o immer höher hinauf, bis man endlich zu den zwei gro{$s}en Hauptabtheilungen aller Wahrhciten, Natur und Gei$t, kommt, wie die Naturge$chichte zuletzt bei der ober$ten Zwei- theilung, Thier- und Pflanzenreich, anlangt.

Wir $ehen bei der Cla$$ification der natürlichen Arten ein doppeltes Moment: 1) Vereinigung der Arten zu Gat- tungen, 2) Cla$$ification der Gattungen; eben$o haben wir auch bei Eintheilung aller Wahrheiten ein doppeltes Ge- $chäft; 1) Vereinigung die$er Wahrheiten in Wi$$en$chaften der unter$ten Ordnung, 2) Eintheilung die$er Wi$$en$chaften. Wären, wie es bei den Pflanzen durch Bernard de Iu$$ieu ge$chehen i$t, die men$chlichen Erkenntni$$e $chon in Wi$$en- $chaften von weiterem Umfang, ent$prechend den Pflanzen- familien vereinigt, $o würde nur noch die Eintheilung die$er Wi$$en$chaften zu finden $ein, wie das Werk Iu$$ieu’s durch den Erben $eines Namens und Genies in der Cla$$ification der Familien vollendet wurde.

Werden mehrere Wi$$en$chaften einer gewi$$en Ordnung in eine Wi$$en$chaft der näch$t höhern Ordnung zu$ammen- gefa{$s}t, $o kann der Unter$chied zwi$chen den$elben ein dop- pelter $ein: entweder enthält die niedere Wi$$en$chaft nur einen Theil der Gegen$tände, welche in der höheren zu einer Ge$ammtheit vereinigt $ind, oder aber enthält jede niedere die Ge$ammtheit der Objecte, aber nur unter einem be$on- dern Ge$ichtspunkt. Der er$te Fall findet z. B. $tatt, wenn man die Zoologie in die Lehre von den Säugethieren, Vö- geln, In$ekten u. $. f. trennt; der zweite Fall findet $tatt, wenn man $agt, die Zoologie be$teht aus der Zoographie, aus der vergleichenden Anatomie u. $. f., wo jede Wi$$en- $chaft das ganze Thierreich, aber nur aus einem be$ondern Ge$ichtspunkt umfa{$s}t.

Man hat natürliche und kün$tliche Sy$teme unter$chie- den. Bei die$en letzteren reichen einige willkührlich gewählte Merkmale hin, für jeglichen Gegen$tand die Stelle im Sy- [020] $tem zu be$timmen; die übrigen lä{$s}t man fallen, und $o werden oft die Gegen$tände auf die $onderbar$te Wei$e zu- $ammenge$tellt oder von einander getrennt. Bei den natür- lichen Eintheilungen dagegen werden alle we$entlichen Cha- ractere eines Gegen$tandes zu$ammengefa{$s}t und die Bedeu- tung der$elben gegen einander abgewogen; und dies Ge$chäft i$t er$t dann zu Ende, wenn die Gegen$tände, welche die grö{$s}$te Aehnlichkeit zeigen, auch am näch$ten bei$ammen $tehen; de{$s}gleichen die Gruppen, die man aus jenen Ob- jecten bildet; und wenn von einer Gruppe zur näch$t$tehen- den ein gewi$$er Uebergang nachgewie$en werden kann.

Da die kün$tlichen Sy$teme auf willkührlich gewählte Charactere $ich $tützen, $o kann man $olche nach Laune und Belieben auf$tellen. Weit entfernt aber, zu dem Fort$chritt der Wi$$en$chaften etwas beizutragen, bringen die$e Sy$teme, die wie die Wellen des Meeres kommen und gehen, nichts als Verwirrung in un$er Wi$$en. Wer ihnen folgt, richtet $eine Aufmerk$amkeit blos auf die Seite der Objecte, welche bei der Eintheilung zur Sprache kommen. Die natürlichen Eintheilungen dagegen fa$$en das Ganze der Gegen$tände ins Auge, $ie nöthigen uns dadurch, die$elben nach allen Seiten und Beziehungen zu unter$uchen, und führen uns hiermit zu der möglich$t umfa$$enden Kenntni{$s} einer Sache.

Die$e Nothwendigkeit, die Objecte ganz zu er$chöpfen, i$t der Grund davon, da{$s} wir die$e Eintheilungen ändern mü$$en, $obald wir neue Beziehungen entdecken, und die$e Aenderungen bringen das Sy$tem $einer Vollendung immer näher. Bei einem kün$tlichen Sy$teme i$t man Herr über die Be$timmungen de$$elben, wählt nach Belieben die Cha- ractere der ober$ten Abtheilungen, dann die für die Unter- abtheilungen, während der Gründer eines natürlichen Sy- $tems bei den letzten Unterabtheilungen beginnen mu{$s}, die nur aus wenigen Individuen be$tehen, und deren Aehnlich- keiten am mei$ten in die Augen fallen und am leichte$ten zu be$timmen $ind. Durch Zu$ammen$tellung die$er nieder$ten [021] Unterabtheilungen nach dem$elben Ge$etz der grö{$s}ten Ver- wandt$chaft, kommt er zu den näch$t höheren Abtheilungen, und $o am Ende zu den Hauptabtheilungen, mit welchen der kün$tliche Eintheiler begonnen hatte. Er$t wenn die{$s} ge$che- hen i$t, kann er die Charactere für jede Gruppe be$timmen.

Wir haben bereits oben die beiden Momente erwähnt, durch welche $ich eine Wi$$en$chaft be$timmen und gegen an- dere abgrenzen lä{$s}t, nemlich 1) die Natur der Objecte, die man erfor$cht, 2) die Ge$ichtspunkte, unter welchen die{$s} ge- $chieht. Man könnte glauben, nur die Natur der Objecte brauche berück$ichtigt zu werden, da die Wahrheiten, die man eintheilen will, $ich zunäch$t auf jene beziehen. Aber die$e Wahrheiten werden von dem men$chlichen Ver$tand erfa{$s}t; die Wi$$en$chaften $ind für und durch den Men$chen, und die{$s} Alles nöthigt uns, auf die ver$chiedenen möglichen Ge$ichtspunkte Rück$icht zu nehmen. An zweierlei Characteren al$o kann man erkennen, ob die allgemeine Eintheilung alles un$eres Wi$$ens in der That eine natürliche i$t, während nur Eine Art von Characteren, nemlich die von der Natur der Gegen$tände abhängigen, nothwendig $ind, um allein die Dinge $elb$t einzutheilen. Hin$ichtlich der er$ten Art von Characteren wird man die Eintheilung der Wi$$en- $chaften für gelungen halten mü$$en, wenn, (mit Ausnahme des Falls, wo die Natur der Wi$$en$chaft $elb$t eine andere Eintheilung nöthig macht) die aus den zu$ammengehörigen Wahrheiten gebildeten Gruppen $o gebildet $ind, da{$s} $ie mit den Gruppen der Gegen$tände $elb$t zu$ammenfallen, und da{$s} auch die Anordnung der er$tgenannten Gruppen der natür- lichen Ordnung der letztern ent$pricht. Hin$ichtlich der zweiten Art von Characteren, (der $ubjectiven) mü$$en noch die weiteren Forderungen hinzugefügt werden, da{$s} diejenigen Wi$$en$chaften in eine Gruppe vereinigt werden, mit deren Inhalt $ich die$elben Men$chen be$chäftigen, da auch die$er Um$tand auf eine Aehnlichkeit deutet, und da{$s} $ie in me- thodi$cher Ordnung auf einander folgen. Eine $olche Ord- [022] nung wird dann $tattfinden, wenn man bei Durchlaufung des Ganzen nie nöthig hat, bei andern Wi$$en$chaften Aus- kunft zu $uchen, als bei $olchen, welche $chon weiter oben abgehandelt $ind. Die{$s} wäre dann bei den Wi$$en$chaften da$$elbe, was Iu$$ieu bei dem Pflanzenreich that; er $tellte die einfach$ten Organi$ationen voran und $tieg $tufenwei$e zu den verwickelteren auf. Später hat man die$e Ordnung umgekehrt und mit den vollkommeneren Organi$ationen be- gonnen, und wenn es $ich um die natürliche Cla$$ification der organi$chen Reiche handelt, kann man füglich beide Methoden befolgen. Bei der Cla$$ification des men$chlichen Wi$$ens aber wird man nicht lange im Zweifel $ein, ob man bei den einfachen oder verwickelt$ten Wi$$en$chaften an- fangen $oll.

Die$er Gedanke leitete mich bei den er$ten Ver$uchen meiner Arbeit, ehe ich noch ahnen konnte, wie weit $ie mich führen würde. Ich $ah, da{$s} man bei jeder natürlichen Eintheilung der Wi$$en$chaften mit den mathemati$chen an- fangen mü$$e, weil die$e, im Vergleich mit den andern, nur eine geringe Zahl einfacher Grundbegriffe, wie Grö{$s}e, Aus- dehnung, Bewegung, Kraft u. $. f. enthalten, ohne irgend etwas aus andern Wi$$en$chaften entlehnen zu mü$$en. Auf die Mathematik mü$$en diejenigen Wi$$en$chaften folgen, die es mit den unorgani$chen Eigen$chaften der Körper zu thun haben; denn für die$e i$t bekanntlich die Mathematik die einzige Hülfswi$$en$chaft. Dann er$t kommen die Wi$$en- $chaften des organi$chen Lebens; denn der Naturhi$toriker und Arzt braucht oft die Mathematik und Phy$ik, während der Mathematiker nie, der Phy$iker nur $elten die natur- hi$tori$chen Wi$$en$chaften zu Hülfe nehmen mu{$s}. Unter den organi$chen We$en aber i$t eines, das uns allein eben$o $ehr in An$pruch nimmt, als die ganze übrige Welt zu$ammen, der Men$ch; und aus dem Studium de$$elben ent$pringen die philo$ophi$chen, morali$chen und politi$chen Wi$$en$chaften.

[023]

Das Studium des Men$chen kann er$t nach dem Stu- dium der äu{$s}ern Welt und Natur kommen, denn $o gut wir uns des Auges bedienen, ohne $einen Bau und die Natur $einer Thätigkeiten zu kennen, $o kann der Mathe- matiker, der Phy$iker, der Phy$iolog das philo$ophi$che Stu- dium der Gei$tesvermögen entbehren, die bei den Me$$ungen des Raums, bei der Beobachtung und Eintheilung der in der Welt befindlichen We$en und Körper mitwirken. Der Philo$oph dagegen mu{$s} wenig$tens überblicklich die Mathe- matik, die Phy$ik und die naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften inne haben, denn die$e geben ihm das Material für das Studium der men$chlichen Gei$tesvermögen, deren $chön$te Frucht eben jene Wi$$en$chaften $ind; in ihnen findet er die Methode, mittel$t deren der men$chliche Gei$t alle in den$el- ben enthaltenen Wahrheiten entdeckte, und welchen Vor$chub lei$tet ihm vor Allem die phy$iologi$che Kenntni{$s} un$eres Organismus, die ja auch einen Theil der Naturwi$$en$chaft bildet, bei der Erfor$chung der gei$tigen und $ittlichen Kräfte im Men$chen. Dann können die Unter$uchungen der Hülfs- mittel folgen, durch welche $ich die Men$chen ihre Gedanken, Gefühle, Affecte u. $. f. mittheilen. Hier i$t die Stelle für das Studium der Sprache, der Literatur und der freien Kün$te, und vor Allem der grö{$s}ten von Allen, der Kun$t den Men$chen zu erziehen. Da{$s} die$e Abtheilung auf die Unter$uchung der gei$tigen und $ittlichen Kräfte folgen mu{$s}, i$t leicht zu er$ehen, $obald man bedenkt, da{$s} der Phi- lo$oph die Sprache, die ihm zur fe$ten Bezeichnung $einer Gedanken allerdings unentbehrlich i$t, dennoch nicht anders gebraucht, als der Mathematiker die Denkge$etze, und da{$s} weder der eine noch der andere die Natur $eines Mittels und Werkzeugs erfor$cht zu haben braucht. Umgekehrt aber i$t bei einem tieferen Studium der Mittel, durch welche $ich der Men$ch $eines Gleichen mittheilt, die Kenntni{$s} $einer gei$tigen und $ittlichen Kräfte, der ver$chiedenen Empfindun- gen, deren er fähig i$t, die Ein$icht in die Art, wie er $eine [024] Gedanken bildet und verknüpft, unentbehrlich. Auf das Studium der Sprachen, der Literatur und freien Kün$te folgt die Unter$uchung der men$chlichen Ge$ell$chaften, aller Um$tände und That$achen aus ihrer Vergangenheit und Ge- genwart, der In$titutionen, durch welche $ie regiert werden, und alles de$$en, was mit die$en Dingen zu$ammenhängt.

In einem $olchen ungehemmten und ungezwungenen Uebergang von einer Wi$$en$chaft zur andern be$teht der Character einer guten und natürlichen Eintheilung; und man wird in der angeführten Reihe von Wi$$en$chaften die richtige Ordnung des Stufengangs nicht verkennen.

Au{$s}er den vielen practi$chen Vortheilen, welche eine wahrhaft natürliche Eintheilung alles Wi$$ens für literari$che, pädagogi$che und wi$$en$chaftliche In$titute hat, la$$en $ich auch Vortheile aufzählen, welche die Wi$$en$chaften $elb$t unmittelbar betreffen. Man wei{$s}, wie die$e ent$tanden $ind, und da{$s} nur zu oft der Zufall dabei $ein Spiel getrieben. Diejenigen, welche alle auf einen Gegen$tand bezüglichen Wahrheiten in eine Wi$$en$chaft vereinigen wollten, ver- mochten es oft nicht, den ganzen Gegen$tand zu umfa$$en oder $ich in $einen Grenzen zu halten; $elten $uchten $ie nach den Beziehungen zwi$chen den be$onderen Wahrheiten, die ihnen vorlagen, und dem Ganzen un$eres Wi$$ens. Daher kommt es, da{$s} bei $o vielen Wi$$en$chaften die Grenzen $o $chlecht gezogen $ind; $o hat man $ich z. B., um die Algebra von der Arithmetik zu trennen, blos an einen kün$tlichen Unter- $chiedsgrund gehalten, nemlich die Ver$chiedenheit der äu{$s}eren Grö{$s}enzeichen, $tatt auf den Grundcharacter Rück$icht zu nehmen, der auf der Natur der Operationen $elb$t beruht, und der $ich er$t bei den Gleichungen we$entlich ändert. Eben$o hat man die Cry$tallographie irriger Wei$e mit der Mineralogie verbunden; $ie betrachtet alle Körper, welche be$timmte Formen zeigen, $ie mögen nun durch die Natur oder die Kun$t hervorgebracht worden $ein; $ie i$t eine rein geometri$che Wi$$en$chaft, und lä{$s}t auf die Mineralogie, [025] welche $ich auf die von der Natur in voll$tändiger Form gelieferten Körper be$chränkt, durchaus keine weitere An- wendung zu, als alle übrigen Zweige der Mathematik auf die phy$iologi$chen und naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften. Die Mineralogie $elb$t vereinigt man gewöhnlich mit der Bo- tanik und Zoologie, unter dem Namen Naturge$chichte; $ie darf aber, wie ich am gehörigen Orte zeigen werde, nur als Theil der Geologie ange$ehen werden; in den medici- ni$chen Wi$$en$chaften $ind die Grenzen der ver$chiedenen Theile willkührlich be$timmt, und öfters ganz verkannt; man i$t z. B. $o weit gegangen, die Arzneimittellehre mit der allgemeinen Therapie in eine Wi$$en$chaft zu$ammenzuwerfen, als ob die Kenntni{$s} der allgemeinen Eigen$chaften der Arz- neien zu$ammenfiele mit einer zweckmä{$s}igen Anwendung der$elben in den Krankheiten. Noch grö{$s}er i$t die Verwir- rung in den philo$ophi$chen Wi$$en$chaften; die ver$chiedenen Namen ihrer Unterabtheilungen $ind in ganz ver$chiedenem Sinne genommen worden, je nachdem der Autor ein Sy$tem hatte; $o i$t z. B. eine Wi$$en$chaft nach Einigen Theil einer andern, während andere Philo$ophen die$elbe zur allgemei- neren, höheren machen, welche die zweite als be$onderen Zweig in $ich begreift.

Plan des Werks.

Ich werde mich zuer$t mit den Gruppen $olcher Wahr- heiten be$chäftigen, die $owohl im Gegen$tand, als in dem Ge$ichtspunkte, unter welchem man den$elben auffa{$s}t, über- einkommen. Die$e Gruppen, die den natürlichen Pflanzen- und Thierfamilien ent$prechen, werde ich Wi$$en$chaften dritter Ordnung nennen.

a) Ich werde nach der Reihe die$e Wi$$en$chaften durch- [026] gehen, ich werde $ie definiren, indem ich den Gegen$tand der$elben und den Ge$ichtspunkt, unter welchem er aufgefa{$s}t wird, auseinander$etze; und wenn zwi$chen einer der$elben und den benachbarten Wi$$en$chaften die Grenze $ich nicht unmittelbar aus den angeführten Begriffsbe$timmungen er- gibt, $o mü$$en die näheren Merkmale aufge$ucht werden, welche zur Fe$t$etzung der Grenzen nothwendig $ind. Bei die$er Gelegenheit werde ich die Gründe angeben, die mich zur Abänderung hergebrachter Unter$cheidungen bewogen, wenn die$e, meiner Au$icht nach, einer richtigen und natür- lichen Grundlage entbehrten.

b) Wollte ich aber in die$er Wei$e ohne Unterbrechung die ganze Reihe der Wi$$en$chaften dritter Ordnung durch- laufen, $o würde ich den Le$er durch ein endlo$es Aufzählen ermüden, und ihm die Beziehungen zwi$chen den Wi$$en- $chaften, um welche es mir doch haupt$ächlich zu thun i$t, ganz aus den Augen rücken. Sobald ich daher alle Wi$$en- $chaften dritter Ordnung, welche einen gemein$chaftlichen be$onderen Gegen$tand haben, unter den ver$chiedenen Ge- $ichtspunkten unter$ucht haben werde, $o $oll ein Ruhepunkt gemacht werden, um die genannten Wi$$en$chaften in eine Wi$$en$chaft er$ter Ordnung zu$ammenzufa$$en. Da ferner unter den Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche in einer Wi$$en$chaft er$ter Ordnung begriffen $ind, Einige nur $olche Wahrheiten enthalten, die man durch ein unmittelbares Studium der Objecte an $ich auffindet, die andern aber die- jenigen Wahrheiten in $ich begreifen, die $ich uns durch die Beobachtung und Vergleichung der Veränderungen ergeben, welche die$e Objecte unter ver$chiedenen Raum- und Zeit- verhältni$$en bemerken la$$en, welche Beobachtung und Ver- gleichung $elb$t wieder zur Entdeckung der den beobachteten That$achen zu Grunde liegenden Ur$achen führt, $o werde ich jede Wi$$en$chaft er$ter Ordnung in zwei Wi$$en- $chaften der zweiten Ordnung abtheilen, welche nun abermals in die Wi$$en$chaften dritter Ordnung zerfallen [027] werden, die zu einer Wi$$en$chaft er$ter Ordnung gehören. Die er$te die$er beiden Wi$$en$chaften zweiter Ordnung i$t das elementare Wi$$en über einen Gegen$tand; die zweite enthält die tieferen Kenntni$$e, zu denen man in einer Sache durchdringen kann.

Will man in der Vergleichung fortfahren, die ich zwi- $chen meiner Eintheilung der Wi$$en$chaften und der natür- lichen Cla$$ification der Pflanzen und Thiere ange$tellt habe, $o kann man die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung mit den Kla$$en der organi$chen Reiche, und die Wi$$en$chaften zweiter Ordnung mit Zwi$chenabtheilungen vergleichen, welche zwi- $chen den Kla$$en und Familien in der Mitte $tehen, und welche man in den Tabellen die$er Reiche als Ordnun- gen aufführt.

Wenn gleich jede Wi$$en$chaft er$ter Ordnung ihren be- $onderen Gegen$tand hat, $o kann man doch die$en Gegen- $tand wieder als einen blo{$s}en be$ondern Ge$ichtspunkt eines allgemeineren Gegen$tandes an$ehen, und dann bilden $ämmt- liche Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, die $ich auf einen und den$elben allgemeineren Gegen$tand beziehen, eine ausge- dehntere Gruppe von Wahrheiten, und die$e Gruppen wer- den wir mit dem Namen „Provinzen” bezeichnen.

a) Sollen aber die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung in Provinzen vereinigt werden, $o i$t es keineswegs hinreichend, da{$s} die er$teren blos durch die be$onderen Definitionen der in ihnen enthaltenen Wi$$en$chaften dritter Ordnung be$timmt werden; $ondern $ie mü$$en ganz unabhängig von den Wi$- $en$chaften definirt werden, welche in ihnen begriffen $ind; $ie mü$$en ihre eigenen Charactere haben, und die Grenz- linien gegen die benachbarten Wi$$en$chaften mü$$en $charf gezogen werden. Mit die$er Operation mu{$s} angefangen werden.

b) Um nun aber den S. 12 angeführten Uebel$tand zu vermeiden, werde ich nach Mu$terung aller Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, welche $ich auf einen und ebenden$elben all- [028] gemeineren Gegen$tand beziehen, wiederum einen Ruhepunkt machen, um den$elben in eine Provinz zu$ammenzufa$$en.

Eine Provinz be$teht aus allen den Wi$$en$chaften er- $ter Ordnung, die $ich auf einen und den$elben allgemeineren Gegen$tand beziehen und ihn unter allen möglichen Ge$ichts- punkten auffa$$en. Wir werden jedoch $ehen, da{$s} es unter die$en Wi$$en$chaften wieder theils $olche gibt, welche die$en allgemeineren Gegen$tand nur er$t an $ich $elb$t unter$uchen; theils $olche Wi$$en$chaften, welche den$elben nach den Bezie- hungen $einer ver$chiedenen Modificationen und Ur$ächlich- keitsverhältni$$e betrachten, und die Folge davon i$t, da{$s} jede Provinz in zwei Krei$e getheilt werden mu{$s}, welche die ver$chiedenen auf ein und da$$elbe allgemeinere Object be- züglichen Wi$$en$chaften er$ter Ordnung in $ich begreifen.

Da $ich endlich alle für den Men$chen erkennbaren Wahrheiten $chlie{$s}lich auf zwei allgemein$te Gegen$tände zu- rückführen la$$en, die materielle Welt und den Gei$t,

A. $o werde ich mich zunäch$t mit den Provinzen be- $chäftigen, welche $ich auf den er$teren die$er beiden Haupt- gegen$tände beziehen, um die$elben einzutheilen, zu definiren, und um durch genaue Unter$cheidungskennzeichen die Grenz- linien zwi$chen den$elben zu be$timmen.

B. Habe ich alle die$e Provinzen durchgeprüft, $o werde ich $ie in eine Gruppe höherer Ordnung vereinigen, und werde der$elben den Namen cosmologi$che Wi$$en- $chaften geben.

Ich werde $odann ganz da$$elbe mit den Provinzen der- jenigen Wi$$en$chaften thun, die $ich auf den men$chlichen Gei$t beziehen, auf die Ge$ell$chaften, welche der$elbe ge- gründet hat, auf die In$titutionen, durch welche die$elben regiert werden u. $. w., und ich erhalte auf die$e Wei$e eine zweite Gruppe von Wahrheiten, welche ich noologi$che Wi$$en$chaften nenne.

Iedes die$er beiden Reiche zerfällt in zwei Hauptge- biete. Bei den cosmologi$chen Wi$$en$chaften wird das er$te [029] Hauptgebiet alle auf die unorgani$che Welt bezüglichen Wahr- heiten in $ich begreifen, und das zweite alle diejenigen, welche es mit den organi$chen We$en zu thun haben. Das er$te Hauptgebiet der noologi$chen Wi$$en$chaften hat die Aufgabe, den men$chlichen Gei$t und die Mittel zu erfor$chen, mittel$t deren $ich die Men$chen ihre Gedanken, ihre Gefühle, ihre Leiden$chaften mittheilen, während $ich das zweite Hauptge- biet mit den men$chlichen Ge$ell$chaften und den die$elben leitenden In$titutionen be$chäftigt.

Ich mu{$s} bei die$er Gelegenheit bemerken, da{$s} die Be- $timmung der ver$chiedenen Ge$ichtspunkte, unter denen man einen be$onderen oder allgemeinen Gegen$tand auffa$$en kann, ein halbes Licht auf meine Eintheilung werfen. Sie ver- binden alle Theile unter einander, la$$en die Beziehungen zwi$chen den$elben und ihre gegen$eitige Abhängigkeit her- vortreten, und bilden al$o gewi$$erma{$s}en den Schlü$$el der Eintheilung. Da jedoch die$e Eintheilung ganz unabhängig von dem$elben i$t, und beinahe $chon vollendet war, ehe ich entdeckte, da{$s} man $ie mittel$t jener Ge$ichtspunkte ableiten könne, $o habe ich die Betrachtung der$elben unter dem Na- men „Bemerkungen” an das Ende jedes Paragraphen verlegt, und die$elben mit kleineren Lettern drucken la$$en, um dem Le$er anzudeuten, da{$s} die$elben zum Ver$tändni{$s} der übrigen Partieen meines Werkes nicht unumgänglich nothwendig $ind.

In meiner Eintheilung ging ich nur bis zu denjenigen Wi$$en$chaften herab, die ungefähr den Familien der Na- turhi$toriker ent$prechen. Hätte ich mich auch über das ver- breiten wollen, was man etwa als Gattungen und Arten von Wahrheiten an$ehen kann, hätte ich zum Bei$piel die Zoologie noch weiter in $o viele ver$chiedene Wi$$en$chaften getheilt, als in dem Thierreich Provinzen und Kla$$en ent- halten $ind; hätte ich in der Ge$chichte alle möglichen Un- terabtheilungen der Zeiten und Länder verfolgen wollen, um zuletzt mit der Specialge$chichte einer Gegend, einer Stadt, [030] einer Au$talt, einer Wi$$en$chaft, eines Men$chen u. $. w. zu $chlie{$s}en, $o würde ich mich, ohne einen we$entlichen Vortheil in endlo$en Details verwirrt haben.

Noch auf einen Punkt mu{$s} ich die Aufmerk$amkeit des Le$ers lenken; ich meine die Namen, womit ich die Wi$$en- $chaften ver$chiedener Ordnungen bezeichnet habe. Ich war weit entfernt, in den Endigungen der von mir gewählten Namen eine Symmetrie erzwingen zu wollen, welche, immer im Einklang mit den Abtheilungen der Cla$$ification, nichts als die$e Abtheilungen $elb$t wiedergegeben hätten, nur in dem Fall, wenn ich neue Benennungen anzunehmen genö- thigt war, war mein Augenmerk, durch die Wahl der Worte die Modificationen zu bezeichnen, welche aus den Characteren folgen, auf denen die Eintheilung ruht. Sobald aber durch den Sprachgebrauch Namen ein Bürgerrecht erhalten haben, welche mit den von mir zwi$chen den ver$chiedenen Wi$$en- $chaften gezogenen Grenzen zu$ammen$timmen, $o habe ich $ie gewi$$enhaft beibehalten. Wenn Schrift$teller, $tatt eine ganze Wi$$en$chaft zu umfa$$en, nur einen Theil der$elben bearbeitet haben, und die$em be$onderen Theil den Namen beilegten, der eigentlich dem Ganzen gebührt hätte, und wenn die$er Name und die oft $ehr unrichtige Ein$chränkung $einer Bedeutung durch den Sprachgebrauch in Aufnahme gebracht wurde, $o hielt ich es dennoch für be$$er, die$en Namen beizubehalten und ihm eine umfa$$endere Bedeutung zu geben, als willkührlich einen neuen Namen zu bilden.

Wenn ich aber auf Wi$$en$chaften $tie{$s}, die noch keinen Namen hatten und für welche un$ere Sprache keine pa$$ende Um$chreibung bot, $o war ich natürlich genöthigt, für die- $elben einen Namen zu bilden, wie Linne, Bernard von Iu$$ieu und alle Urheber von Cla$$ificationen Benennungen für die ver$chiedenen Abtheilungen, Cla$$en, Ordnungen, Fa- milien $chaffen mu{$s}ten, welche $ie aufge$tellt hatten. Ich $chmeichle mir jedoch keineswegs, die Wi$$en$chaften, denen ich Namen gab, auch erfunden oder entdeckt zu haben; $ie [031] be$tanden bereits, denn über die mei$ten der$elben gibt es zahlreiche Werke; denn um nur ein Bei$piel zu geben, exi$tirte nicht die Wi$$en$chaft, die ich Cinematik genannt habe, $chon vorher, ehe ich ihr die$en Namen gab, wenig- $tens theilwei$e in dem Werk, das Carnot über die geo- metri$che Bewegung $chrieb, und in der Abhandlung von Lanz und Bétancourt über die Zu$ammen$etzung der Ma- $chinen?

Sind die$e und mehrere andere Wi$$en$chaften noch nicht voll$tändig abgehandelt, $o wird man es mir vielleicht Dank wi$$en, da{$s} ich die Lücken bezeichnet habe, die auszu- füllen, die Arbeiten, die anzufangen und zu vollenden $ind.

Eintheilungsprincip Ampère’s und die Art, wie er es entdeckte.

Als ich mich im Iahr 1829 auf den Cur$us der all- gemeinen und der Experimentalphy$ik, zu dem ich im Col- lège de France verpflichtet bin, vorbereitete, boten $ich mir zwei Fragen dar, die ich vor allen Dingen beantworten mu{$s}te.

1) Was i$t allgemeine Phy$ik, und wie unter$cheidet $ie $ich mit klarer Be$timmtheit von den andern Wi$$en- $chaften?

Ich glaubte die$en Unter$chied darin zu finden, da{$s} $ie die unorgani$chen Eigen$chaften der Körper und ihre Er- $cheinungswei$e unter$ucht, abge$ehen von dem Nutzen, den wir aus ihnen ziehen, und von den Modificationen, welche die$e Eigen$chaften und Er$cheinungen in ver$chiedenen Zeiten, Orten und Klimaten erleiden. Die „unorgani$chen” Eigen$chaften der Körper, $agte ich, um die allgemeine Phy$ik von den naturhi$tori$chen und phy$iologi$chen Wi$$en$chaften zu trennen; ich fügte bei „abge$ehen von dem Nutzen, [032] den wir aus ihnen ziehen” zum Unter$chied von der Technologie; und durch die „Aus$chlie{$s}ung der Mo- dificationen, die jene Eigen$chaften und Er- $cheinungen in ver$chiedenen Zeiten, Orten und Klimaten erleiden” $ollten auf eine genaue Art die Grenzen be$timmt $ein, zwi$chen der allgemeinen Phy$ik einer$eits und andrer$eits der phy$ikali$chen Geographie und allen übrigen Wi$$en$chaften, die $ich mit der Erdkugel be- $chäftigen.

2) Welches $ind die ver$chiedenen Zweige der $o be- $timmten allgemeinen Phy$ik, die man nun nach Belieben entweder als eben$oviele be$ondere Wi$$en$chaften an$ehen kann, oder nur als Theile der einen ausgedehnteren Wi$$en- $chaft, von welcher hier die Rede i$t?

Schon vorher hatte ich bemerkt, da{$s} es bei Definition und Eintheilung der Wi$$en$chaften keineswegs hinreiche, blos auf die Natur der Gegen$tände $ein Augenmerk zu richten, auf welche $ich die Wi$$en$chaften beziehen, $ondern da{$s} man auch auf die ver$chiedenen Ge$ichtspunkte Rück$icht nehmen mü$$e, von denen aus man die$e Gegen$tände be- trachten kann. Ich bildete demnach aus der allgemeinen Phy$ik zwei Ordnungen von Wi$$en$chaften nach den ver- $chiedenen Ge$ichtspunkten, unter welchen man die unorgani- $chen Eigen$chaften der Körper betrachten kann, und theilte $ie zunäch$t ab in die allgemeine (Elementar-) Phy$ik und in die mathemati$che Phy$ik. Die Grenzlinie zwi$chen die$en beiden Theilen der allgemeinen Phy$ik be$tand darin, da{$s} ich in dem er$ten alles dasjenige vereinigte, was Beobachtung und Erfahrung uns an den Körpern, für $ich betrachtet, kennen lehrt; in dem zweiten Theil aber zuer$t die allgemeinen Ge$etze, die $ich uns aus der Vergleichung und Zu$ammen$tellung theils der an den Körpern bemerk- baren Er$cheinungen, theils der mit der Modification der äu{$s}eren Um$tände gleichlaufenden Veränderungen die$er Er- $cheinungen ergeben, $odann die Ur$achen, zu denen wir [033] durch Zerlegung der That$achen und Schlu{$s}folgerungen aus den in den$elben enthaltenen Ge$etzen auf$teigen.

Wir haben $omit zwei Hauptge$ichtspunkte nicht allein für die allgemeine Phy$ik, $ondern, wie $ich im Verlauf des vorliegenden Werks zeigen wird, für alle Wi$$en$chaften, die, wie die obengenannte, die Ge$ammtheit des auf einen Ge- gen$tand bezüglichen Wi$$ens in $ich fa$$en. Bei dem er$ten Ge$ichtspunkt werden die Gegen$tände an $ich betrachtet; bei dem zweiten in ihrer Wech$elbeziehung, d. h. es werden durch Zu$ammen$tellung der That$achen allgemeine Ge$etze aufge$ucht und in einen Zu$ammenhang gebracht, in dem $ie $ich gegen$eitig erklären, bis es gelingt von den Wirkun- gen zu den Ur$achen aufzu$teigen und von den entdeckten Ur$achen wieder rückwärts auf die Wirkungen zu $chlie{$s}en.

Ich bemerkte ferner, da{$s} jeder die$er beiden Hauptge- $ichtspunkte wieder in zwei be$ondere Ge$ichtspunkte zerfällt. So kann man, wenn nach dem er$ten Hauptge$ichtspunkte die Gegen$tände an $ich betrachtet werden, entweder bei dem, was die unmittelbare Beobachtung gibt, $tehen bleiben, oder man kann etwas $uchen, das Anfangs noch verborgen i$t, und zu dem man er$t durch weitere Zerlegung der Objekte durchdringt. Ich bildete de{$s}halb eine er$te Unterabtheilung der allgemeinen Phy$ik, welche alle Wahrheiten in $ich be- greift, die $ich auf die unmittelbar wahrnehmbaren unorga- ni$chen Er$cheinungen und Eigen$chaften der Körper beziehen, ߞ Experimentalphy$ik; eine zweite Unterabtheilung enthält die Wahrheiten, die $ich mit dem, was in den Körpern ver- borgen i$t, be$chäftigen, d. h. mit den Elementen, aus denen $ie be$tehen, und die man nur durch Zerlegung der$elben kennen lernen kann. So wurde mir die Chemie der zweite Theil der allgemeinen Phy$ik.

Bei dem zweiten Hauptge$ichtspunkt, wo es $ich um Vergleichung und Erklärung der That$achen handelt, findet eine ähnliche Unterabtheilung in zwei be$ondere Ge$ichts- punkte $tatt. Der eine davon bezieht $ich auf die allmäh- [034] ligen Veränderungen, die ein und der$elbe Gegen$tand theils für die unmittelbare Wahrnehmung, theils in Beziehung auf das, was er$t durch weitere Zerlegung gefunden werden kann, erleidet; man unter$ucht die$e Veränderungen, um den die$elben beherr$chenden Ge$etzen auf die Spur zu kommen, und wenn man $o weit i$t, $o vergleicht man das, was man an einem Gegen$tand beobachtet hat, mit dem, was man an einem anderen fand, um die $o aufgefundenen Ge- $etze $o weit zu verallgemeinern, als es die Natur der Sache zulä{$s}t. Der zweite be$ondere Ge$ichtspunkt (oder, wenn man die früher angegebenen zwei be$onderen Ge$ichtspunkte mit- rechnet, der vierte), geht von den unter den drei vorange- gangenen be$onderen Ge$ichtspunkten erhaltenen Re$ultaten aus, um die letzten Gründe der in den vorhergegangenen Unter$uchungen aufgefundenen That$achen und Ge$etze zu erfor$chen und um von die$en ober$ten Gründen und Ur$a- chen aus die künftigen Wirkungen vorherzu$ehen und zu berechnen. Ich vereinigte demgemä{$s} in der er$ten Unter- abtheilung der mathemati$chen Phy$ik das vergleichende Stu- dium der Mittel, durch welche die Beobachtungen die grö{$s}e$t- mögliche Genauigkeit erhalten, ferner die Verbe$$erungen, die man an den erhaltenen Re$ultaten je nach der Tempe- ratur, dem atmo$phäri$chen Druck u. $. w. anbringen mu{$s}, die Formeln, die $ich aus der Zu$ammen$tellung der erhal- tenen Re$ultate ableiten la$$en, und alle Folgerungen, zu denen man bei Anwendung des Calculs der Dynamik auf die genannten Formeln kommt; die{$s} i$t das Ziel der Unter- $uchungen, aus denen ich die be$ondere Wi$$en$chaft der Stereonomie gebildet habe. In der die$er ebengenannten Wi$$en$chaft ent$prechenden zweiten Unterabtheilung $tellte ich Alles zu$ammen, was $ich auf die letzten Gründe $owohl der in der Experimentalphy$ik und Chemie beobachteten Er- $cheinungen, als der phy$ikali$ch-mathemati$chen Ge$etze be- zieht, welche letztere Gründe $ich in äu{$s}er$ter Verallgemei- nerung auf die Kräfte der Anziehung und Ab$to{$s}ung zwi- [035] $chen Molekülen der Körper unter einander, und eben$o zwi$chen den Atomen, aus denen die Moleküle be$tehen, zu- rückführen la$$en.)

Ich fand ferner, da{$s} die übrigen Wi$$en$chaften, welche die Natur der Körper erfor$chen, wie Geologie, Botanik, Zoologie u. $. w. $ich auf natürliche Art und ganz ent$pre- chend den vorhin angeführten vier Ge$ichtspunkten in zwei Theile und vier Unterabtheilungen trennen. Einige Zeit nachher entdeckte ich, da{$s} da$$elbe bei den mathemati$chen, den phy$ikali$ch mathemati$chen, den medicini$chen und den techni$chen Wi$$en$chaften $tattfinde.

Immer bemerkte ich, da{$s} die Gegen$tände die$er ver- $chiedenen Wi$$en$chaften $ich unter den$elben Ge$ichtspunkten betrachten la$$en, wie die Objecte der Phy$ik; da{$s} $ich die$e Ge$ichtspunkte ganz auf die$elbe Wei$e wie dort zu einander verhalten, und, ohne im We$entlichen $ich zu ändern, höch- $tens Modificationen erleiden, die von der Natur der Ge- gen$tände abhängen, wie man ja die$es auch bei den natür- lichen Characteren, deren man $ich in der Botanik und Zoo- logie bedient, bemerken kann. Der Le$er wird $päter $ehen, worin die$e Modificationen be$tehen, wenn ich im Verlauf die$es Werkes die fraglichen Ge$ichtspunkte auf die ver$chie- denen Wi$$enszweige anwende.

Im Frühjahr 1830 brachte ich eine Eintheilung der cosmologi$chen Wi$$en$chaften zu Stande. Noch im Lauf de$$elben Iahres fa{$s}te ich den Gedanken, auch die noologi- $chen Wi$$en$chaften zu cla$$ificiren.

Die$elben zwei Hauptge$ichtspunkte $ammt ihren Unter- abtheilungen, mittel$t deren ich bereits die Gegen$tände der cosmologi$chen Wi$$en$chaften eingetheilt hatte, gaben mir Anmerkung. Ueber den Unter$chied von Molekülen und Atomen le$e man nach, Bibliothèque universelle, März 1832, Theil XLIX., pag. 225 ff., wo $ich ein von mir verfa{$s}tes Memoire über die$en Punkt findet. [036] auch für die noologi$chen Wi$$en$chaften einen ganz natür- lichen Eintheilungsgrund an die Hand.

Auf die$e Art erhielt ich Wi$$en$chaften von ver$chiede- nen Ordnungen. Wi$$en$chaften der er$ten Ordnung nannte ich diejenigen, in welchen alle auf einen Gegen$tand be- züglichen Erkenntni$$e vereinigt $ind. Iede Wi$$en$chaft der er$ten Ordnung theilt $ich nach den zwei Hauptge$ichts- punkten, unter denen man einen Gegen$tand betrachten kann, in zwei Wi$$en$chaften von der zweiten Ordnung, und jede von die$en beiden theilt $ich wieder in zwei Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, ent$prechend den früher angeführten vier $pecielleren Ge$ichtspunkten.

Alle Wi$$en$chaften der zweiten und dritten Ordnung $ind al$o in Wi$$en$chaften der er$ten Ordnung vereinigt, und ich war $omit bei der Eintheilung des men$chlichen Wi$$ens ungefähr auf den$elben Punkt gekommen, wie Ber- nard Iu$$ieu, als er $ämmtliche damals bekannten Pflanzen- gattungen in natürliche Familien gruppirt hatte. Es blieb mir nur noch übrig, die Wi$$en$chaften der er$ten Ordnung zu cla$$ifiziren und in grö{$s}ere Abtheilungen zu vereinigen, gerade $o, wie der Verfa$$er der genera plantarum die na- türlichen Familien in Kla$$en, und die$e $elb$t wieder in die drei gro{$s}en Haufen der Acotyledonen, Monocotyledonen und Dicotyledonen vereinigte, welche letztere ganz mit den von Cuvier im Thierreich gemachten Hauptabtheilungen (embran- chements) zu$ammenfallen, die wir Provinzen nennen wollen.

So ent$prechen al$o die Wi$$en$chaften der dritten Ord- nung den natürlichen Familien Iu$$ieu’s, die Wi$$en$chaften der er$ten Ordnung bildeten gleich$am Kla$$en von Wahr- heiten, und es war nur meine Aufgabe, aus die$en Wi$$en- $chaften er$ter Ordnung Provinzen und Reiche zu bilden. Vor Allem theilte ich un$er $ämmtliches Wi$$en in zwei Reiche. Das eine $ollte alle Wahrheiten befa$$en, die $ich auf die Körperwelt beziehen, das andere alles, was mit dem men$chlichen Gei$t zu$ammenhängt. Die Wi$$en$chaften der [037] er$ten Ordnung unter die zwei Reiche einzureihen, machte keine gro{$s}e Schwierigkeit; aber ich mu{$s}te Zwi$chenglieder auf$uchen, damit in jedem Reiche eine natürliche Reihen- folge die gegen$eitigen Verhältni$$e und Beziehungen jener Wi$$en$chaften be$$er in die Augen fallen la$$e.

Sollten die$e Unterabtheilungen natürlich $ein, $o durften $ie nicht nach vorgefa{$s}ten Meinungen und vorausbe$timmten Eintheilungsgründen gemacht werden, $ondern nach der Ge- $ammtheit der Beziehungen aller Art, welche $ich in den Wi$$en$chaften, die eingetheilt und geordnet werden $ollten, auffinden lie{$s}en, und ich machte der Reihe nach Ver$uche, $ie bald zu drei, bald zu vier zu gruppiren, je nach dem grö{$s}eren oder geringeren Grad von Aehnlichkeit, welchen $ie unter einander hatten. Ieder die$er Eintheilungsver$uche lie{$s} mich neue Beziehungeu zwi$chen ihnen auffinden, aber immer noch fehlte die rechte Art der Zu$ammen$tellung, welche alle die$e Beziehungen mit der grö{$s}tmöglichen Deut- lichkeit hervortreten lie{$s}, und er$t im Frühling 1831 wurde mir klar, da{$s} ich, um keine jener Beziehungen zu vernach- lä$$igen, die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung zu zwei und zwei zu$ammen$tellen mü$$e, indem ich immer diejenigen, welche die $chlagend$ten und vielfältig$ten Aehnlichkeiten zeig- ten, vereinigte; und da{$s} ferner die $o gebildeten Gruppen wieder auf die$elbe Art zu zwei und zwei, je die näch$t$te- henden mit einander verbunden werden mü$$en. Indem ich die$e Arbeit immer weiter fortführte, mu{$s}te ich zuletzt auf die gro{$s}e Abtheilung in zwei Reiche und $omit auf eine con$eguent-dichotomi$che Eintheilung kommen; wie man auch im Verlauf des Werkes $elb$t finden wird, da{$s} jedes Reich in zwei Hauptgebiete, jedes Hauptgebiet in zwei Provinzen, jede Provinz in zwei Krei$e, und jeder Kreis in zwei Wi$- $en$chaften der er$ten Ordnung zerfällt.

Als ich einmal $o weit war, wollte ich auch in dem Curs, zu dem ich im Collège de France verpflichtet bin, eine Arbeit fruchtbar machen, die nur im Intere$$e die$es [038] Cur$es begonnen worden war, aber ganz unerwartet $olche Re$ultate hervorgerufen hatte, und ich be$timmte Eine wö- chentliche Lection zu einer über$ichtlichen Dar$tellung die$er Unter$uchung. Dabei $ah ich jedoch gleich, da{$s} meine Arbeit noch nicht zu Ende war. Es fehlte mir an genauen Cha- racteren für die Unter$cheidung und Zu$ammen$tellung der zwi$chen die Reiche und die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung einge$chobenen Mittelglieder der Eintheilung. Es fehlte mei- ner Cla$$ification noch gleich$am der Schlü$$el, den Iu$$ieu für $eine Zu$ammen$tellung der natürlichen Pflanzenfamilien in der Zahl der Samenlappen, in der Stellung der Staub- fäden, in der Anwe$enheit oder dem Mangel einer Blumen- krone u. $. w. gefunden hat. Dabei kamen aber mancherlei Schwierigkeiten zum Vor$chein. Da die ver$chiedenen Grup- pen, welche ich nach natürlichen Analogieen aus den Wi$- $en$chaften er$ter Ordnung gebildet hatte, vorher fertig wa- ren, ehe ich noch einen Schlü$$el für das Ganze auf$uchte, mu{$s}te ich nothwendig die$en letzteren $o lange ändern, bis ich einen fand, welcher die$e Gruppen in ihrer natürlichen Ordnung genau wieder hervortreten lie{$s}. Ich fand auch bald ein Mittel, die Stellung und die Charactere der Haupt- gebiete und Provinzen zu be$timmen; nicht $o jedoch verhielt es $ich bei den Krei$en, in welche die Provinzen eingetheilt wurden.

So weit war ich, als mir im Iahr 1832 der Gedanke aufging, da{$s} alle die Abtheilungen und Unterabtheilungen, die ich mit $o vieler Mühe zu Stande gebracht hatte, in gewi$$er Wei$e a priori hätten abgeleitet werden können, und zwar mit Hülfe eben der$elben Ge$ichtspunkte, die mir im Anfang zur Abtheilung der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung in $olche der zweiten und dritten Ordnung gedient hatten. Zwar hatte ich bereits bemerkt, da{$s} die Anwendung der ge- nannten Ge$ichtspunkte auf die zwei gro{$s}en Hauptobjecte des men$chlichen Wi$$ens hinreiche, um jedes die$er beiden Reiche in die$elben Hauptgebiete und Provinzen abzutheilen, [039] die $ich $chon vorher a posteriori ergeben hatten. Nun aber erkannte ich auch, da{$s} bei wiederholter Anwendung jener Ge$ichtspunkte auch auf die weniger allgemeinen Gegen$tände, die den Inhalt der Provinzen ausmachen, letztere gleichfalls in die$elben Krei$e und Wi$$en$chaften er$ter Ordnung $ich zerlegen, wie $ie $chon vorher be$timmt waren, ehe ich auch nur entfernt an die$e neue Anwendungsart jener Ge$ichts- punkte dachte. In den Anmerkungen, welche ich durch klei- neren Druck von dem übrigen Texte des Werkes ausge- zeichnet habe, wird man $ehen, wie ich die$e Idee entwickle, und mit welcher Ungezwungenheit $ie zu einem natürlichen Sy$tem der men$chlichen Erkenntni$$e führt.

Der Um$tand, da{$s} die aus der ebengemachten Betrach- tung hervorgehende Eintheilung un$eres Wi$$ens auf eine $o folgerechte Wei$e mit der Cla$$ification zu$ammentrifft, die aus der empiri$chen Betrachtung $ämmtlicher Analogieen der ver$chiedenen Wi$$en$chaften $ich ergab, hat nothwendig $einen Grund in der Natur un$eres Denkens. Was auch der Gegen$tand un$erer Unter$uchungen $ein mag, phy$i$ch, logi$ch oder ethi$ch, $o mü$$en wir vor allen Dingen die That$achen $ammeln, welche $ich für die unmittelbare Beob- achtung ergeben; $odann mü$$en wir auf$uchen, was ge- wi$$erma{$s}en unter die$en That$achen ver$teckt i$t; und er$t, wenn die$e Unter$uchungen vollendet $ind, welche den in dem er$ten Hauptge$ichtspunkt vereinigten zwei be$onderen Ge$ichtspunkten ent$prechen, er$t dann kann man die gewon- nenen That$achen mit einander vergleichen, und allgemeine Ge$etze daraus ableiten. Die$e Vergleichung und Verallge- meinerung ent$pricht augen$cheinlich dem dritten be$onderen Ge$ichtspunkt. I$t die{$s} Alles ge$chehen, dann kann man endlich zu den letzten Gründen der Er$cheinungen auf$teigen, die man unter dem er$ten Ge$ichtspunkt beobachtete, zerlegte und analy$irte unter dem zweiten, und unter dem dritten verglich, ordnete und auf allgemeine Ge$etze zurückführte. Die$e Erfor$chung der letzten Gründe alles bisher Aufge- [040] fundenen, und die Ableitung der Wirkungen aus den nach- gewie$enen letzten Ur$achen machen den vierten be$onderen Ge$ichtspunkt aus, und vollenden $o den Kreis de$$en, was man nur irgend an einem Gegen$tand erkennen kann. Ich mu{$s} mich hier begnügen mit der blo{$s}en Andeutung der vier Ge$ichtspunkte, deren Unter$chied und gegen$eitige Beziehung gewi$$erma{$s}en als das Princip einer Eintheilung ange$ehen werden mu{$s}, welche gleichwohl von ganz anderen $elb$t$tän- digen Unter$uchungen ihren Ausgang nahm. Er$t nach Durchle$ung des ganzen Werks wird man im Stande $ein, die Anwendung die$es ober$ten Eintheilungsgrundes ganz zu fa$$en, und die Wichtigkeit und Fruchtbarkeit de$$elben voll$tändig einzu$ehen.

Als ich die Abfa$$ung des vorliegenden Werks begonnen hatte, fiel mir eine merkwürdige Ueberein$timmung auf, zwi- $chen den genannten vier Ge$ichtspunkten und den vier Haupt- epochen, welche der men$chliche Ver$tand bei $einer allmähligen Entwicklung zu durchlaufen hat, von den er$ten Empfindungen und Bewegungen, durch welche das Kind $eines Da$eins be- wu{$s}t wird und da$$elbe bethätigt, bis zu dem Zeitpunkt, wo der Men$ch, gebildet durch die Ge$ell$chaft von Seinesgleichen, wie durch die Uebung von Wi$$en$chaften und Kün$ten, $ich zu der höch$tmöglichen Stufe der Erkenntni{$s} emporhebt.

Die$e Entwicklungsge$chichte des men$chlichen Gei$tes war das Ergebni{$s} einer langen Arbeit, die ich um das Iahr 1804 begann, und mit der ich noch im Iahr 1820 be$chäf- tigt war. Ich unter$uchte nemlich die Vermögen des Gei$tes, die Mittel, durch welche er das Wahre vom Fal$chen unter- $cheidet, die Wege, die er gehen mu{$s}, um die ver$chiedenen Gegen$tände $eines Wi$$ens zu ordnen, und um $eine Be- griffe und Urtheile in Zu$ammenhang unter einander zu bringen; ich unter$uchte endlich den Ur$prung un$erer Ideen; und $o wurden nach und nach alle von der Philo$ophie aufgeworfenen Fragen in den Kreis meiner Erörterung ge- zogen und die Lö$ung der$elben ver$ucht.

[041]

Die er$te Periode geht von dem Augenblick, wo bei dem Kinde Empfindung und Selb$tthätigkeit erwacht, bis zu dem Zeitpunkt, wo es durch die Sprache mit der übrigen Men$chenwelt in einen gei$tigen Wech$elverkehr tritt; die zweite Periode er$treckt $ich von der Erlernung der Sprache bis zu den äu{$s}er$ten Grenzen, welche der men$chliche Gei$t erreichen kann, wenn es überhaupt $olche Grenzen gibt. Aus der er$ten Periode bewahrt uns das Gedächtni{$s} nichts auf, aber ich hielt es für möglich, durch blo{$s}e Schlu{$s}folge- rungen aus den That$achen un$eres Bewu{$s}t$eins, den Zeit- raum in $einer ganzen Voll$tändigkeit noch einmal zu con- $truiren, und als ich über die$en Punkt ins Reine gekommen war, bemerkte ich, da{$s} der genannte Zeitraum, eben$o wie der andere, abermals in zwei be$ondere Perioden zerfallen. Ehe das Kind die Sprache lernt, gibt es eine Zeit, in wel- cher es nur dasjenige auffa$$en kann, was unmittelbare Er- $cheinung i$t, mag nun letztere durch die äu{$s}eren Sinne vermittelt $ein, oder durch die innere Empfindung $einer ei- genen Selb$tthätigkeit; die{$s} i$t die er$te untergeordnete Pe- riode im er$ten Zeitraum. Die zweite untergeordnete Pe- riode geht von dem Zeitpunkt, wo es das Da$ein von Kör- pern und von per$önlichen We$en entdeckt, welche gleich ihm Ver$tand und Willen haben, bis zu der Epoche, wo es durch die Sprache mit letzteren in Verkehr tritt, wo es die Zwecke ein$ieht, welche die umgebenden Per$onen bei ihren Hand- lungen haben, und wo es den Sinn ihrer Worte ver$teht.

Nun beginnt der zweite Zeitraum und die dritte unter- geordnete Periode. Das Kind hört einen Namen bei ver- $chiedenen Gegen$tänden nennen, es hört ein und da$$elbe Wort wiederholen in ver$chiedenen Satzverbindungen, deren Sinn durch die Um$tände, unter welchen man es aus$pricht, ihm deutlich werden mu{$s}, und es kann nun den Begriff, welcher durch den Namen oder das Wort bezeichnet wird, nicht anders erfa$$en, als wenn es die ver$chiedenen Objecte, die ver$chiedenen Um$tände unter einander vergleicht, und [042] durch die$e Vergleichung das Gemein$chaftliche, das in die$en ver$chiedenen Objecten oder Um$tänden enthalten i$t, heraus- findet; denn eben die$es, das Allgemeine, i$t es, was durch einen Namen oder ein Wort bezeichnet wird.

Ver$teht einmal der Men$ch die Worte, $o hat er eben damit auch das Mittel, $eine Gedanken fe$tzuhalten und zu ordnen, $eine Urtheile auszudrücken, und er macht die Ent- deckung, da{$s} er, von bereits bekannten Wahrheiten ausge- hend, andere Wahrheiten davon ableiten kann, welche mit den er$ten in dem Verhältni{$s} gegen$eitiger Abhängigkeit $te- hen, $o da{$s} mit dem einen auch die anderen nothwendig gegeben $ind. In der vierten untergeordneten Periode endlich fand ich Alles dasjenige vereinigt, was der Men$ch, bei einer tieferen Ergründung der Dinge und We$en, über ihre Eigen- $chaften und Kräfte, $o wie auch über die letzten Gründe er- for$chen kann, auf welche er die That$achen der Natur und der gei$tigen Welt zurückführen mu{$s}.)

Die Analogie die$er vier Perioden mit den vier Ge- $ichtspunkten $pringt zu $ehr in die Augen, als da{$s} ich mich lang dabei aufhalten $ollte. Sieht man nicht auf den er$ten Blick, da{$s} die zwei Hauptperioden der Entwicklungsge$chichte des men$chlichen Gei$tes zu$ammenfallen mit den früher be- zeichneten zwei Hauptge$ichtspunkten? Und i$t es nicht eben$o, wenn man die vier be$onderen Perioden mit den vier unter- Anmerkung. Die$e vier Perioden ent$prechen vier Arten von Begriffen, die in Verbindung mit den Er$cheinungen der äu{$s}eren und inneren Welt, in ihren ver$chiedenen Combinationen den Ur- $prung aller That$achen un$eres Bewu{$s}t$eins geben, wie ich es in einer im Collège de France gehaltenen Vorle$ung näher ausein- anderge$etzt habe und de$$en we$entlicher Inhalt im Nach$tehenden zu finden i$t. Ich füge blos die Bemerkung bei, da{$s} der Men$ch, wenn er einmal eine Art von Begriffen erfa{$s}t hat, der$elben bis an das Ende $eines Lebens fähig i$t, und da{$s} $omit $ein Gei$t, der während der ganzen er$ten Periode nur die er$te Art von Begriffen zulä{$s}t, die beiden er$ten Arten in $ich aufnehmen kann während der zweiten Periode, die drei er$ten während der dritten, u. $. f. [043] geordneten Ge$ichtspunkten vergleicht? I$t nicht ganz klar, da{$s} die Periode, wo das Kind nur die unmittelbaren Er- $cheinungen der äu{$s}eren und inneren Welt auffa{$s}t, dem Ge$ichtspunkt ent$pricht, unter welchem man $ich nur mit dem be$chäftigt, was Natur und Gei$t der unmittelbaren Beobachtung vor Augen $tellen; eben$o die zweite Periode, wo das Kind die Eri$tenz körperlicher Dinge und gei$tiger We$en au{$s}er $ich entdeckt, dem Ge$ichtspunkt derjenigen Wi$$en$chaften, welche $ich mit der Erfor$chung des in den Gegen$tänden Ver$tecktliegenden be$chäftigen; die dritte Pe- riode, wo das Kind, um die Sprache $einer Umgebungen zu ver$tehen, die Gegen$tände vergleichen und ordnen, ja $eine eigenen Gedanken betrachten mu{$s}, und mit der fort- $chreitenden Entwicklung $einer Vernunft aus bekannten Wahrheiten unbekannte ableiten lernt, den Wi$$en$chaften des dritten Ge$ichtspunktes, welche $ich mit Zu$ammen$tellung und Vergleichung der That$achen be$chäftigen; die vierte Periode endlich dem vierten Ge$ichtspunkt, weil die Mittel, die man $owohl zur Bewahrheitung als zur tieferen Er- gründung der That$achen anwenden mu{$s}, in beiden Fällen auf das Gleiche hinauslaufen, nemlich die Ein$icht in den nothwendigen Zu$ammenhang von Ur$ache und Wirkung?

Die$e durchgehende Analogie folgt aus der Natur un- $eres Gei$tes; denn der Gelehrte mu{$s} durchaus bei der Unter$uchung irgend welches natürlichen oder gei$tigen Ge- gen$tandes den$elben Gang befolgen, wie die übrigen Men- $chen bei der allmähligen Entwicklung ihrer Ein$ichten.

Man würde das Ebenge$agte ent$chieden mi{$s}ver$tehen, wenn man $ich etwa vor$tellen wollte, da{$s} ich die ver$chie- denen Gruppen der in die$em Werk definirten Wi$$en$chaften in eine Beziehung mit den ebengenannten Perioden bringen wollte. Es i$t klar, da{$s} für das Kind vor Erlernung der Sprache keine Wi$$en$chaft vorhanden i$t, da{$s} al$o der Men$ch nur in den zwei letzten Perioden eine Wi$$en$chaft oder Kun$t zu erfa$$en im Stande i$t; er kann es im Allgemeinen [044] nur dann er$t, wenn er $olche Kenntni$$e be$itzt, welche alle vier Arten von Begriffen in $ich vereinigen, wie $ie in der Anmerkung am Ende der Vorrede näher werden bezeichnet werden. Aus allem geht $omit hervor, da{$s} die Betrachtung der Perioden, welchen die ver$chiedenen dem men$chlichen Wi$$en zu Grund liegenden Begriffsgattungen ent$prechen, auf keine Wei$e in die Unter$uchungen über die Eintheilung un$erer Erkenntni$$e hereingezogen werden dürfen.

In dem philo$ophi$chen Cur$us, zu dem ich von 1819 auf 20 bei der philo$ophi$chen Facultät von Paris ver- pflichtet war, entwickelte ich meine An$ichten über eine all- gemeine Cla$$ification der That$achen des Bewu{$s}t$eins. Ich hatte bereits die haupt$ächlich$ten Ergebni$$e meiner Arbeit in einer p$ychologi$chen Tabelle, die ich für einige wenige Freunde drucken lie{$s}, zu$ammenge$tellt, und behielt mir vor, die$e wichtigen Fragen $päter in einer be$onderen Abhand- lung näher zu erörtern, wovon ich damals durch phy$icali$che Unter$uchungen abgehalten wurde.

Betrachtungen, welche von den bisher auseinanderge- $etzten ganz ver$chieden waren, führten mich länger als ein Iahr nachher, als der Druck des er$ten Theils die$es Werks fa$t vollendet war, am 12. December 1833, zum dritten Mal auf ganz anderen Wegen zu den gleichen Abtheilungen und Unterabtheilungen $ämmtlicher Wahrheiten, welche un- $ere Wi$$en$chaften und Kün$te ausmachen, ganz eben$o wie die Eintheilung war, auf die ich gleich im Anfang kam, und welche ich $päter mittel$t der öfter be$prochenen Ge- $ichtspunkte zum zweiten Mal in ebender$elben Ordnung reproducirte.

Auf die$e Betrachtungen kam ich, indem ich unter$uchte, auf welche Art die$e nemlichen Abtheilungen und Unterab- theilungen, eine von der anderen $ich ableiten la$$en, und $ie gaben mir für meine Cla$$ification einen neuen Schlü$$el an die Hand, den man ganz füglich an die Stelle des bereits angewandten $etzen könnte. Von die$en beiden Schlü$$eln [045] $cheint mir der er$tere philo$ophi$cher und fruchtbarer an neuen Anwendungen und Ableitungen; er i$t wohl auch tauglicher, meine Eintheilung dem Gedächtni{$s} einzuprägen; der andere aber $cheint mir practi$cher und leichter zu fa$$en, und wird auch de{$s}halb einer grö{$s}eren Zahl von Le$ern be$$er zu$agen. Aber höch$t merkwürdig i$t es mir, da{$s} zwei $o ganz ver$chiedene Mittel darin zu$ammentreffen, die Abthei- lungen und Unterabtheilungen des men$chlichen Wi$$ens ganz in der$elben Ordnung zu reproduciren, wie $ie $chon vorher unabhängig von dem einen, wie von dem anderen, gebildet worden waren. Die$e Ueberein$timmung i$t meines Erachtens der $chlagend$te Beweis, da{$s} die Eintheilungen in der eigen$ten Natur un$eres Denkens begründet $ind. Als ich den zweiten Schlü$$el entdeckte, war der Druck mei- nes Werks $chon zu weit vorgerückt, als da{$s} ich noch, der Reihe nach, alle Anwendungen hätte beifügen können; um jedoch den Le$er in die$er Beziehung zufrieden zu $tellen, habe ich mich ent$chlo$$en, am Ende des Werks einen Anhang zu geben, in welchem ich alles, was darüber zu wi$$en nö- thig i$t, nachholen werde.

Bu$atz Ampère’s zu $einem Eintheilungsprincip.

Es wurde oben in einer Anmerkung davon ge$prochen, da{$s} die vier Ge$ichtspunkte, welche die Grundlage der Am- père’$chen Eintheilung bilden, vier Gattungen von Begriffen ent$prechen, welche, angewandt auf die Er$cheinungen der äu{$s}eren und inneren Welt in ihren ver$chiedenen Combi- Da der Tod Ampère an der Herausgabe des zweiten Theils ver- hinderte, $o entbehren wir auch den oben ver$prochenen Anhang; ich lie{$s} aber das Obige $tehen, weil es den Gang des Verfa$$ers von einer intere$$anten Seite $ehen lä{$s}t. [046] nationen, den Ur$prung aller That$achen des Bewu{$s}t$eins geben. Da es von Intere$$e i$t, die umfa$$ende Bedeutung, welche Ampère $elb$t $einen Ge$ichtspunkten zu$chreibt, ken- nen zu lernen, $o folgt hier der we$entliche Inhalt einer Vorle$ung, die er im Collège de France über den genannten Gegen$tand gehalten hat.

Die men$chlichen Gedanken be$tehen nach Ampère aus An$chauungen und Begriffen. Unter An$chauung ver$teht er 1) Alles, was wir empfindend von au{$s}en in uns auf- nehmen, die Sinneseindrücke, ferner die Nachbilder, welche auch dann noch fortdauern, wenn die Um$tände, durch welche wir die Eindrücke erhielten, aufgehört haben, und endlich diejenige An$chauung, welche durch Vereinigung einer un- mittelbar gegenwärtigen Sinnesempfindung und des Nach- bildes einer $chon früher dagewe$enen gleichen Empfindung in uns erzeugt werden. Die$e Vereinigung nennt Ampère „Concretion.” 2) Alles, was in das Bewu{$s}t$ein un$erer eigenen Thätigkeit fällt, zunäch$t das Gefühl eben die$er Selb$tthätigkeit, welches er Eme$the$e (ἐμ{οῦ}, ἀίσθησις) nennt, dann die Spur die$es Gefühls, welche un$er Ge- dächtni{$s} aufbewahrt, von ihm Automne$tie (ἀυτὸς, μνῆ- στις) genannt, und endlich diejenige Selb$tan$chauung, welche durch Vereinigung einer wirklichen Eme$the$e und der in un$erem Gedächtni{$s} aufbewahrten Spuren früherer Eme- $the$en ent$teht, eine Vereinigung, welche offenbar un$er em- piri$ches Selb$tbewu{$s}t$ein ausmacht. Daraus ergibt $ich der Unter$chied, den er zwi$chen den $innlichen An$chauun- gen und den von ihm $ogenannten An$chauungen der in- neren Selb$tthätigkeit macht.

Bei den Begriffen unter$cheidet er vier Arten: I. die ur$prünglichen Begriffe, welche von den Vor$tellungen unzertrennlich und in gewi$$er Art die Formen $ind, unter denen wir $ie vollziehen mü$$en, wie Raum und Bewegung für die $innlichen Vor$tellungen, Zeit und Ur$ächlichkeit für die Vor$tellungen der Selb$tthätigkeit.

[047]

II. Die objectiven Begriffe be$tehen hin$ichtlich der $innlichen Vor$tellungen in dem Begriff der Materie und der Atome, aus welchen letztere zu$ammenge$etzt i$t; hin- $ichtlich der Vor$tellungen der gei$tigen Selb$tthätigkeit, in dem Begriff von der Sub$tanz, welche un$eren Körper be- wegt, und der Träger un$eres Denkens und Wollens i$t, die wir zuer$t an uns $elb$t erkennen, und dann auch, um der Analogie willen in Anderen un$eres Gleichen, und am Ende in allen belebten We$en annehmen. (Ampère bemerkt dabei, da{$s} der er$te Begriff, den wir von die$er Sub$tanz haben, das Ergebni{$s} un$erer Fähigkeit i$t, un$ern Körper $elb$tthätig zu bewegen, und da{$s} die$es auch der Grund $ei, warum $ie in fa$t allen Sprachen den metaphori$chen Namen Hauch oder Wind bekommen habe, was nichts anderes be- deute, als un$ichtbare bewegende Ur$ache. Daher komme es auch, warum im Anfange der men$chlichen Ge$ell$chaft die Men$chen überall das Da$ein einer Seele angenommen ha- ben, wo $ie Bewegungen ohne augenfällige Ur$achen be- merkten, warum Iupiter den Donner gerollt, Apollo den Sonnenwagen geführt, Aeolus die Winde entfe$$elt, und Dryaden die Bäume haben wach$en la$$en.)

Die$e beiden er$ten Arten von Begriffen $ind unab- hängig von der Sprache, und es i$t klar, da{$s} die$es gro{$s}e Mittel für die Entwicklung des Denkens nicht eher ins Le- ben treten kann, als bis das Kind in den umgebenden Per- $onen ebenfalls eine bewegende, denkende und wollende Sub- $tanz voraus$etzt, gleich der, welche es in $ich $elber fühlt; und nur der Sprache wiederum verdanken wir die beiden anderen Arten von Begriffen, zu denen wir jetzt übergehen.

III. Zuer$t kommen die Begriffe, welche das Kind durch $eine An$trengungen, die Sprache der Eltern zu ver$tehen, erhält.

In Betreff der $innlichen Vor$tellungen $ind die{$s} die von Ampère $ogenannten comparativen Begriffe, welche man $on$t die allgemeinen Vor$tellungen nennt. Hört das [048] Kind ein und da$$elbe Beiwort, z. B. roth, ver$chiedenen Gegen$tänden beilegen, einer Blume, einem Kleidungs$toff, einer von der Abend$onne beleuchteten Wolke, $o wird die Begierde, den Sinn des Worts zu ver$tehen, das Kind nö- thigen, die ver$chiedenen Gegen$tände zu vergleichen, und es wird auf die$e Art das Gemein$chaftliche der$elben erkennen. Die$e Thätigkeit nun, durch welche es die genannte Aehn- lichkeit auffa{$s}t, lä{$s}t in $einem Gedächtni{$s} die allgemeine Vor$tellung „roth”, welche $ich an den Wortlaut knüpft. Eben$o $ucht es den Sinn der Worte zu fa$$en, wenn es die Worte „gleich, grö{$s}er, kleiner, doppelt, vier- fach u. $. w.” $agen hört, und bekommt $o die Vor$tellungen, welche Ampère mathemati$che nennt.

Andere Begriffe der$elben Art beziehen $ich auf die Vor$tellungen der Selb$tthätigkeit. So $ucht das Kind, wenn es die Worte „empfinden, wün$chen, urthei- len, wollen” hört, das Gemein$chaftliche in den Zu$tänden oder Thätigkeiten des Gei$tes aufzufinden, welche es mit dem$elben Namen benennen hört, und daraus ent$pringen die Begriffe, welche mehrere P$ychologen $ehr richtig reflexive Ideen genannt haben, wobei das Wort Reflexion in dem Locke’$chen Sinn zu nehmen i$t. Eben$o verhält es $ich mit den Begriffen über ge$ell$chaftliche Verhältni$$e, über gut und bö$e, über Pflicht u. $. w.

Es i$t zweckmä{$s}ig, die$e ver$chiedenen Arten von Be- griffen, welche in eine und die$elbe Periode fallen, unter einem gemein$chaftlichen Namen zu$ammenzufa$$en. Ono- mati$che Begriffe, d. h. Begriffe, die $ich auf Worte und Namen beziehen, $cheint der angeme$$en$te Ausdruck dafür zu $ein.

IV. Die vierte Art von Begriffen endlich $ind die er- klärenden Begriffe, mittel$t deren wir nach dem verglei- chenden Studium der Er$cheinungen zu den letzten Ur$achen auf$teigen.

Was uns das Gedächtni{$s} von einem Begriff aufbe- [049] wahrt, i$t eins mit die$em Begriff $elb$t. Eine $olche Iden- tität findet jedoch keineswegs $tatt zwi$chen den Empfindun- gen oder der Eme$the$e einer$eits und den Nachbildern oder der Automne$tie andrer$eits, und es kann nur im Traume oder in der Narrheit ge$chehen, wenn man letztere für die er$teren nimmt. Bei jedem Urtheil i$t das Prädicat noth- wendig ein Begriff und auch das Subject immer dann, wenn $ich die Bejahung oder Verneinung nicht aus$chlie{$s}lich auf eine einzelne That$ache der inneren oder äu{$s}eren Em- pfindung bezieht.

Ampère macht aufmerk$am auf die Aehnlichkeit zwi$chen die$en beiden Arten von Erfahrung, der $innlichen und der gei$tigen einer$eits und andrer$eits den zwei Hauptobjecten alles Wi$$ens, der Natur und dem Gei$t, aus denen er die er$te Hauptabtheilung, die gro{$s}en Reiche der cosmologi$chen und noologi$chen Wi$$en$chaften bildete. Eben$o auffallend i$t die Analogie zwi$chen den vier Arten von Begriffen, den primitiven, den objectiven, den onomati$chen und den erklä- renden einer$eits und andrer$eits den vier Ge$ichtspunkten, nach denen jedes Reich in vier Provinzen zerfällt. Der er$te Ge$ichtspunkt, welcher alles unmittelbare Erkennen in $ich begreift, ent$pricht den primitiven Begriffen; mit dem zweiten Ge$ichtspunkt, welcher das hinter der Er$cheinung Verborgenliegende zum Gegen$tand hat, fallen die objectiven Begriffe zu$ammen, mittel$t deren wir theils die den Sinnes- eindrücken zu Grund liegende Materie, theils die bewegende, denkende und wollende Sub$tanz auffa$$en, welche der Träger un$erer gei$tigen Lebensthätigkeiten i$t; der dritte Ge$ichts- punkt vergleicht die Eigen$chaften der Körper und die That- $achen des Bewu{$s}t$eins, um allgemeine Ge$etze aufzu$tellen, und Vergleichungen $ind es auch, durch welche die onoma- ti$chen Begriffe zu Stand kommen; der vierte Ge$ichtspunkt endlich gründet $ich auf das Wech$elverhältni{$s} von Ur$achen und Wirkungen, womit es auch die erklärenden Begriffe zu thun haben.

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Demungeachtet macht $ich zwi$chen den natürlichen Cla$- $ificationen des men$chlichen Wi$$ens einer$eits und den That- $achen des Bewu{$s}t$eins andrer$eits ein Unter$chied bemerklich. Im er$ten Fall nemlich, bei der Eintheilung der men$chlichen Erkenntni$$e mu{$s} man bei der in der Natur der Objecte ge- gründeten ober$ten Unter$cheidung der zwei Reiche anfangen, und dann zu den Unterabtheilungen der vier Provinzen über- gehen, weil die Natur der Objecte, auf welche $ich, wie ge$agt, die$e Unter$cheidung gründet, in die$em Fall das Hauptaugen- m@rk $ein mu{$s}. Bei der Cla$$ification der That$achen des Bewu{$s}t$eins dagegen i$t der auf die Natur der ver$chiedenen Begriffsformen begründete Unter$chied viel wichtiger, als der- jenige, welcher von der Natur der Objecte abhängt, und man mu{$s} demnach die Ge$ammtheit jener That$achen in genannte vier gro{$s}e Abtheilungen zerlegen, deren er$te es mit den Vor$tellungen und primitiven Begriffen zu thun hat; in der zweiten Abtheilung kommt die Unter$uchung der objectiven Begriffe hinzu; die dritte verbindet damit die auf die ono- mati$chen Begriffe bezüglichen Betrachtungen; der Inhalt der vierten Abtheilung i$t das We$en und die Ent$tehungs- art der erklärenden Begriffe; der auf den Gegen$atz von innerer und äu{$s}erer Wahrnehmung gegründete Unter$chied darf blos dazu verwendet werden, um die vier Hauptab- theilungen je in zwei Unterabtheilungen, in zwei Gruppen oder Sy$teme von That$achen des Bewu{$s}t$eins zu trennen. In der That entwickeln $ich auch die inneren und äu{$s}eren Wahrnehmungen und die auf beide bezüglichen Begriffe ganz parallel und $tehen in $teter Wech$elbeziehung zu einander; und man kann $ich keine klare Vor$tellung von einem die$er acht Sy$teme bilden, wenn man nicht zu gleicher Zeit das ent$prechende Sy$tem erfor$cht, das mit dem er$teren eine der vier Hauptabtheilungen macht.

Die$e Wech$elbeziehung zwi$chen Sinnesempfindung und gei$tiger Selb$tthätigkeit i$t die Grundlage der Ideogenie, dem vierten Theil der P$ychologie, der es mit der Erfor$chung [051] des Ur$prungs un$erer Begriffe und aller un$erer Erkennt- ni$$e zu thun hat.

Ehe man an die Erörterung einer Er$cheinung un$eres Seelenlebens geht, mu{$s} man $ich vorher eine deutliche Vor- $tellung von der$elben nach allen ihren Seiten machen. Ampère hat die{$s} an andern Orten für die ver$chiedenen Begriffe gethan, indem er bei jedem der$elben den ideogeni- $chen Unter$uchungen p$ychographi$che Be$timmungen vor- aus$chickte. Ampère wählt als Bei$piel die Analy$e der $inn- lichen Vor$tellungen, und wir können uns nicht enthalten, die$e gei$treiche Ab$chwei$ung im Nach$tehenden wiederzugeben.

Bei$atz. Unter $innlichen Vor$tellungen ver$teht man die Nachbilder, welche die Empfindungen in uns zurückla$$en, welche wir gehabt und auf die wir reagirt haben. Es i$t z. B. eine That- $ache un$erer Selb$tbeobachtung, da{$s} bei der Rückerinnerung an einen früher bewohnten Ort in un$erem Gei$t wirklich eine Vor$tellung die$es Orts mit allen Formen, Farben u. $. w. $einer Gegen$tände ent$teht, jedoch ohne da{$s} die$e Nachbilder von Formen und Farben mit den Em- p$indungen $elb$t eins wären; vielmehr $ind die{$s} zwei von einander unter- $chiedene Zu$tände. Da im Wach$ein zu gleicher Zeit die $ubjectiven Nachbilder neben den wirklichen Empfindungen vorkommen, $o kommt während de$$elben eine Verwechslung nie vor, au{$s}er im Fall von Hallucination, wo die ge$unden Verhältni$$e un$erer Vor$tellungen ge$tört $ind. Aber im Schlaf benimmt uns die Abwe$enheit der wirklichen Empfin- dungen jedes Mittel der Vergleichung, wir nehmen die Nachbilder für wirkliche Empfindungen und glauben zu $ehen, was wir uns nur einbilden.

Bei der Automne$tie i$t es gerade wie mit den $innlichen Empfin- bungen, nur mit der Ein$chränkung, da{$s} im wachen Zu$tand die Autom- ne$tie immer mit der Eme$the$e zu einem Selb$tbewu{$s}t$ein ver$chmolzen i$t. In den Träumen aber, bei recht tiefem Schlaf, gibt es $o wenig eine Eme$the$e als Sinnesempfindungen; denn die Eme$the$e ent$pringt aus der Wirkung, welche die bewegende und denkende Sub$tanz auf die der$elben unmittelbar unterworfenen Theile des Hirns äu{$s}ert, von wo aus $ie $ich in den zur Fortleitung be$timmten Nerven weiter fortpflanzt, gerade wie die Empfindungen das Product $ind, welches in der$elben Sub$tanz durch Einwirkungen äu{$s}erer Ur$achen auf die Sinnorgane ent- $teht, wenn die$e Einwirkungen vermittel$t der leitenden Nerven auf das Hirn fortgepflanzt werden. Daraus folgt, da{$s} die einzige Spur von Selb$tbewu{$s}t$ein, die $ich etwa in den Träumen äu{$s}ern kann, in der [052] Vereinigung der Automne$tieen be$teht, welche mit den Eme$the$en der vorangegangenen wachen Zu$tände $ich ver$chmolzen haben. Die$e Ver- einigung er$cheint uns als wirkliches Selb$tbewu{$s}t$ein ganz auf die$elbe Art, wie wir im Schlaf die Nachbilder vergangener Empfindungen für wirkliche Empfindungen nehmen.

Man hat hierbei auf zweierlei zu merken: 1) wenn man, halberwacht, $ich durch eine Willensan$trengung zum voll$tändigen Wachen bringen will, $o kommt die Eme$the$e in die$er An$trengung von Neuem zum Vor$chein, um $ich für den Fall des voll$tändigen Erwachens zu behaupten; 2) das empiri$che Selb$tbewu{$s}t$ein i$t nur eine von den zahlreichen Mo- dificationen, welche, $eien $ie $innlichen Ur$prungs oder von anderer Art, in der bewegenden und denkenden Sub$tanz neben einander be$tehen kön- nen. Das, wodurch es $ich we$entlich von den übrigen Er$cheinungen des Seelenlebens unter$cheidet, i$t, da{$s} es nur in einer Thätigkeit die$er Sub$tanz $eib$t $einen Ur$prung hat, nicht in einer äu{$s}eren Einwirkung; die Eme$the$e i$t darum auch die einzige Er$cheinung, die von Haus aus mit dem Begriff der Ur$ächlichkeit verge$ell$chaftet i$t.

Der Ur$prung der $innlichen Vor$tellungen beruht im Allgemeinen darauf, da{$s} die Empfindung nur durch die Vereinigung zweier Um$tände zu Stande kommen kann, nemlich eines äu{$s}eren Eindrucks auf die Sinn- organe, und einer Gegenwirkung gegen die$en Eindruck, welche letztere Ampère einfach Gegenwirkung nennt, wenn $ie blos organi$ch, ohne Zuthun des Willens ge$chieht, und Aufmerk$amkeit, wenn $ie will- kührlich i$t. In dem Nachbild be$teht der er$te Eindruck nicht mehr, und da$$elbe ent$teht blos durch die Wiederholung der Gehirnthätigkeit, in wel- cher die Gegenwirkung be$teht.

Wenn eine einfache Gegenwirkung das Nachbild reproducirt, ge$chieht die{$s} ganz unabhängig vom Willen, wie man es in Träumen und jener Art von Erinnerungen findet, die man pa$$ive Erinnerungen nennen kann. Hat aber Aufmerk$amkeit $tattgefunden, $o hängt die Hervorrufung des Nachbildes mehr oder weniger vom Willen ab.

Um ein Vei$piel zu geben, in welchem die beiden Hauptfälle der pa$$iven Reproduction $innlicher Vor$tellungen vorkommen, wollen wir annehmen, es haben zwei Sinneseindrücke auf ein Mal $tattgefunden, und eine und die$elbe Gegenwirkung habe beide umfa{$s}t; es habe z. B. jemand einen Baum ge$ehen, an de$$en Fu{$s} ein Thier gelagert war, und $päter noch einmal den Baum, aber ohne das Thier; die von der er$ten Gegen- wirkung her im Hirn ent$tandene Fertigkeit wird die Ur$ache $ein, da{$s} $tatt der durch den Anblick des blo{$s}en Baumes hervorgerufenen Gegen- wirkung in dem Hirn die Gegenwirkung wieder ent$tehen wird, welche beim er$ten Anblick gegen den Eindruck des Baums und des Thieres zugleich $tattfand, und daher kommt es, da{$s} man das ganze Nach- [053] bild des durch die beiden Gegen$tände hervorgebrachten Sinneseindrucks hat. Man $ollte glauben, da{$s} aus die$er Empfindung des Baums in Verbindung mit der eben bezeichneten Gegenwirkung, die Em- pfindung des Baums und zwei Nachbilder, das des Baumes und das des Thieres, ent$tehen $ollten. Es verhält $ich jedoch anders. Die Erfahrung zeigt, da{$s} in die$em Fall gewöhnlich nur zwei Vor$tellungen Statt haben, die Wahrnehmung des Baums und das Nachbild des Thiers, das durch den Anblick des Orts, den letzteres früher einnahm, wieder auflebt. Die{$s} kommt daher, da{$s} die Gegenwirkung gegen den wirk- lichen Eindruck des Baums nicht ver$chieden i$t von der wieder- holten Gegenwirkung, welche die Nachbilder von Baum und Thier hervorbringen; und weil es nur eine einzige Gegenwirkung i$t, $o ver$chmelzen auch Nachbild und Empfindung des Baums in eine einzige Vor$tellung. Es i$t die{$s} ganz da$$elbe, wie wenn auf den$elben Punkt der Netzhaut zu gleicher Zeit ein Eindruck fällt, der für $ich roth, und ein anderer, der für $ich blau hervorbringen würde. Da aber beide Ge- genwirkungen zu gleicher Zeit auf dem$elben Punkt des Drgans zu$ammen- treffen, $o können $ie nur eine einzige Gegenwirkung erregen, aus welcher auch nur die einfache Empfindung von Violet hervorgeht.

Dem reproducirten Nachbild des nicht vorhandenen Thiers gibt Am- père den Namen Commemoration, und Concretion nennt er die Vor$tellung, die man in die$em Fall durch den Baum erhält, eine Vor$tellung, in welcher die wirkliche Empfindung und das Nachbild einer vergangenen Empfindung mit einander verwach$en (concrétées) $ind.

Durch den Begriff der Concretion la$$en $ich eine Menge Er$cheinungen erklären. Mittel$t der$elben kann man $ich z. B. Rechen$chaft über eine That$ache geben, auf welche Ampère durch den berühmten Laplace auf- merk$am gemacht wurde. Wenn man nemlich in der Dper von dem Ge- $ange blos die Töne hört, aber die Worte nicht ver$teht, und man wirft die Augen auf den Tert, $o ver$teht man $ogleich die$elben Worte, und zwar mit einer $olchen Deutlichkeit, da{$s} man $elb$t den Accent des Schau- $pielers, ob er Gasconier oder Normann u. $. f. i$t, unter$cheiden kann, während man vorher, $o lang man nur Töne vernahm, gar keine Ahnung von letzteren hatte; und Ampère $etzt hinzu, da{$s} man $ich nicht etwa $o ausdrücken dürfe, man wi$$e durch den Text die ge$prochenen Worte, $on- dern $o, da{$s} man $ie wirklich höre. Die{$s} kommt einzig davon her, da{$s} mittel$t der Commemoration und in Folge der $eit der Erlernung des Le$ens erworbenen Fertigkeiten, die gedruckten Buch$taben in uns die Nachbilder der Worte hervorrufen, die nun mit den gerade gehörten ver- worrenen Tönen verwach$en (eine Concretion bilden), $o da{$s} wir eine deutliche Vor$tellung der einzelnen Silben haben, und $elb$t den Accent der Sänger unter$cheiden können.

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So können wir, aus dem$elben Grund, keine Silbe deutlich unter- $cheiden, wenn wir einen Men$chen eine uns ganz unbekannte Sprache reden hören, während wir jedes Wort ver$tehen, wenn wir mit der Sprache vertraut $ind, wegen der Concretion der eben vernommenen Töne mit den Nachbildern der$elben Töne, die wir früher $chon oft gehört haben.

Aus die$er Er$cheinung erklärt $ich Ampère auch die Vor$tellung von Erhabenheit und Vertiefungen an einem Gemälde, das doch eine ganz ebene mit ver$chiedenen Farben bedeckte Fläche i$t, auf welcher aber der Maler die Ab$tufungen von Licht und Schatten angebracht hat, wie $ie $ich bei wirklichem Be$tehen der Vertiefungen und Erhabenheiten dem Auge zeigen würden. In der That $ind bei dem Men$chen durch die lange Gemohnheit die Vor$tellungen der Formen, welche er in$tinktmä{$s}ig an den mit Vor$prüngen und Vertiefungen ver$ehenen Gegen$tänden entdeckt hat, aufs eng$te verbunden mit den Ab$tufungen von Schatten und Licht, und der Anblick letzterer weckt in ihm durch Commemoration die Vor$tellung der Formen, welche nun mit dem unmittelbaren Eindruck verwäch$t, wäh- rend er au{$s}erdem nur die Er$cheinung einer ge$ärbten Fläche ohne Vor- $prung und Vertiefung gemacht haben würde. Die{$s} kann man $ich leicht dadurch ver$innlichen, da{$s} man auf einer ebenen Fläche in einer be$timmten gegen$eitigen Lage zwei Rhomben zeichnet, deren Winkel 60° und 120° betragen und auf gehörige Art mit einander verbunden werden, oder auch Parallellinien, deren Enden durch Kreisbögen verbunden $ind.

In Folge der erlangten Fertigkeiten, von denen wir $o eben ge$prochen, $tellt uns die er$te die$er Zeichnungen Würfel dar, die zweite die Falten eines Vorhangs. Aber durch nichts unter$cheiden $ich im er$ten Fall die vor$pringenden Winkel von denen, welche vertieft er$cheinen mü$$en. Nichts zeigt in dem zweiten Fall an, ob die Falten des Vorhangs ihre concave oder ihre convere Seite dem Betrachter zukehren. Stellt man $ich nun aber in der er$ten Zeichnung gewi$$e Winkel als vor$pringend vor, $o werden dadurch die andern zu vertieften, und man fa{$s}t demgemä{$s} auch die Lage der Würfel auf, und $ieht die$elben auch $o lang auf die$e Art, bis durch eine neue An$trengung un$erer Einbildungskraft die Sache um- gekehrt und die er$teren vertieft, die letzteren vor$pringend er$cheinen.

Eben$o verhält es $ich bei der zweiten Zeichnung, wenn man $ich die Falten conver denkt, $ieht man $ie auch $o, und zwar $o lang, bis man $ich die Sache auf die entgegenge$etzte Art vor$tellt.

Die{$s} Alles i$t nur dadurch möglich, da{$s} man durch die willkührliche Rückerinnerung an die Formen $ich die Nachbilder erzeugt, mit welchen die Empfindungen zu$ammen$lie{$s}en (concretiren).

[055] Ampère’s natürliche Cla$$ification aller Uatur- wi$$en$chaften. Er$tes Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, welche es nur mit den Begriffen von Maas und Grö{$s}e zu thun haben.

Mit die$en Wi$$en$chaften mu{$s}, wie $chon früher be- merkt wurde, die Reihe der men$chlichen Erkenntni$$e begon- nen werden, weil man bei ihnen von den wenig$ten und einfach$ten Begriffen ausgeht, ferner, weil man die in ihnen enthaltenen Wahrheiten $tudieren kann, ohne andere Wi$$ens- zweige zu Hülfe nehmen zu mü$$en, da ja vielmehr letztere $ich $ehr häufig auf die mathemati$chen Wi$$en$chaften $tützen, wie z. B. die phy$icali$chen und technologi$chen Wi$$en$chaften die Berechnungen und Theoreme der letzteren zur Grund- lage haben.

§. 1. Wi$$en$chaften der er$ten Ordnung, welche $ich auf das Me$$en der Grö{$s}en im Allgemeinen beziehen.

Von den Wahrheiten, die $ich auf das Me$$en von Grö{$s}en beziehen, haben es einige mit allen möglichen Grö{$s}en Die Eintheilung Ampère’s folgt nun hier ohne Unterbrechung, und die Einwendungen, welche ich gegen die$elbe zu machen habe, werden er$t am Ende des Ganzen folgen. [056] zu thun, $ie mögen $ein, von welcher Art $ie wollen, die andern aber mit be$onderen Arten von Grö{$s}en, wie Aus- dehnung in Raum und Zeit, Bewegungen, Kräfte. Die$e letzteren $etzen die er$teren voraus, de{$s}halb mu{$s} mit die$en, den allgemeinen Grö{$s}en, der Anfang gemacht werden.

Man theilt gewöhnlich die{$s} Gebiet ein in Arithmetik und Algebra, und begreift unter letzterem Namen zwei we- $entlich von einander ver$chiedene Arten von Wahrheiten, die $ogenannte Buch$tabenrechnung und die Rechnungsart, welche vermittel$t der Gleichungen aus mehreren bekannten Grö{$s}en eine vorher unbekannte zu be$timmen $ucht. Die Operationen der Buch$tabenrechnung $ind aber durchaus nicht ver$chieden von denen der gewöhnlichen Arithmetik; der einzige Unter$chied, da{$s} im einen Fall concrete Zahlen, im andern Fall allgemeine Zahlen unter der Form von Buch- $taben die Elemente der Rechnung $ind, i$t ganz au{$s}er- we$entlich. Ich habe daher die Buch$tabenrechnung und die gewöhnliche Arithmetik in Eine Wi$$en$chaft dritter Ordnung zu$ammenge$tellt, während der zweite Theil der Algebra, die Lehre von den Gleichungen, eine $ehr wohl zu unter$cheidende eigene Wi$$en$chaft dritter Ordnung dar$tellt.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Arithmographie.

Iede Verbindung von Ziffern, Zeichen (die Zeichen der Rechnungsoperationen, Addition, Subtraction, Multiplica- tion, Divi$ion, Wurzelausziehung) und Buch$taben, hei{$s}t eine Zahl; Numeriren hei{$s}t eine Zahl angeben, welche blos einer Verbindung von Ziffern ent$pricht. Eine und die$elbe Zahl kann durch eine Menge ver$chiedener Verbin- dungen ausgedrückt werden, und die Arithmographie oder die Kun$t Zahlen zu $chreiben, hat die Aufgabe, $olche Ausdrücke in andere gleichbedeutende zu verwandeln, bis man endlich auf die einfach$te, und für einen gewi$$en Zweck brauchbar$te Form kommt, $o z. B. die Verwandlung der [057] Zahl {132/18} im 7 + {6/18}, 7 + {3/9}, 7 + {1/3}, 7,333… Alle Ope- rationen, welche zur Arithmetik und zur Buch$tabenrechnung gehören, be$chränken $ich auf $olche Umwandlung; $ind in einem $olchen Ausdruck Buch$taben enthalten, $o wird vor- ausge$etzt, da{$s} man den Werth der$elben kennt.

2) Mathemati$che Analh$e.

In der Arithmographie $ind al$o $ämmtliche in einem Zahlenausdruck vorkommende Grö{$s}en bekannt, oder werden als bekannt angenommen. Wenn aber die Werthe eines oder mehrerer der Buch$taben unbekannt $ind, wenn zwi$chen den Ausdrücken, welche die$elben enthalten, Beziehungen $tatt- finden, welchen die$e Unbekannten Genüge leiften mü$$en, und wenn man nun, die$en Beziehungen ent$prechend, die Be$timmung die$er Unbekannten verlangt, $o mü$$en die Aus- drücke, zwi$chen welchen die Beziehungen $tattfinden, zerlegt werden, um die Werthe jener Unbekannten zu finden, $tatt, wie in der Arithmographie, auf dem Weg der Zu$ammen- $etzung die Werthe der Ausdrücke zu finden, deren Elemente bekannt $ind. Die Wi$$en$chaft dritter Ordnung, welche uns die hiezu nöthigen Operationen lehrt, i$t der zweite Theil der gewöhnlich $ogenannten Algebra, und der Name ma- themati$che Analy$e pa{$s}t ganz für den$elben, wenn man die Natur der Operationen im Auge hat, durch welche man zu der Be$timmung der Unbekannten gelangt. Die ebenbe$prochenen Beziehungen la$$en $ich bekanntlich durch Gleichungen ausdrücken, und man kann den Unter$chied die$er Wi$$en$chaften von der Arithmographie auch $o be- zeichnen, da{$s} bei letzterer die $tufenwei$en Umwandlungen, die man mit einem Ausdruck vornimmt, $einen Werth nicht ändern, während bei den Gleichungen die Umwandlung zu gleicher Zeit den Werth beider Seiten der Gleichung ändert, aber $o, da{$s} doch immer beide Seiten einander gleich bleiben, weil immer mit beiden Seiten die gleiche Veränderung vor- genommen wird.

[058] 3) Theorie der Functionen.

Bis jetzt hatte man es mit Grö{$s}en zu thun, welche be- $timmte Werthe hatten, oder wenig$tens dafür angenommen wurden, als ob $ie $olche hätten, mögen nun die$e Werthe bekannt oder unbekannt $ein. Wendet man aber die Zahlen an als Maa{$s} ver$chiedener Arten von Grö{$s}en, die von ein- ander abhängen, $o bemerkt man, da{$s} die Zahlen, welche die$e ver$chiedenen Grö{$s}en ausdrücken, in Beziehungen zu einander $tehen, die $ich auf zwei Aufgaben reduciren la$$en. 1) Kennt man die Beziehungen zwi$chen den Grö{$s}en, welche $ich zu gleicher Zeit ändern, $o kann man daraus diejenigen Beziehungen ableiten wollen, welche zwi$chen den$elben Grö- {$s}en und den Grenzen der Verhältni$$e ihrer beziehungs- wei$en Vergrö{$s}erungen $tattfinden, oder umgekehrt 2) wenn man letztere Beziehungen kennt, $o kann man die Beziehungen der ur$prünglichen, veränderlichen Grö{$s}en ausfindig machen. Die mathemati$chen Ge$etze, auf welchen die Auflö$ung die$er doppelten Aufgabe beruht, machen den Inhalt der Differen- tial- und Integralrechnung aus, und die$e bilden mit ein- ander eine weitere Wi$$en$chaft dritter Ordnung, die ich, nach dem Vorgang Lagrange’s, Theorie der Functionen nenne.

4) Theorie der Wahr$cheinlichkeitsrechnung.

Will der Men$ch die letzten Ur$achen erfor$chen, die letzten Re$ultate vorher$ehen, $o mu{$s} er die ver$chiedenen Grade der Wahr$cheinlichkeit, die auf den er$ten Anblick $o wenig me{$s}bar $ind, durch Zahlen ausdrücken. Aus der Ge$ammtheit der hierauf bezüglichen Wahrheiten bilde ich eine vierte Wi$$en$chaft dritter Ordnung, welche un$er $ämmt- liches Wi$$en über Me$$ung der Grö{$s}en im Allgemeinen ab$chlie{$s}t, und welcher ich den gebräuchlichen Namen der Wahr$cheinlichkeitsrechnung la$$e.

Siehe hiergegen die Bemerkungen des Herausgebers, welche unten folgen werden. [059] _b)_ Cla$$ification.

Die eben aufgezählten und definirten vier Wi$$en$chaften machen die Ge$ammtheit un$erer Erkenntni$$e über das Me$$en der allgemeinen Grö{$s}en aus. Sie bilden zu$ammen eine Wi$$en$chaft er$ter Ordnung, die Arithmologie. Von die$en vier Wi$$en$chaften enthalten die beiden er$teren die einfacheren Begriffe, die beiden letzteren aber eine tiefer ein- dringende Erkenntni{$s}. Die Arithmologie theilt $ich al$o auf eine ganz natürliche Wei$e in zwei Wi$$en$chaften zweiter Ordnung, deren er$tere ich die elementare Arithmo- logie nenne, welche die Arithmographie und die mathema- ti$che Analy$e in $ich begreift. Die zweite Wi$$en$chaft zweiter Ordnung enthält die Theorie der Functionen und die Wahr$cheinlichkeitsrechnung; ich nannte $ie Megetho- logie, weil man hier nicht mehr Zahlen im engeren Sinn, $ondern Grö{$s}en überhaupt, welche durch Zahlen ausgedrückt werden können, zu betrachten hat.

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Arithmologie. # Glementar- \\ Arithmologie. # Arithmographie. # # Mathemati$che Analy$e. # Megethologie. # Theorie der Functionen. # # Wahr$cheinlichkeits- \\ rechnung. Anmerkungen Ampère’s.

Man $ieht leicht, da{$s} $ich die$e vier ver$chiedenen Wi$$en- $chaften dritter Ordnung nur $o unter$cheiden, da{$s} $ie den vorherbezeichneten gemein$chaftlichen Gegen$tand unter ver- $chiedenen Ge$ichtspunkten betrachten. Wenn wir in der Arithmographie ver$chiedene Ausdrücke einer und der$elben Zahl in einander umwandeln, $o haben wir die$elben gleich- $am vor un$ern Blicken, und wir $ehen unmittelbar, wenn nicht mit dem körperlichen, doch mit dem gei$tigen Auge, da{$s} die$e ver$chiedenen Veränderungen den eigentlichen Werth [060] der Zahl nicht ändern. Die{$s} i$t der er$te Ge$ichtspunkt, wobei wir uns blos mit dem be$chäftigen, was Gegen$tand der unmittelbaren An$chauung werden kann. Bei der mathemati$chen Analy$e handelt es $ich nicht mehr um die Rechnung mit Grö{$s}en, deren Zu$ammen$etzung wir kennen; man mu{$s} die$elben vielmehr zerlegen, um die Werthe der unbekannten Grö{$s}en zu be$timmen, welche in den auf- zulö$enden Gleichungen gewi$$erma{$s}en verhüllt und verbor- gen $ind; die{$s} i$t der zweite Ge$ichtspunkt. Der dritte Ge- $ichtspunkt, der in der Theorie der Funktionen zur Geltung kommt, i$t charakteri$irt durch die allmähligen Verände- rungen der Grö{$s}en, welche mit einander zu- und abneh- men, und durch die Ge$etze, die man aus der Verglei- chung der beider$eitigen Zu- oder Abnahmen ableiten kann. In der Theorie der Wahr$cheinlichkeitsrechnung endlich, welche den vierten Ge$ichtspunkt ausmacht, $ucht man unbekannte Grö{$s}en zu entdecken, welche $o zu $agen noch verborgener $ind, als die Unbekannten der mathemati$chen Analy$e, und welche mit der Wech$elbeziehung von Ur$achen und Wirkun- gen in Zu$ammenhang $teht, dem gro{$s}en Ge$etz, dem das ganze Weltall unterworfen i$t.

Die$e vier Ge$ichtspunkte gelten nicht allein hin$ichtlich der Zahlen; es wird $ich zeigen, da{$s} $ie bei $ämmtlichen Objecten der $päter noch abzuhandelnden Wi$$en$chaften vor- kommen werden, weil es, wie $chon früher gezeigt wurde, für die men$chliche Vernunft we$entlich i$t, $ich nur allmählig bis zu der voll$tändigen Erkenntni{$s} eines Gegen$tandes zu erheben. Sie mu{$s} mit dem anfangen, was uns in dem- $elben gleich$am unmittelbar in die Augen fällt; dann mu{$s} $ie auf$uchen, was in den$elben Gegen$tänden tiefer verborgen i$t. Mit die$en beiden Ge$ichtspunkten wären un$ere Unter- $uchungen zu Ende, wenn die Objecte zu allen Zeiten und an allen Orten die$elben wären. In der Natur i$t jedoch Alles ununterbrochenen Veränderungen unterworfen, wir vergleichen die$elben, und leiten aus die$er Vergleichung die [061] allgemeinen Ge$etze jener Veränderungen ab. Im vierten Ge$ichtspunkt endlich, welcher Alles, was ein Men$ch über eine Sache wi$$en kann, vollendet und ab$chlie{$s}t, $ucht man etwas auf, was noch in einem höheren Grad verborgen i$t, als das Unbekannte, was den Inhalt des zweiten Ge$ichts- punktes ausmacht, und in die$e Sphäre fällt für un$ere For$chungen Alles, was $ich auf die Verkettung von Ur- $achen und Wirkungen bezieht. ߞ Alles al$o, was wir ir- gend bei der Erfor$chung einer Sache, der Natur un$eres Denkens gemä{$s} thun können, $chlie{$s}t $ich in den vier be- zeichneten Punkten ab; Beobachtung des offen vor Augen Liegenden, Entdeckung des Verborgenen, Vergleichung der beobachteten That$achen und der an den$elben unter ver- $chiedenen Zeit- und Raumverhältni$$en vorgehenden Ver- änderungen, und Fe$t$tellung der daraus abzuleitenden Ge- $etze; endlich die Erfor$chung eines noch tiefer liegenden Un- bekannten, nemlich Gntwickelung der Ur$achen aus bekannten Wirkungen, und Vorausberechnung der Wirkungen aus bekannten Ur$achen.

Da ich öfters auf die$e Ge$ichtspunkte zurückkommen werde, $o will ich dem$elben be$timmte Namen geben, um mich endlo$er Um$chreibungen zu entheben, die den Verfa$$er und den Le$er ermüden.

Den er$ten Ge$ichtspunkt uenne ich demnach den au- topti$chen, weil der$elbe $einen Gegen$tand nur mittel$t der unmittelbaren An$chauung erfa{$s}t.

Dem zweiten Ge$ichtspunkt, welcher das in einer Sache Verborgene zu be$timmen hat, gab ich den Namen des cryptori$ti$chen.

Da der we$entliche Character des dritten Ge$ichts- punktes darin be$teht, die Veränderungen der Gegen$tände zu unter$uchen, welche $ie in ver$chiedenen Zeiten und Orten erleiden, und aus die$en Modificationen die Ge$etze jener Veränderungen abzuleiten, $o werde ich die$en Ge$ichtspunkt den troponomi$chen nennen.

[062]

Der vierte Ge$ichtspunkt endlich, welcher das Verbor- gen$te einer Sache erfor$cht, wird der cryptologi$che hei{$s}en.

Wenn ich $age, da{$s} die$e Ge$ichtspunkte $ich in allen Zweigen des men$chlichen Wi$$ens wiederholen, $o brauche ich nicht er$t bemerklich zu machen, da{$s} $ie nicht immer in der$elben Wei$e zur Anwendung kommen. In der Haupt- $ache bleiben $ie zwar die$elben, $ie erleiden jedoch, je nach der Natur der Gegen$tände, auf welche man $ie anwendet, nothwendig mancherlei Modificationen, wie die{$s} auch häufig bei natürlichen Cla$$ificationen der Pflanzen und Thiere der Fall i$t, in Hin$icht auf die Charactere, durch welche $ich die ver$chiedenen Gruppen unter$cheiden. In der Mehrzahl der noologi$chen Wi$$en$chaften hat z. B. der cryptori$ti$che Ge$ichtspunkt einen auslegenden Character, wie man es weit $eltener bei den cosmologi$chen Wi$$en$chaften findet. In beiden Reichen aber $ind die Veränderungen, welche bei dem troponomi$chen Ge$ichtspunkt unter$ucht und verglichen wer- den, theils $olche, welche nacheinander an einem und dem- $elben Gegen$tand $tattfinden, theils aber $olche, welche als Modificationen an ver$chiedenen Gegen$tänden vorkommen, mögen $ie nun an ver$chiedenen Orten oder in ver$chiedenen Zeiten ihre Eri$tenz haben. Bei den Wi$$en$chaften, welchen man den Namen Kun$t gibt, und deren Hauptzweck der Nutzen i$t, $ind die möglichen Vortheile und Verlu$te bei den gewerblichen Unternehmungen die gro{$s}e Unbekannte, welche be$timmt werden mu{$s}; de{$s}wegen gehören auch die Hülfsmittel, welche zu die$er Be$timmung nothwendig $ind, in den Bereich des cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkts, während es der cryptologi$che Ge$ichtspunkt haupt$ächlich mit einer andern Art von unbekannten Grö{$s}en zu thun hat, nemlich mit der Vervollkommnung der techni$chen Arbeiten.

Die Ordnung, in der ich hier die vier Ge$ichtspunkte dar$telle, i$t genau die$elbe, welche das men$chliche Denken befolgt, wenn es bei der Erfor$chung einer Sache $tufenwei$e [063] immer höher auf$teigt. Es i$t $omit auch die Ordnung, die man bei einer natürlichen Eintheilung der Wi$$en$chaften zu befolgen hat. Die{$s} darf jedoch nicht hindern, die Analogie zu bemerken, welche $ich nachwei$en lä{$s}t

1) zwi$chen dem er$ten und dritten Ge$ichtspunkt, welche beide auf Beobachtung und An$chauung gegründet $ind, und $ich nur darin unter$cheiden, da{$s} man bei dem er$ten Ge- $ichtspunkt eine Sache unter$ucht, wie $ie, ganz abge$ehen von möglichen Veränderungen und von Beziehungen zu an- dern Gegen$tänden $ich dar$tellt, während man bei dem dritten Ge$ichtspunkt gerade die$e Veränderungen und Beziehungen an der Sache erfor$cht.

2) Die zweite Analogie, die nicht übergangen werden darf, i$t die, zwi$chen dem zweiten und vierten Ge$ichtspunkt. Beide $uchen etwas Unbekanntes in einem Gegen$tand, und der einzige Unter$chied be$teht darin, da{$s} man $ich bei dem zweiten Ge$ichtspunkt zur Entdeckung des Unbekannten mit den Kenntni$$en begnügt, die man durch den er$ten Ge$ichts- punkt erhalten hat, während man bei dem vierten Ge$ichts- punkt nur dann er$t an die viel $chwierigere Erfor$chung eines noch tiefer liegenden Unbekannten gehen kann, wenn man alle Kenntni$$e vereinigt, welche man in den drei vor- hergegangenen Ge$ichtspunkten über einen Gegen$tand ge- wonnen hat. Ich hielt es für zweckmä{$s}ig, die$e Analogie dadurch zu bezeichnen, da{$s} ich die$en beiden Ge$ichtspunkten die Namen cryptori$ti$ch und cryptologi$ch gab, welche beide die$elbe Wurzel haben.

Man wird im Verlauf die$es Werkes $ehen, da{$s} alle Kün$te unter einen von die$en beiden Ge$ichtspunkten fallen; der Grund davon i$t einfach; alle Wahrheiten, die ihren Inhalt bilden, $ind nichts als die Entdeckung von Mitteln, durch welche der Men$ch einen be$timmten Zweck erreicht. Die$e Mittel $ind für denjenigen verborgen, welcher die$elben zu erlangen trachtet. Man würde $ich jedoch irren, [064] wenn man daraus $chlie{$s}en wollte, da{$s} alle cryptori$ti$chen oder cryptologi$chen Wi$$en$chaften Kün$te $eien.

§. 2. Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche $ich mit dem Me$$en und den Eigen$chaften der ausgedehnten Grö{$s}en be$chäftigen.

Die Wi$$en$chaften, welche $ich auf die Maasverhältni$$e und die Eigen$chaften der ausgedehnten Grö{$s}en beziehen, $ind $o eng verbunden mit den Wi$$en$chaften, die es mit den Grö{$s}en im Allgemeinen zu thun haben, da{$s} man $ie häufig in den davon handelnden Werken mit einander ver- mengt hat. Eben$o verband man, in der Mehrzahl der in dem letzten Iahrhundert herausgekommenen Schriften, die Arithmetik, die einfach$ten Begriffe der Algebra, mit dem- jenigen Theil der Wi$$en$chaft der ausgedehnten Grö{$s}en, dem man nach dem Bei$piel der Alten aus$chlie{$s}lich den Namen „Geometrie” gab. Man hat $ie in den neueren Schriften von einander getrennt; aber man $tellte die Theorie der Functionen mit den Anwendungen der$elben auf die ausgedehnten Grö{$s}en zu$ammen, und der berühmte Lagrange ging in dem er$ten Werke, das er über die$e Theorie $chrieb, $o weit, auch noch die Anwendungen auf die Mechanik der- $elben einzuverleiben. Solche Zu$ammen$tellungen la$$en $ich wohl entweder durch den be$timmten Zweck rechtfertigen, den ein Schrift$teller gerade hat, oder durch den Vortheil, bei dem Unterricht, in einer Abhandlung $ämmtliche zu einem Cur$us gehörigen Theile bei$ammen zu haben. Da jedoch die Unter$cheidung der Gegen$tände, auf welche $ich die Wi$$en$chaften beziehen, eine der Hauptgrundlagen ihrer Cla$$ification ausmacht, $o hielt ich es für nothwendig, die$er Verwirrung ein Cnde zu machen, und nur die eng$tverbun- denen Wi$$en$chaften zu$ammenzu$tellen, und wir kommen nun bei den Wi$$en$chaften an, welche es mit den Eigen- $chaften ausgedehnter Grö{$s}en zu thun haben.

[065] _a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Syntheti$che Geometrie.

Unter den Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche es mit den Eigen$chaften der ausgedehnten Grö{$s}en zu thun haben, tritt uns als die er$te die $yntheti$che Geometrie ent- gegen. Sie geht aus von ganz augenfälligen einfachen Wahrheiten, verbindet die$elben auf alle möglichen Arten, und kommt dadurch zu anderen, welche von Stufe zu Stufe verwickelter werden, indem man eine ununterbrochene Ein- $icht in den Zu$ammenhang hat, welcher $ämmtliche Wahr- heiten in nothwendiger Abhängigkeit an einander $chlie{$s}t. Was ich hier $yntheti$che Geometrie nenne, das i$t derjenige Zweig des mathemati$chen Wi$$ens, den die Alten am mei$ten gepflegt haben, und der bei ihnen Geometrie hie{$s}, und die Neueren wu{$s}ten fa$t nichts mehr beizufügen, $chufen jedoch andere Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, welche $ich gleichfalls auf die ausgedehnten Grö{$s}en beziehen, und von denen jetzt die Rede $ein wird.

2) Analyti$che Geometrie.

Die er$te Stelle unter den$elben hat die Wi$$en$chaft, deren Zweck i$t, das was an den Figuren unbekannt i$t, aufzufinden, was durch Anwendung der mathemati$chen Ana- ly$e auf die$e be$ondere Gattung von Grö{$s}en ge$chieht. Man bezeichnet $ie gewöhnlich als Anwendung der Algebra auf die Geometrie. Es $cheint mir jedoch be$$er, die$e Wi$$en- $chaft analyti$che Geometrie zu nennen, um ihren Endzweck und die Natur ihrer Operationen be$$er zu be- zeichnen.

3) Theorie der Linien und Flächen.

Wenn ein Punkt auf $tetige Wei$e $einen Ort verän- dert, $o ent$teht eine Linie, und auf die$elbe Art ent$tehen Flächen aus Linien. Während der Ortsveränderungen finden in beiden Fällen con$tante Beziehungen $tatt, zwi$chen den geraden Linien, oder den Winkeln, welche in jedem Augenblick [066] die $tetig veränderte Lage eines Punkts oder einer Linie be$timmen. Daher die fruchtbare Idee, Linien und Flächen durch Gleichungen darzu$tellen, in welchen die$e Beziehungen ausgedrückt $ind. Schon in der analyti$chen Geometrie macht man Gebrauch von Gleichungen die$er Art, um die da$elb$t vorkommenden Curven und Flächen darzu$tellen und ihre ver$chiedenen Eigen$chaften aufzu$uchen. Wenn aber auf die gleichzeitigen Veränderungen von Linien oder Win- keln, wovon $o eben die Rede war, die Theorie der Func- tionen angewendet wird, $o kommt man auf Ge$etze, welche eben$o allgemein für alle Arten von Curven und von Flächen gelten, wie die Formeln, durch welche die ver$chiedenartig$ten Grö{$s}en, Linien, Flächen und Körper darge$tellt werden kön- nen. Die$e Anwendung der Theorie der Functionen auf die Me$$ung ausgedehnter Grö{$s}en, führe ich auf unter dem Namen Theorie der Linien und Flächen.

4) Moleculärgeometrie.)

Nun gibt es aber noch eine Wi$$en$chaft dritter Ord- nung, welche man in der Regel nicht zu den Wi$$en$chaften rechnet, mit denen wir es hier zu thun haben, und doch gehört $ie zu den$elben, denn $ie bietet der Beobachtung nur die An$chauung von Maasverhältni$$en, und die{$s} i$t, wie wir bald $ehen werden, der unter$cheidende Character der Provinz, in welche alle die$e Wi$$en$chaften gehören. Der Inhalt der vorliegenden Wi$$en$chaft be$teht in der Be$tim- mung der $ogenannten Primitivformen cry$talli$ationsfähiger Körper, aus den durch die Beobachtung gegebenen Secundär- formen, oder umgekehrt in der Ableitung der Secundärformen aus den Primitiven; man nennt gewöhnlich die$e Wi$$en- $chaft Cry$tallographie. Man darf aber nur in das Werk des berühmten Phy$ikers, welcher $ie aufge$tellt hat, einen Blick werfen, um $ich zu überzeugen, da{$s} $ie rein mathe- Siehe hierüber eine $pätere Bemerkung des Herausgebers. [067] mati$ch i$t, und da{$s} $ich das Ganze darauf be$chränkt, po- lyedri$che Figuren zu combiniren, und andere daraus abzu- leiten. Ich hielt den Namen Moleculärgeometrie für den pa$$end$ten, denn er bezeichnet auf viel genauere Art ihren Gegen$tand, und den nahen Zu$ammenhang de$$elben mit den eben be$prochenen Wi$$en$chaften.

_b)_ Cla$$ification.

Wenn man mit dem Namen Geometrie nicht blos das begreift, was die Alten über die ausgedehnten Grö{$s}en gedacht haben, $ondern auch die Arbeiten der Neueren, $o gibt es au{$s}er ihm keine be$$ere Bezeichnung für die Wi$$en- $chaft er$ter Ordnung, welche aus der Vereinigung der oben definirten vier Wi$$en$chaften dritter Ordnung hervorgeht. Stellen wir einer$eits die $yntheti$che Geometrie mit der ana- lyti$chen, und andrer$eits die Theorie der Linien und Flächen mit der Moleculärgeometrie zu$ammen, $o haben wir zwei Wi$$en$chaften zweiter Ordnung, deren er$te als Elementar- wi$$en$chaft betrachtet werden mu{$s}, in Beziehung auf die zweite, welche uns eine tiefere Ein$icht in die Formen gibt, die man an den Körpern wahrnimmt, oder $ich blos im Raume denkt. Ich nenne de{$s}halb die er$tere die Ele- mentargeometrie und die zweite die Theorie der Formen.

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Geometrie. # Elementargeome- \\ trie. # Syntheti$che Geometrie. # # Analyti$che Geometrie. # Theorie der For- \\ men. # Theorie der Linien und \\ Flächen. # # Moleculärgeometrie. Anmerkung des Herausgebers.

Ampère wendet nun wieder in einer Anmerkung die vier Ge$ichtspunkte auf die oben$tehende Eintheilung an [068] welches ich übergehe, da $ie von $elb$t einleuchtet und mit der Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die arithmolo- gi$chen Wi$$en$chaften ganz überein$timmt. Nur die Bezie- hung des cryptologi$chen Ge$ichtspunkts zur Moleculärgeo- metrie mu{$s} ich erwähnen, weil $ich $pätere Bemerkungen darauf beziehen werden. Den cryptologi$chen Ge$ichtspunkt, $agt nemlich Ampère, findet man wieder in der Moleculärgeo- metrie, die in eines der verborgen$ten Geheimni$$e der Natur dringen mu{$s}, indem $ie die Ur$achen auf$ucht, welche be- wirkt, da{$s} eine und die$elbe Sub$tanz unter ver$chiedenen Formen auftritt, deren gegen$eitige Abhängigkeit von einander in die$er Wi$$en$chaft unter$ucht wird.

§. 3. Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche $ich auf die allgemeinen Be$tim- mungen der Bewegungen und Kräfte beziehen.

Es leuchtet wohl jedem ein, da{$s} nach den Wi$$en$chaften, die $ich auf die Eigen$chaften und die Me$$ung ausgedehnter Grö{$s}en beziehen, diejenigen kommen mü$$en, welche es mit der Be$timmung der Bewegungen und der Kräfte zu thun haben. Denn die{$s} Gebiet $etzt nichts voraus, als die Kenntni{$s} der Verhältni$$e und Ge$etze der allgemeinen und der ausgedehnten Grö{$s}en.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Cinematik.

Man kann fa$t bei allen über die$e Wi$$en$chaften ge- $chriebenen Büchern bemerken, da{$s} im Anfang der$elben ge- wi$$e Bedingungen übergangen $ind, die doch, wenn man $ie voll$tändig entwickelt, eine Wi$$en$chaft dritter Ordnung ausmachen. Einzelne Theile die$er letztern wurden theils in be$onderen Werken abgehandelt, wie z. B. Carnot, „über die Bewegung in geometri$cher Hin$icht”, Lanz und Bétan- court, einen Ver$uch über die Zu$ammen$etzung der Ma- $chinen ge$chrieben haben. In die$e Wi$$en$chaft gehört Alles, [069] was man über die ver$chiedenen Arten von Bewegung $agen kann, $o weit man ab$ieht von den Kräften, welche die$elbe hervorrufen. Ihre er$te Aufgabe i$t die Unter$uchung der bei den ver$chiedenen Bewegungen durchlaufenen Räume, der dazu nothwendigen Zeiten, die Be$timmung der Ge- $chwindigkeiten, welche von den ver$chiedenen Verhältni$$en zwi$chen Räumen und Zeiten abhängen. Sodann mu{$s} die$e Wi$$en$chaft die ver$chiedenen In$trumente betrachten, mittel$t deren man eine Bewegung in eine andere verwandelt, und wenn man die$e In$trumente nach dem Sprachgebrauch unter dem Namen „Ma$chinen” zu$ammenfa{$s}t, $o mu{$s} man eine Ma$chine nicht wie gewöhnlich, als ein In$trument defi- niren, wodurch man auf die Richtung und Stärke einer gegebenen bewegenden Kraft einwirken, $ondern als ein In$trument, mittel$t de$$en man die Richtung und Ge$chwindigkeit einer gege- benen Bewegung verändern kann. Auf die$e Wei$e wird die Begriffsbe$timmung unabhängig von der Betrach- tung der Kräfte, welche auf die Ma$chine wirken; und die$e Betrachtung würde nur denjenigen verwirren, welcher den Mechanismus einer Ma$chine $ich deutlich machen will. Will man $ich zum Bei$piel eine klare Vor$tellung von dem Räder- werk machen, das den Minutenzeiger zwölfmal herumtreibt, während der Stundenzeiger nur einmal umläuft, $o hat man nichts mit der Kraft zu $chaffen, welche die Uhr in Bewegung $etzt. Bleibt denn nicht die Wirkung des Räder- werks in Beziehung auf das Ge$chwindigkeitsverhältni{$s} der beiden Zeiger ganz da$$elbe, wenn die$e Bewegung durch irgend welche andere Kraft, als durch die gewöhnliche be- wegende Kraft hervorgebracht wird; bleibt es z. B. nicht da$$elbe, wenn man den Minutenzeiger mit dem Finger her- umdreht?

Würde man in einer Abhandlung $ämmtliche Bewe- gungen ganz unabhängig von den $ie verur$achenden Kräften dar$tellen, $o wäre die{$s} für den Unterricht von ungemeinem [070] Vortheil; denn eine $olche Abhandlung würde die verwickel- teren Punkte bei dem Spiel der ver$chiedenen Ma$chinen auseinander$etzen, ohne da{$s} der Gei$t des Schülers zugleich auch die Schwierigkeiten zu überwinden hätte, welche aus der Betrachtung des Gleichgewichts der Kräfte ent$pringen.

Die$er Wi$$en$chaft, welche bei den uns umgebenden Körpern die Bewegungen an $ich $elb$t betrachtet, und die Apparate unter$ucht, die man gewöhnlich Ma$chinen nennt, habe ich den Namen Cinematik gegeben, von κίνημα, Bewegung.

Nach die$en allgemeinen Bemerkungen über das We$en der Bewegung und der Ge$chwindigkeit mu{$s} $ich die Cine- matik zu ihrem Hauptgegen$tand die Beziehungen machen, welche zwi$chen den ver$chiedenen Punkten einer Ma$chine, und, allgemeiner ausgedrückt, jeden Sy$tems von materiellen Punkten bei $ämmtlichen Bewegungen $tattfinden, deren die$e Ma$chine oder die$es Sy$tem fähig i$t; oder mit andern Worten, die Cinematik hat die Aufgabe, die virtuellen Ge- $chwindigkeiten unabhängig von den auf die materiellen Punkte wirkenden Kräften zu be$timmen, was um $ehr vieles leichter i$t, $obald man die$e Be$timmung von jeder Betrach- tung der Kräfte fern hält. Kommt man dann an die näch$t- folgende Wi$$en$chaft zweiter Ordnung, und will man den Schülern den bekannten allgemeinen Lehr$atz der virtuellen Ge$chwindigkeit beibringen, $o werden $ie, wenn $ie die oben angeführte Be$timmung der virtuellen Ge$chwindigkeiten wohl ver$tanden und $ich $chon einige Zeit damit vertraut gemacht haben, den genannten Lehr$atz ohne Mühe ein$ehen, während der$elbe nach dem gewöhnlichen Lehrgang bedeutende Schwie- rigkeiten macht.

2) Auf die Cinematik mu{$s} diejenige Wi$$en$chaft dritter Ordnung folgen, welche, umgekehrt von der vorigen, die Kräfte unabhängig von den Bewegungen unter$ucht, und die ich in Ueberein$timmung mit dem allgemeinen Sprach- gebrauch Statik nenne. Die Statik darf er$t nach der [071] Cinematik kommen, denn der Begriff der Bewegung i$t durch die unmittelbare An$chauung gegeben, während wir die Kräfte nicht $ehen, welche die$e augenfälligen Bewegungen hervorbringen, und auf ihr Da$ein nur aus den beobachteten Bewegungen $chlie{$s}en können. Auch mu{$s} bereits in der Cinematik gelehrt worden $ein, wie die Beziehungen der virtuellen Ge$chwindigkeiten berechnet werden, damit die Statik die Bedingungen des Gleichgewichts in ver$chiedenen Kräfte$y$temen be$timmen kann.

3) Dynamik.

Nachdem die Cinematik die Bewegungen unabhängig von den Kräften, und die Statik letztere unabhängig von den er$teren unter$ucht hat, $o mu{$s} man $ie auch noch zu gleicher Zeit betrachten, die Kräfte mit den von ihnen her- vorgebrachten Bewegungen vergleichen, und aus die$er Ver- gleichung die allgemeinen Ge$etze der Bewegung ableiten, mittel$t deren man aus den gegebenen Bewegungen die zugehörigen Kräfte, und aus den bekannten Kräften die Bewegungen be$timmen kann. Die$e beiden allgemeinen Aufgaben und die genannten Ge$etze machen den Inhalt einer Wi$$en$chaft aus, die man gewöhnlich Dynamik nennt; welchen Namen ich beibehalte.

4) Molecularmechanik.

Es gibt endlich noch eine vierte Wi$$en$chaft dritter Ordnung, die es gleichfalls mit der Be$timmung von Be- wegungen und Kräften zu thun hat. Es i$t aber noch kein Werk vorhanden, welches das Ganze der$elben umfa{$s}t; wohl aber $ind ihre einzelnen Theile in ver$chiedenen Abhandlungen und be$onderen Werken der berühmte$ten Mathematiker zer- $treut. Die$e haben die Ge$etze, welche die Dynamik in Be- ziehung auf einzelne Punkte oder Körper eines be$timmten Umfangs aufgefunden hat, auf die Moleküle angewendet, aus denen die Körper be$tehen, und haben in dem Gleich- gewicht und den Bewegungen die$er Moleküle die Ur$achen [072] der an den Körpern bemerkbaren Er$cheinungen erkannt. Die$e Theorie des Gleichgewichts und der Bewegung der Moleküle nenne ich „Molecularmechanik.”

_b_) Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Mechanik. # Elementarmecha- \\ nik. # Cinematik. # # Statik. # Tran$cendente \\ Mechanik. # Dynamik. # # Molecularmechanik.

Die Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die$e Ein- theilung folgt dann wieder, wobei ich Folgendes aushebe. Nachdem Ampère die Analogie des autopti$chen Ge$ichts- punktes mit der Cinematik, der Statik, (welche es mit den hinter den Bewegungen wirkenden Kräften zu thun habe) mit dem cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkt aufgeführt, fährt er fort: der we$entliche Charakter des troponomi$chen Ge$ichts- punktes be$teht in den Veränderungen, welche die Objecte, mit denen wir es zu thun haben, oder ihre Eigen$chaften erleiden, und die$er Ge$ichtspunkt tritt bereits in der Orts- veränderung eines Körpers, al$o in der Cinematik vor Au- gen, und $omit mu{$s} man die ganze Mechanik troponomi$ch nennen, was in einem gewi$$en Sinn der Fall i$t, wie $päter gezeigt werden wird. Der Dynamik kommt aber nicht blos die{$s} allgemeine Merkmal des troponomi$chen Ge$ichtspunkts zu, $ondern auch der ganz $pecielle Character die$es Ge$ichts- punktes, nemlich da{$s} aus Vergleichung jener Veränderungen allgemeine Ge$etze abgeleitet werden, wie in der Theorie der Functionen, und in der Theorie der Linien und Flächen. Wenn Ampère in Beziehung auf die Stellung der Dynamik Recht hat, $o i$t, wie $päter gezeigt werden $oll, die Stellung der Mechanik eine unrichtige.

[073] §. 4. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, die $ich mit der Be$timmung der wirklich im Raum exi$tirenden Bewegungen und Kräfte be$chäftigen.

Die Unter$uchung, die man bei der Mechanik über die Bewegungen und Kräfte im Allgemeinen ange$tellt hat, führen von $elb$t auf die im Raume verbreiteten Bewegungen und die Kräfte, welche die$elben erzeugen. An die$e Stelle ge- hören al$o die Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche $ich auf den genannten Gegen$tand beziehen.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Uranographie.

Die er$te die$er Wi$$en$chaften hat alles dasjenige zum Inhalt, was man beim Anblick des Himmels unmittelbar beobachten kann. Sie be$chreibt die Sterngruppen, die man Sternbilder nennt, die täglichen Bewegungen, welche $ämmtliche Ge$tirne mit einander gemein haben, die Bewe- gung der Sonne, die Neigung der Ecliptik und die Art und Wei$e, wie die ungleiche Länge der Tage und Nächte, und der Wech$el der Iahreszeiten aus jener Neigung erklärt werden mu{$s}; $ie erfor$cht die Bewegungen der Planeten und des Mondes, und beobachtet die Pha$en des letztern; $ie erblickt mit Hülfe des Fernrohrs die Sonnenflecken, die ver$chiedenen Vorgänge auf der Scheibe des Mondes und der Planeten, die Pha$en der letztern u. $. w. Hipparch und Ptolemäus dehnten die Grenzen die$er Wi$$en$chaft $o weit aus, als ohne Hülfe des genannten In$truments möglich i$t, aber $ie kamen nicht darüber hinaus; denn die irrigen Sy$teme, die man erdichtete, um die$e Bewegungen mittel$t der Epicykeln zu erklären, kann man nicht als einen Theil die$er Wi$$en$chaft an$ehen. Ich gebe der Ge$ammtheit der auf die vorhingenannten Punkte bezüglichen Wahrheiten den Namen Uranographie.

[074] 2) Helio$tatik.

Seit Copernicus be$teht eine andere Wi$$en$chaft dritter Ordnung, welche $ämmtliche Er$cheinungen am Himmel zu erklären $ucht, indem $ie nachwei$t, wie die$elben von der wirklichen Bewegung der Erde um ihre Are, und der Erde und der Planeten um die Sonne herrühren, wobei letztere als unbeweglich in dem Mittelpunkt des Planeten$y$tems gedacht wird. Man wei{$s} jetzt, da{$s} die$e Unbeweglichkeit nur eine relative i$t; $ie mag aber ab$olut oder relativ $ein, $o bleiben dennoch die $cheinbaren Bewegungen die$elben; und um die Erklärung die$er letztern nicht durch fremdartige Beobachtungen zu verwirren, mu{$s} man in der genannten Erklärung die Sonne als unbeweglich an$ehen. De{$s}halb glaubte ich auch die$er Wi$$en$chaft den Namen Helio- $tatik geben zu mü$$en, von ἤλιος, Sonne, und στάσις, Ruhe, Still$tand.

3) A$tronomie.

Nun kam Keppler, Er verglich zunäch$t in ver$chiedenen Zeiten die Entfernungen der Sonne und die Stellungen des Planeten Mars, unter $ich $owohl, als mit dem Unter$chied der Beobachtungszeiten; ferner verglich er die Entfernungen der Sonne von den ver$chiedenen Planeten mit ihren Um- laufszeiten. So entdeckte er die nach ihm benannten Ge$etze; und er durfte nur die$elben mit den Elementen der Planeten- bahnen zu$ammen$tellen, um $ämmtliche Um$tände ihrer Be- wegungen berechnen und Tabellen ausfertigen zu können, mittel$t deren man ihre Stellungen in allen zukünftigen und vergangenen Zeiten zu be$timmen im Stande i$t.

Die auf die$e Ge$etze bezüglichen Wahrheiten und die Dar$tellung der Operationen, durch welche die a$tronomi$chen Beobachtungen die grö{$s}e$tmögliche Vollkommenheit erhalten und die Fehler der In$trumente ausgeglichen werden, bilden eine Wi$$en$chaft dritter Ordnung, die A$tronomie im engern Sinn, welche ich $chlechtweg A$tronomie nennen will.

[075] 4) Mechanik des Himmels.

Um un$ere Kenntni$$e über den vorliegenden Gegen$tand voll$tändig abzu$chlie{$s}en, mu{$s}te auch noch die Ur$ache $ämmt- licher Bewegungen der Himmelskörper entdeckt werden. Die$e gro{$s}e Unbekannte wurde von Newton enthüllt; er lehrte uns, wie die$e Bewegungen durch die allgemeine Schwer- kraft bedingt $ind, welche in allen Theilen der Materie wirkt, und aus die$er gro{$s}en Entdeckung, welche uns auch die Ur- $achen der Abweichungen im Planetenlauf kennen lehrte, und die Mittel an die Hand gab, die$elben zu berechnen, ent$tand eine vierte Wi$$en$chaft dritter Ordnung, welche ich Mechanik des Himmels nenne, nach dem Titel des Werks, in welchem der berühmte Erklärer Newton’s jene Wi$$en$chaft auf eine $o bewundernswürdige Art entwickelte. Wie ähnlich $ich auch die$e und die vorhergehende Wi$$en- $chaft $ein mögen, $o hat man doch immer beide in den über $ie ge$chriebenen Werken von einander getrennt, und ein Curs der A$tronomie i$t etwas ganz anderes als ein Curs der Mechanik des Himmels.

_b)_ Cla$$ification.

Die$e vier Wi$$en$chaften, welche den vier gro{$s}en Epo- chen des a$tronomi$chen For$chens ent$prechen, fa{$s}t Ampère in eine Wi$$en$chaft er$ter Ordnung zu$ammen, welche er Uranologie nennt, und die weitere Eintheilung in Wi$$en- $chaften zweiter Ordnung $tellt $ich $o dar:

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Uranologie. # Elementare Ura- \\ nologie. # Uranographie. # # Helio$tatik. # Uranogno$ie. # A$tronomie. # # Mechanik des Himmels.

Die Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die$e Ein- theilung i$t klar; die Uranographie, welche bei der unmittel- [076] baren An$chauung $tehen bleibt, ent$pricht dem autopti$chen Ge$ichtspunkt; die Helio$tatik, welche die wahren Bewegun- gen $ucht, welche gleich$am hinter den $cheinbaren Bewe- gungen ver$teckt liegen, ߞ ent$pricht dem cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkt. Der troponomi$che Ge$ichtspunkt $tellt $ich in der A$tronomie dar, welche die ver$chiedenen Verände- rungen am Himmel auffa{$s}t und die Ge$etze ihrer Wech$el- beziehungen ableitet. Der cryptologi$che Ge$ichtspunkt end- lich lä{$s}t $ich augen$cheinlich in der Mechanik des Himmels wiedererkennen, welche die verborgen$te Ur$ache der Him- melsbewegungen enthüllt.

§. 5. Definition und Eintheilung der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, welche der Beobachtung nur die Begriffe von Grö{$s}e und Maas entnehmen.

Bis jetzt wurden nur die Wi$$en$chaften dritter Ord- nung auf die Art be$timmt, da{$s} ihre unter$cheidenden Cha- ractere und ihre gegen$eitigen Grenzen bezeichnet wurden. Von den Wi$$en$chaften er$ter und zweiter Ordnung wurde blos ge$agt, welche Wi$$en$chaften dritter Ordnung in ihnen enthalten $eien, und ihre Beziehungen unter einander kamen bis jetzt noch nicht zur Sprache. Die Wi$$en$chaften zweiter Ordnung $ind hinreichend be$timmt, und das Folgende voll- bringt da$$elbe für die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung.

a) Aufzählung und Definitionen. 1) Arithmologie.

Die Arithmologie i$t die Wi$$en$chaft von dem Me$$en der Grö{$s}en im Allgemeinen. „Eine Grö{$s}e me$$en” hei{$s}t durch eine Zahl, $ei es durch eine ganze oder gebrochene, ausdrücken, auf welche Art die Grö{$s}e zu$ammenge$etzt i$t in Beziehung auf eine gewi$$e Einheit. Einheit aber i$t diejenige Grö{$s}e, welche man aus gleichartigen Grö{$s}en be- liebig wählte, um einen gemein$chaftlichen Vergleichungs- punkt für $olche gleichartige Grö{$s}en zu haben. Der Werth [077] der Zahlen und Buch$taben, welche eine Grö{$s}e dar$tellen, $teigt und fällt mit der Grö{$s}e der gewählten Einheit; aber das gemein$ame Ge$etz aller in der Arithmologie begriffenen Wi$$en$chaften be$teht darin, da{$s} bei der Verwandlung eines Ausdrucks in eine Reihe von ver$chiedenen Ausdrücken immer die Identität fe$tgehalten wird, $ei es nun zwi$chen die$en ver$chiedenen Ausdrücken $elb$t, oder wenn die Ausdrücke ver$chiedene Werthe bekommen, durch $tete Her$tellung der Wahrheit der Gleichungen, welche zwi$chen je zwei die$er Ausdrücke $tattfinden, deren Werthe geändert werden.

2) Geometrie.

Die Unter$chiede der Geometrie von der Arithmologie be$timmt Ampère $o: 1) Zu den Beziehungen der Grö{$s}e, welche den Inhalt der letzteren bilden, kommen bei der er$ten noch die Beziehungen der Lage von Punkten, Linien und Flächen hinzu. Die$e neuen Beziehungen mu{$s} die Geometrie mit den er$teren combiniren, und nachwei$en, wie man $ie auf die$elben zurückführen kann, wie man z. B. die Entfer- nung zweier Punkte durch das Maas der $ie verbindenden geraden Linien, die gegen$eitige Lage zweier geraden Linien durch das Maas ihrer klein$ten Entfernung und des von ihren Richtungen gebildeten Winkels be$timmt u. $. f. 2) Wenn zwi$chen den Punkten, Linien und Flächen einer Figur $owohl in Hin$icht auf Grö{$s}e als Lage eine Anzahl von Beziehungen $tattfindet, $o ergeben $ich zwi$chen die$en Punk- ten, Linien und Flächen noch eine Menge anderer Beziehun- gen als nothwendige Folgen der er$teren, und die$e Folgen hat die Geometrie zu entwickeln. 3) Die Arithmologie hat es nur mit der Gleichheit ver$chieden geformter Zahlen- ausdrücke zu thun, und $etzt nichts voraus, als die ver$chie- denen Zeichen, deren Bedeutung durch die allgemeine Ueber- einkunft fe$t$teht. Die Geometrie aber $etzt die nothwendigen Eigen$chaften des Raums, $einer drei Dimen$ionen u. $. f. voraus, und die$e unbeweisbaren An$chauungen bilden einen [078] Theil der Grundlagen, auf welchen die Geometrie ruht. Die$er Unter$chiede ungeachtet haben beide Wi$$en$chaften dur den gemein$amen Charakter, $ich auf Grö{$s}en zu be- ziehen, $o gro{$s}e Aehnlichkeiten, da{$s} manche Schrift$teller die $yntheti$che Geometrie unmittelbar hinter die Arithmographie $tellten, die Theorie der Linien und Flächen mit der Theorie der Functionen in den$elben Werken vortrugen, und $elb$t Newton die $yntheti$che Geometrie und mathemati$che Ana- ly$e in der ge$ammten Arithmetik vereinigte.

Einige Theile der $yntheti$chen Geometrie hat man irriger Wei$e davon getrennt, und mittel$t be$onderer Namen zu eigenen Wi$$en$chaften ge$tempelt. Die{$s} i$t z. B. der Fall mit der be$chreibenden Geometrie, welche aber nur da$$elbe i$t für die Stereometrie, was die Lö$ung der ver$chiedenen Zeichnungsaufgaben für die ebene Geometrie, und doch i$t es noch Niemand eingefallen, die$e letzteren Aufgaben von der $yntheti$chen Geometrie zu trennen. Aehn- lich verhält es $ich mit der ebenen und $phäri$chen Trigono- metrie; beide gehören in die $yntheti$che Geometrie, die eine in die Planimetrie, die andere in die Stereometrie; und die$e Behandlungsart i$t nach Ampère’s Meinung auch zu den Zwecken des Unterrichts weit vorzuziehen, da man ja demungeachtet beide noch in der analyti$chen Geometrie ab- handeln kann.

3) Mechanik.

Die Geometrie $cheint, oberflächlich ange$ehen, den glei- chen Gegen$tand mit der Mechanik zu haben, da er$tere von der Erzeugung einer Linie durch Bewegung eines Punk- tes, von der Erzeugung einer Fläche durch die Ortsbewe- gung einer Linie u. $. f. $pricht. Bei der Mechanik kommt jedoch der Begriff der Zeit und damit der aus dem Ver- hältni{$s} des Raums und der Zeit ent$pringende Begriff der Ge$chwindigkeit dazu, und die$e Betrachtung i$t der Geometrie gänzlich fremd und macht den eigenthümlichen Charakter der Mechanik aus.

[079]

Man trennt gewöhnlich die Statik, in Statik im engern Sinn und Hydro$tatik, und macht gleiche Unter$chiede in der Dynamik. Solche Unterabtheilungen mü$$en als Wi$$en- $chaften vierter Ordnung ange$ehen werden. Con$equenter Wei$e mü$$en aber alsdann auch in der Molecularmechanik die Betrachtung der Schwingungen fe$ter Körper von der der Vibrationsbewegungen flü$$iger Körper getrennt werden, was unzulä$$ig i$t. Man mü{$s}te ferner die$elbe Abtheilung in der Cinematik machen, aber wie kann man z. B. die Dar$tellung der hydrauli$chen Pre$$e von der Be$chreibung anderer Ma$chinen trennen?

4) Uranologie.

In der Mechanik hat man es nur mit möglichen Bewegungen zu thun, die Uranologie aber hat die wirk- lichen Bewegungen der im Raum zer$treuten Weltkörper zum Gegen$tand.

b) Cla$$ification.

Die Provinz, welche die$e vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung in $ich begreift, und aus der Beobachtung nur die Begriffe von Grö{$s}e und Maas nimmt, bezeichne ich als mathemati$che Wi$$en$chaften und theile $ie in zwei Krei$e, wie eine Wi$$en$chaft er$ter Ordnung in zwei Wi$$en$chaften zweiter Ordnung zerfällt.

Provinz. # Krei$e. # Wi$$en$chaften er$ter \\ Ordnung. Mathemati$che \\ Wi$$en$chaften. # Mathemati$che Wi$- \\ $en$chaftenimengern \\ Sinn. # Arithmologie. # # Geometrie. # Phy$icali$ch-mathe- \\ mati$che Wi$$en- \\ $chaften. # Mechanik. # # Uranologie.

Ampère lä{$s}t nun wieder Bemerkungen folgen, in wel- chen er auch für die$e vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung Siehe hiergegen un$ere criti$chen Anmerkungen. [080] die Ueberein$timmung mit den vier Ge$ichtspunkten nachwei$en will; er $ieht $ie als den allen die$en vier Wi$$en$chaften zu Grund liegenden gemein$amen Gegen$tand das Weltganze im Gegen$atz zu dem Studium $einer be$ondern Be$tand- theile, welches den Gegen$tand der näch$ten Provinz bildet, und findet nun in der Arithmologie den autopti$chen Ge- $ichtspunkt, weil $ie Ausdrücke, die uns vor Augen liegen, nur auf eine identi$che Wei$e verwandle; in der Geometrie den cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkt, weil $ie aus den gegebe- nen Beziehungen einer Figur auf unbekannte und verbor- gene $chlie{$s}e, in der Mechanik den troponomi$chen, weil $ie die wech$elnden Lagen beweglicher Körper vergleiche und daraus die allgemeinen Ge$etze der Bewegung und des Gleichgewichts der bewegenden Kräfte entwickle; in der Ura- nologie den cryptologi$chen Ge$ichtspunkt, weil $ie die ver- borgene Ur$ache der wirklichen und we$entlichen Bewegun- gen aller Körper enthülle. Wie er früher $chon auch in der er$ten Wi$$en$chaft der Mechanik, in der Cinematik, den troponomi$chen Charakter wiederfand, $o will er nun auch $chon in der Uranographie den dem cryptologi$chen Ge$ichtspunkt ent$prechenden erklärenden Charakter die$er Wi$$en$chaft er$ter Ordnung finden; $elb$t die $cheinbaren Bewegungen der Ge$tirne $eien zu lang$am, als da{$s} man $ie unmittelbar beobachten könne, man nehme $ie nur an, um die Ortsveränderung erklären zu können u. $. f. ߞ

Ich werde $päter zeigen, da{$s} die$er Anwendung des Schematismus der vier Ge$ichtspunkte auf die umfa$$enderen Gruppen eine tiefere Wahrheit zu Grunde liegt, aber die Ampère’$che Application eine unrichtige i$t. Ich habe durch die $ehr ausführliche Angabe des er$ten Kapitels den Le$ern ein Bei$piel gegeben, wie Ampère $eine Eintheilung durchführt; ich werde mich bei den künftigen Kapiteln ganz kurz fa$$en; indem diejenigen Theile der Cla$$ification, welche wirklich eine ungekün$telte Zu$ammen$timmung mit $einem allgemei- nen Schema zeigen, keiner Erörterung mehr bedürfen, und [081] es au{$s}er meinem Zwecke i$t, die $ophi$ti$chen Deductionen, mit welchen er in andern Fällen eine gekün$telte Anwendung rechtfertigen will, wiederzugeben.

Zweites Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, melche die unorgani$chen Eigen- $chaften der Körper und ihre Anordnung auf dem Erdball zum Gegen$tand haben.

Der Gegen$tand die$es Kapitels i$t da$$elbe Univer$um, was in den Wi$$en$chaften des vorigen betrachtet wurde, aber nicht mehr blos nach den Begriffen von Grö{$s}e und Maas, $ondern nach $einen be$onderen Elementarbe$tand- theilen, deren $ämmtliche unorgani$che Eigen$chaften wir durch Beobachtung und Ver$uche in den Wi$$en$chaften die$es Kapitels zu entdecken $uchen.

§. 1. Wi$$en$chaften dritter Ordnung, die es mit ben unorgani$chen Eigen- $chaften der Körper und mit den Er$cheinungen zu thun haben, die $ie bei einer allgemeinen Betrachtung zeigen. _a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Experimentalphy$ik.

Die er$te Wi$$en$chaft, die $ich mit dem genannten In- halt be$chäftigt, begreift alle aus der unmittelbaren Beob- achtung der Körper $ich ergebenden Wahrheiten in $ich; $ie be$chreibt ihre ver$chiedenen Zu$tände, ihre Härte, Ela$ticität, Gewicht u. $. f., kurz alle Er$cheinungen, welche durch ihre Wech$elwirkung hervorgebracht werden und die In$trumente, mittel$t deren man $ich die$e Er$cheinungen vor Augen bringt. Die$e Wi$$en$chaft erhielt den Namen Experimental- phy$ik.

[082] 2) Chemie.

Auf die ebengenannte Wi$$en$chaft kann diejenige folgen, welche in den Körpern die Grundbe$tandtheile auf$ucht, aus denen $ie zu$ammenge$etzt $ind, und die Proportionen, in welchen $ich jene Grundbe$tandtheile verbinden ߞ die Chemie.

3) Stereonomie.

Vergleicht man die ver$chiedenen Werthe, welche eine Eigen$chaft eines Körpers annehmen kann, wenn man den Körper allmählig in eine Reihe von Um$tänden bringt, die auf jene Eigen$chaft Einflu{$s} haben, $o gehen daraus die Ge$etze der Er$cheinungen hervor, die man in Formeln bringen und durch den Calcul in weitere Wahrheiten entwickeln kann. Die{$s} nenne ich Körperge$etzlehre ߞ Stereonomie.

4) Atomologie.

Die letzten Ur$achen, aus welchen die Eigen$chaften der Körper und die Art ihrer Wech$elwirkungen ent$pringen, beruhen auf den Kräften, welche die Moleküle der Materie auf einander ausüben, daher ich der Wi$$en$chaft, welche die$e Verhältni$$e unter$ucht, den Namen Atomologie gebe.

In den mei$ten Büchern, welche über die$e vier Theile der allgemeinen Phy$ik da $ind, i$t nur die Chemie als be- $ondere Wi$$en$chaft abgetrennt, die andern Theile aber, die Experimentalphy$ik, $ind mit der Stereonomie und Atomo- logie zu$ammen geworfen, welche beide ich als mathemati- $che Phy$ik zu$ammenfa$$e. Für den Unterricht wäre es ge- wi{$s} er$prie{$s}licher, wenn man in einer Experimentalphy$ik alle Er$cheinungen be$chreiben, ihren Zu$ammenhang und ihre wech$el$eitige Abhängigkeit nachwei$en, alles aber, was $ich auf mathemati$che Phy$ik bezieht, für eine $elb$t$tändige Wi$$en$chaft auf$paren würde. Eine $olche reine Experimen- talphy$ik könnte ohne Weiteres zu einem Theil des Volks- unterrichts gemacht werden.

[083] _b)_ Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften britter \\ Ordnung. Allgemeine \\ Phy$ik. # Allgemeine Elemen- \\ tarphy$ik. # Experimentalphy$ik. # # Chemie. # Mathemati$che \\ Phy$ik. # Stereonomie. # # Atomologie.

Folgt dann die Application des Schema’s der vier Ge- $ichtspunkte.

§. 2. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, die $ich mit den Arbeiten be$chäfti- gen, mittel$t deren wir die Körper auf die un$erem Nutzen und un$erem Vergnügen angeme$$en$te Wei$e be$chäftigen. _a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Technographie.

Die$e Wi$$en$chaft gibt die Kenntni{$s} der ver$chiedenen Verfahrungsarten bei der Verwandlung und Verarbeitung roher Materialien, bei ihrem Transport, Aufbewahrung, ferner die Kenntni{$s} der ver$chiedenen In$trumente und Ma- $chinen, die zu allem die$em nöthig $ind.

2) Indu$trielle Gewinnlehre (Cerdori$tik).

Die$e Wi$$en$chaft lehrt die Gewinne und Verlu$te berechnen, die $ich bei techni$chen Unternehmungen ergeben, und wohin auch unter anderen die Kun$t der Buchhaltung gehört.

3) Indu$trielle Oeconomie.

Die$e Wi$$en$chaft hat die Unter$uchung der Modifica- tionen, welche die angeführten techni$chen Unternehmungen unter ver$chiedenen Verhältni$$en an ver$chiedenen Orten und Gegenden erleiden, zum Gegen$tand, und i$t demjeni- gen nöthig, der nicht im Ioch blo{$s}er Routine $tecken blei- ben will.

[084] 4) Indu$trielle Phy$ik.

Wenn die vorherige Wi$$en$chaft empiri$ch die unter ver$chiedenen Um$tänden und Verfahrungsarten gewonnenen Re$ultate vergleicht und daraus die be$te auswählen lernt, $o i$t es Aufgabe der indu$triellen Phy$ik, aus den der all- gemeinen Phy$ik entnommenen Kenntni$$en heraus die rich- tig$ten Verfahrungsarten anzugeben. Ampère führt als Bei$piel an, wie die chemi$che Entdeckung des Chlor zur Verbe$$erung des Bleichverfahrens gedient habe.

_b)_ Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Technologie. # Elementar-Tech- \\ nologie. # Technographie. # # Indu$trielle Gewinnlehre. # Vergleichende \\ Technologie. # Indu$trielle Oeconomie. # # Indu$trielle Phy$ik.

Bei der Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die$e Eintheilung i$t zu bemerken, da{$s} hier der troponomi$che und cryptologi$che Ge$ichtspunkt in einem andern Verhältni{$s} zu einander $tehen, als $ie von Ampère $on$t genommen wer- den, nemlich in dem Verhältni{$s} eines empiri$ch vergleichen- den und eines aus allgemeinen Principien ableitenden Er- kennens.

§. 3. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, die $ich auf die Zu$ammen$etzung der Erde, auf die Natur und Anordnung ihrer ver$chiedenen Be$tandtheile beziehen.

Es i$t klar, da{$s} die$e Wi$$en$chaften die in dem Bis- herigen angeführten mathemati$chen, mechani$chen, phy$ika- li$chen, chemi$chen und technologi$chen Kenntni$$e voraus- $etzen und darum auf die$elben folgen mü$$en.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Phy$i$che Geographie.

Sie erfor$cht die auf der Oberfläche des Erdballs $tatt- [085] habenden Vorgänge, unter$ucht die Meere, Flü$$e, Ebenen, Berge, die Höhen der$elben und ihre Verkettungen, $ie $chil- dert die Phy$ionomie der ver$chiedenen Erdtheile und Länder hin$ichtlich der da$elb$t vorkommenden Pflanzen- und Thier- ge$chlechter, die Neigungen und Abweichungen der Magnet- nadel, Temperatur und chemi$che Be$chaffenheit der Quellen, der Meere u. $. f., Be$chaffenheit der Winde, überhaupt die meteorologi$chen Vorgänge; die Natur der ver$chiedenen Terrains, welche mittel$t übereinander gelagerter Schichten den Boden der Ebenen bilden und an den Seiten der Ge- birge entblö{$s}t liegen.

2) Mineralogie.

Die$e Wi$$en$chaft geht über die unmittelbare Beobach- tung, bei welcher die vorige $tehen bleibt, hinaus, und un- ter$ucht die Be$tandtheile, aus welchen die Erdrinde be$teht, und die man Mineralien nennt, die einfachen wie die Con- glomerate. Die Mineralogie kann er$t nach der phy$i$chen Geographie kommen, denn $pricht man von einem Mineral, $o mu{$s} man auch $agen können, welche Theile des Erdballs welche Gebirgsketten, welche Bodenarten da$$elbe enthalten.

Ampère macht bei der Mineralogie eine zweifache Be- merkung. Er führt nemlich die Gründe an, warum er die Mineralogie nicht, wie gewöhnlich ge$chieht, mit der Botanik und Zoologie in eine Cla$$e $tellt, $ondern warum die Mi- neralogie nur eine Wi$$en$chaft dritter Ordnung in $einem Sy$tem i$t, während Botanik und Zoologie Wi$$en$chaften er$ter Ordnung $ind. Der Grund für die Trennung der Mineralogie aus der Cla$$e der Wi$$en$chaften, in welchen die andern Naturreiche abgehandelt werden, beruht darauf, da{$s} er das Mineral für etwas rein Unorgani$ches erklärt; wir werden $päter die nöthigen Einwürfe hiergegen machen und der Mineralogie ihre Stellung neben der Botanik und Zoologie vindiciren. Die andere Bemerkung i$t $ehr $inn- reich, und $ie gilt auch bei un$erer veränderten Annahme: [086] der Lebensproce{$s} des Minerals $ei ganz einfach, und ge- wi$$erma{$s}en mit der Ent$tehung des Minerals auch $chon zu Ende, daher könne von einer Theilung des minerali$chen Wi$$ens in vier Wi$$en$chaften dritter Ordnung nicht die Rede $ein.

3) Geonomie.

Die$e Wi$$en$chaft, welcher die beiden vorhergehenden das Material geben, unter$ucht die Ge$etze der Lagenver- hältni$$e und ihre wech$el$eitige Abhängigkeit von einander, indem gewi$$e Mineralien nur an be$timmten Orten und zu$ammen mit andern Mineralien vorkommen.

4) Theorie der Erde.

Die$e Wi$$en$chaft erfor$cht die letzten Ur$achen der in der vorigen Wi$$en$chaft entwickelten Ge$etze, die Ur$achen ferner, welche den allmähligen Veränderungen, wie den plötzlichen Umwälzungen un$eres Erdballs und der Stufenfolge der Formationen u. $. w. zu Grunde liegen.

_b)_ Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Geologie. # Elementargeologie. # Phy$i$che Geographie. # # Mineralogie. # Vergleichende Geo- \\ logie. # Geonomie. # # Theorie der Erde.

Folgt dann die Application der vier Ge$ichtspunkte.

§. 4. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, welche unter$uchen, wie die auf der Oberfläche und in der Tiefe der Erde befindlichen Materien herbeizu$chaffen $ind, um auf die möglich$t vortheilhafte Art bearbeitet zu werden.

Die$e Wi$$en$chaften verhalten $ich zur Geologie wie die Technologie zur allgemeinen Phy$ik; und auch die Stel- lung die$er Wi$$en$chaften unter einander ent$prechen ganz [087] den Verhältni$$en, welche die technologi$chen Wi$$en$chaften zu einander haben.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Grubenbau.

Die$e Wi$$en$chaft $childert analog der Technographie alle Arbeiten und Hilfsmittel, welche bei der Herbei$chaffung der Mineralien nothwendig $ind. Ampère nimmt das Wort in einem dem Wortlaut wider$prechenden weitern Sinn und ver$teht darunter auch die Gewinnung minerali$cher Pro- ducte aus dem Meer, die ver$chiedenen Arten, Salz zu be- kommen u. $. f.

2) Probirkun$t.

Die$e Wi$$en$chaft $chätzt den Werth der gewonnenen Mineralien, lehrt Vorausberechnung machen über die zu erwartenden Re$ultate, Ko$tenüber$chläge entwerfen u. $. f.

3) Oryxionomie.

Die$e Wi$$en$chafft $tellt wie die indu$trielle Oeconomie die ver$chiedenen Verfahren zu$ammen, und lehrt daraus, $ich ein Urtheil zu bilden über den Werth der ver$chiedenen Methoden.

4) Mineralphy$ik.

Die$e Wi$$en$chaft $tellt die gleiche Unter$uchung an, wie die vorige, aber $tatt die oft ko$t$pieligen vergleichenden Erfahrungen zu machen, zieht $ie die Wi$$en$chaften über die phy$ikali$chen und chemi$chen Vorgänge, $o wie die geo- logi$chen Re$ultate zu Hilfe, weshalb ihr Ampère, analog der indu$triellen Phy$ik den Namen Mineralphy$ik gab.

_b)_ Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Oryctotechnie. # Elementar-Orycto- \\ technie. # Grubenbau. # # Probirkun$t. # Vergleichende Oryc- \\ totechnie. # Oryxionomie. # # Mineralphy$ik. [088]

Ueber die Anwendung der vier Ge$ichtspunkte i$t die gleiche Bemerkung zu machen, wie bei der Technologie.

§. 5. Definitionen und Eintheilung der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, welche die unorgani$chen Eigen$chaften der Körper und die Anordnung der letz- tern auf und in der Erde zum Inhalt haben.

Wir haben nun alle Wi$$en$chaften er$ter Ordnung abgethan, welche $ich auf die$en allgemeinen Gegen$tand be- ziehen und demzufolge in eine Provinz zu$ammenge$tellt wer- den mü$$en, und es bleibt uns blos noch die Aufgabe übrig, die$e Wi$$en$chaften ganz unabhängig von den in jeder der- $elben enthaltenen Wi$$en$chaften dritter Ordnung zu defini- ren, ihre Reihenfolge und Grenzen zu be$timmen und $ie zu cla$$ificiren.

a) Aufzählung und Cla$$ification. 1) Allgemeine Phy$ik.

In allen Wi$$en$chaften, welche der allgemeinen Phy$ik vorausgingen, betrachtete man die Welt in ihrem Ge$ammt- zu$ammenhang; letztere Wi$$en$chaft aber unter$ucht die Eigen$chaften der die$es ungeheure Ganze ausmachenden unorgani$chen Körper im Be$ondern, und wie gro{$s} auch die Analogie $ein mag, welche zwi$chen ihr und der Uranologie be$teht, $o reicht doch das angegebene Merkmal vollkommen hin, zwi$chen die$en beiden an$cheinend $o nahe verwandten Wi$$en$chaften eine Grenzlinie zu ziehen, welche aber zu- gleich auch die Grenzlinie zwi$chen den Provinzen der ma- themati$chen und der phy$ikali$chen Wi$$en$chaften i$t. Der Men$ch bekommt hier einen ganz neuen Gegen$tand für $eine Unter$uchungen, und zu gleicher Zeit $tellt $ich ihm ein neues Mittel zur For$chung dar. Bis jetzt hat er $ich nemlich auf die Beobachtung be$chränken mü$$en, von jetzt an verbindet er damit den Ver$uch.

Siehe die Critik die$er Cla$$ification weiter unten. [089] 2) Technologie.

In der allgemeinen Phy$ik erfor$chen wir die Körper ganz allein zu dem Zweck, ihre Eigen$chaften und Er$chei- nungen kennen zu lernen, in der Technologie dagegen ge- $chieht die{$s} mit der Ab$icht, die Vortheile ausfindig zu machen, welche wir aus den$elben ziehen können, und die Mittel kennen zu lernen, wodurch wir $ie un$ern Bedürfni$$en dien$t- bar machen.

3) Geologie.

Die allgemeine Phy$ik unter$cheidet $ich von der Geo- logie hinreichend durch den Um$tand, da{$s} die er$tere die Kör- per nur im Allgemeinen betrachtet, während die letztere die- $elben als Theile un$eres Erdballs unter$ucht. Man $tö{$s}t jedoch auf einige Schwierigkeit, wenn man die$en Unter$chied bis in das Detail entwickelt, und ich be$timme deshalb den- $elben auf folgende Wei$e näher: der Inhalt der allgemeinen Phy$ik i$t das Studium der Eigen$chaften und Er$cheinun- gen, welche wir an den Körpern zu allen Zeiten und an allen Orten bemerken; während die Geologie nichts anderes i$t, als das vergleichende Studium aller der Modificationen, welche jene Eigen$chaften und Er$cheinungen zu ver$chiedenen Zeiten und an ver$chiedenen Orten erleiden können.

Die allgemeine Phy$ik zum Bei$piel mu{$s} uns belehren, da{$s} die Magnetnadel nach Norden wei{$s}t und $ich bald mehr bald weniger nach O$ten und We$ten neigt; da{$s} der atmo- $phäri$che Druck einer Queck$ilber$äule, welche unter zahlreichen Um$tänden mancherlei Veränderungen unterworfen i$t, das Gleichgewicht hält; da{$s} Wa$$er verdun$tet, $ich in Wolken ver- dichtet und als Regen wieder herunterfällt; da{$s} die ver$chiedenen Sub$tanzen, welche den Boden bilden, auf dem wir wandeln, mei$t in parallelen, mehr oder weniger geneigten Schichten gelagert $ind, u. $. f. Die phy$i$che Geographie aber belehrt uns, wie $tark die Abweichung der Magnetnadel, wie hoch der Barometer$tand, wie gro{$s} die Regenmenge an ver$chiedenen Orten und zu ver$chiedenen Zeiten i$t. Eben$o belehrt uns die [090] Geonomie über die Natur und die Neigung der Boden- $chichten in ver$chiedenen Gegenden. So macht die Me- teorologie nur einen Theil der allgemeinen Phy$ik aus, wenn $ie die Er$cheinungen der Atmo$phäre blos in allgemeiner Wei$e behandelt; $obald $ie aber auf die Ver$chiedenheiten die$er Er$cheinungen an den ver$chiedenen Orten eingeht, $o gehört $ie in die phy$i$che Geographie.

4) Oryctotechnie.

Die Oryctotechnie unter$cheidet $ich von der Geologie eben$o, wie die Technologie von der allgemeinen Phy$ik. Die Geologie unter$ucht die Be$tandtheile des Erdballs nur zu dem Zweck, $ie kennen zu lernen, die Oryctotechnie aber in der Ab$icht, $ie für un$ere Bedürfni$$e herbeizu$chaffen.

Ampère zweifelte anfangs, ob die Technologie wirklich vor die Oryctotechnie zu $tehen komme. Auf den er$ten Anblick glaubte er, zuer$t mü$$e man die Mittel abhandeln, mittel$t deren man die Mineralien herbei$chafft, ehe man die Verarbeitung der$elben zum Gegen$tand der Unter$uchung macht, und dann mü{$s}te nicht blos die Oryctotechnie vor der Technologie $tehen, $ondern auch die auf Benutzung von Pflanzen und Thieren bezüglichen Wi$$en$chaften. Er $ah jedoch bald ein, da{$s} es $ich nicht $o verhalte. Man kann offenbar die techni$chen Arbeiten, durch welche die im Han- del vorkommenden Sub$tanzen auf die angeme$$en$te Wei$e verwandelt werden, alle mit einander abhandeln, ohne $ich um die Mittel zu bekümmern, durch welche jene Sub$tanzen herbeige$chafft werden; die Technologie dagegen liefert dem Grubenarbeiter alle nothwendigen Ma$chinen, In$trumente und Apparate, deren Gebrauch unmöglich ver$tanden wer- den kann ohne eine genügende Kenntni{$s} von den techni- $chen Arbeiten. Die$e Kenntni$$e $ind eben$o nothwendig für die Cultur der Gewäch$e und die Pflege der Hausthiere; und wenn wir uns an die im Eingang die$es Werks auf- ge$tellten Principien erinnern, $o genügt $chon der einzige [091] eben angeführte Grund, um $ich dafür zu ent$cheiden, da{$s} die Technologie vor allen denjenigen Wi$$en$chaften $tehen mu{$s}, welche es mit der Herbei$chaffung des den$elben noth- wendigen Materials zu thun haben. Ie nachdem nun die$e Sub$tanzen aus dem Mineral-, Pflanzen- oder Thierreich $tammen, mü$$en auch die zu ihrer Herbei$chaffung noth- wendigen Arbeiten ver$chieden $ein und in ver$chiedenen Wi$$en$chaften behandelt werden. Eine $olche Trennung findet aber in der Technologie nicht $tatt, denn die in der- $elben vorkommenden Arbeiten bieten keine we$entlichen Un- ter$chiede dar, welches Ur$prungs auch die benützten Sub- $tanzen $ein mögen, und oft $ind in Einem Kun$tprodukt Materialien vereinigt, die aus allen drei Naturreichen ab- $tammen.

b) Cla$$ification. Provinz. # Krei$e. # Wi$$en$chaften er$ter \\ Ordnung. Phy$icali$che \\ Wi$$en$chaften. # Phy$icali$che Wi$$en- \\ $chaften im engern \\ Sinn. # Allgemeine Phy$ik. # # Technologie. # Geologi$che Wi$$en- \\ $chaften. # Geologie. # # Oryctotechnie.

Ampère macht nun hier wieder die gewöhnliche An- wendung $einer vier Ge$ichtspunkte, welche aber, wie unten gezeigt werden wird, gänzlich verfehlt i$t.

Drittes Kapitel. Cosmologi$che Wi$$en$chaften, die $ich auf lebendige We$en, Pflanzen und Thiere beziehen.

Auf das Studium des Erdballs und $einer Be$tand- theile mu{$s} der Natur der Sache nach das Studium der [092] Pflanzen folgen, die aus $einem Innern hervorwach$en und $eine Oberfläche bedecken; dann das Studium der Thiere, welche die Erde bewohnen und ohne Pflanzen nicht exi$tiren könnten.

§. 1. Wi$$en$chaften britter Ordnung, enthaltend die Kenntni{$s} der Pflanzen und der Lebenser$cheinungen die$er zwar organi$irten, aber der Empfin- dung und freien Bewegung entbehrenden We$en.

Wir haben es zunäch$t nur mit der Erkenntni{$s} der Pflanzen zu thun, und er$t $päter wird von den Wi$$en- $chaften die Rede $ein, die $ich auf die Benützung der Ge- wäch$e beziehen.

_a)_ Aufzählung und Definitionen. 1) Phytographie.

Die$e Wi$$en$chaft lehrt $ämmtliche äu{$s}ere Charactere der Pflanzen, die Bodenart, welche $ie trägt, die Climate, in denen $ie vorkommen, ihre Erhebung über die Meeres- fläche u. $. f. kennen.

2) Phytctomie.

Die$e Wi$$en$chaft $ucht die innere, der unmittelbaren An$chauung entzogene Organi$ation der Pflanzen auf, und wie die Objecte der Mineralogie $ich in zwei Hauptgruppen theilen, die homogenen Sub$tanzen und die in $ich hetero- genen Conglomerate, $o hat der Pflanzenanatom die homo- genen Gewebe und die aus mehreren $olchen Geweben zu- $ammenge$etzten Organe dem Blick darzulegen.

3) Phytonomie.

Die$e Wi$$en$chaft vergleicht die ver$chiedenen Entwick- lungs$tufen einer und der$elben Pflanzenart, eben $o die ver$chiedenen Pflanzenarten unter einander und lehrt auf die Ge$etze $chlie{$s}en, welche das Leben der einzelnen Pflan- zen und des ganzen Reichs in $einen ver$chiedenen Abthei- lungen beherr$chen. Hierher gehört auch die Pflanzengeo- [093] graphie, welche aus der phy$i$chen Geographie haupt$ächlich ihr Material zieht.

4) Pflanzenphy$iologie.

Die$e Wi$$en$chaft $ucht die letzten Ur$achen des Lebens der Pflanzen und der Bildung und Functionen ihrer Organe.

_b)_ Cla$$ification. Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Botanik. # Elementarbotanik. # Phytographie. # # Phytotomie. # Phytogno$ie. # Phytonomie. # # Pflanzenphy$iologie.

Folgt die gewöhnliche Application der vier Ge$ichts- punkte.

§. 2. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, enthaltend die Arbeiten, mittel$t deren wir die Pflanzenwelt zu un$erem Nutzen und Vergnügen tauglich machen.

Die vier Wi$$en$chaften, welche Ampère hier aufführt, gleichen nach ihrer Begriffsbe$timmung und ihrem Verhält- ni{$s} unter einander $o $ehr den technologi$chen und orycto- techni$chen Wi$$en$chaften, da{$s} ich mich, mit Hinwei$ung auf die$e, begnüge, die Cla$$ification zu geben.

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Agricultur. # Elementaragri- \\ cultur. # Feld- und Gartenbau. # # Landwirth$chaftliche Ge- \\ winnlehre. # Vergleichende \\ Agricultur. # Agronomie. # # Agriculturphy$iolgie.

Folgt wieder das Schema der vier Ge$ichtspunkte.

[094] §. 3. Wi$$en$chaften der dritten Ordnung, $ich beziehend auf die Kenntni{$s} der Thiere und $ämmtliche Lebenser$cheinungen die$er mit Empfindung und freier Bewegung begabten We$en.

Die Begriffsbe$timmung die$er Wi$$en$chaften gleicht aufs Wort der Begriffsbe$timmung der botani$chen Wi$$en- $chaften; ich verwei$e al$o auf die$e und begnüge mich, die Cla$$ification hierher zu $etzen.

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Zoologie. # Elementarzoologie. # Zoographie. # # Zootomie. # Zoogno$ie. # Zoonomie. # # Phy$iologie der Thiere.

Folgt das viertheilige Schema.

§. 4. Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche $ich auf die Benützung der Thiere beziehen.

Die{$s} $ind wieder ganz die gleichen Begriffsbe$timmun- gen wie bei Technologie, Agricultur u. $. f. Die Lehre von der Benützung der Thiere (Zootechnie) zerfällt in die Be$chreibung der ver$chiedenen dabei nöthigen Handthierun- gen der Zucht, Iagd u. $. f. (Zoochre$ie), Gewinnlehre (Zoori$tik), empiri$che Erfor$chung der ver$chiedenen Metho- den (Oecionomie) und wi$$en$chaftliche Be$timmung der be$ten Methoden (Trep$iologie).

Wi$$en$chaft er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Zootechnie. # Elementarzootechnie. # Zoochre$ie. # # Zoori$tik. # Vergleichende Zoo- \\ technie. # Oecionomie. # # Threp$iologie.

Folgt wieder das viertheilige Schema.

[095] §. 5. Definitionen und Eintheilung der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, die $ich auf die lebenden We$en, Pflanzen und Thiere beziehen. a) Aufzählung und Definitionen. 1) Botanik.

Ampère gibt hier an, warum er die Wi$$en$chaft, deren Zweck Erkenntni{$s} der Pflanze i$t, vor die Wi$$en$chaft der Thiere $tellte; die Erde, $agt er, könnte mit Pflanzen bedeckt $ein, ohne da{$s} auch nur ein einziges Thier zu exi$tiren brauchte, während umgekehrt die Thiere nicht ohne die Pflan- zen be$tehen können. Eben$o kann der Botaniker die Pflanze $tudiren, ohne etwas vom Thier zu wi$$en, während der Zoolog die Kenntni{$s} der Pflanzen (der Nahrung, ja manch- mal der Wohn$tellen der Thiere) nicht entbehren kann.

2) Agricultur.

Hiebei macht Ampère bemerklich, wie $chwer die Grenzen zwi$chen Agricultur und Technologie zu ziehen $eien, eine Schwierigkeit, welche bei der Grenzbe$timmung zwi$chen Tech- nologie und Oryctotechnie $tatt findet. Er ent$cheidet die$e Fragen dahin, da{$s} er die Handthierungen und Arbeiten in die Agricultur und Oryctotechnie verwei$t, $o lang $ie noch von dem Landbauer und Grubenarbeiter ver$ehen werden; in die Technologie aber, $o bald die Producte in die Hände des Con$umenten und Fabrikanten übergehen. Au{$s}erdem hat man die Agricultur bald mit der Zootechnie zu$ammen- geworfen, bald ihren Begriff auf den blo$en Getreidebau einge$chränkt, was Ampère beides dem $elb$t$tändigen und umfa$$enden Begriff des Worts unangeme$$en findet.

3) Zoologie.

Ampère vergleicht das Verhältni{$s} die$er Wi$$en$chaft zur Botanik mit der Stellung der Mechanik zur Arithmo- logie und Geometrie. Wie in der Mechanik zu den blo$en Zahlen- und Raumgrö{$s}en auch noch Kräfte hinzukommen, [096] $o i$t auch in der Botanik nur das einfach$te Leben Object der Unter$uchung, in der Zoologie aber ein voll$tändigeres Leben, ein Leben, das zu der Vegetation auch noch Empfin- dung und freie Bewegung hat. Auch macht Ampère darauf aufmerk$am, da{$s} jetzt zum er$ten Mal der Men$ch als Ob- ject der Wi$$en$chaft auftrete, zwar blos er$t nach $einer phy$i$chen Seite und neben andern Naturwe$en; bei den p$ychologi$chen Wi$$en$chaften werde er als Hauptobject er- $cheinen und die übrigen Naturwe$en nur als Neben$achen. Wir werden $päter den tiefern Sinn die$er Bemerkungen des gei$treichen Ampère näher darlegen.

4) Zootechnie.

Bei die$er Wi$$en$chaft macht Ampère ganz die$elbe Grenzbe$timmung gegenüber der Technologie, wie bei der Agricultur und Oryctotechnie.

b) Cla$$ification.

Ampère fa{$s}t die$e Wi$$en$chaften unter dem gemein$a- men Begriff „naturhi$tori$che Wi$$en$chaften” zu$ammen und gibt die Etymologie des Wortes Natur von „nasci, ent- $tehen, werden,” um den angeführten Namen als die Bezeichnung der Wi$$en$chaften von lebenden We$en (welche ent$tehen, $ich bilden, $ich fortpflanzen) zu rechtfertigen. Auf die$en Grund hin bringt er wieder die Aus$chlie{$s}ung der Mineralogie von den naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften zur Sprache, indem er $agt, wenn man an die Etymologie des Wortes Natur gedacht hätte, würde man wohl nicht die Mineralien zur Naturge$chichte gezogen haben, als ob nicht auch die Mineralien ein Ent$tehen, ein Werden hätten.

Provinz. # Krei$e. # Wi$$en$chaften er$ter \\ Ordnung. Naturge$chichte. # Phytologi$che Wi$- \\ $en$chaften. # Botanik. # # Agricultur. # Zoologi$che Wi$$en- \\ $chaften. # Zoologie. # # Zootechnie. [097]

Gegen die Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die$e vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung werde ich $päter da$$elbe $agen, was ich gegen die Provinz der phy$icali- $chen Wi$$en$chaften $agen werde. Intere$$ant i$t aber die naturphilo$ophi$che Auffa$$ung der Botanik und Zoologie. Ampère mu{$s} nemlich in dem viertheiligen Schema die Bo- tanik unter die Categorie des autopti$chen, die Zoologie unter die des troponomi$chen Ge$ichtspunkts $tellen. Er $ucht die Analogie der Pflanzen mit dem autopti$chen Ge- $ichtspunkt darin, da{$s} $ie $ich ohne eigene freie Bewegung, ohne Wider$tand der Beobachtung des For$chers darbieten. In der Zoologie, $agt Ampère, $ieht man lebende We$en, die $ich bewegen, thätig $ind, das Nützliche $uchen, das Schädliche fliehen, immerwährend Ort und Lage verändern, und mit ihren Umgebungen in weit zahlreicheren Beziehun- gen $tehen, als die Pflanzen, daher man den troponomi$chen Ge$ichtspunkt an ihnen nicht verkennen kann. Wir werden $päter nachwei$en, da{$s} die$e Analogie für die Zoologie zu- trifft und $ehr wichtig i$t, für die Botanik jedoch mu{$s} $ie anders gewendet werden, um auch für $ie eine eben$o über- ra$chend richtige Anwendung des Ampère’$chen Parallelis- mus zu finden. Die Vergleichung der Agricultur mit dem cryptori$ti$chen, der Zootechnie mit dem cryptologi$chen Ge- $ichtspunkt dagegen grenzt ans Kindi$che.

[098] Viertes Kapitel. Medicini$che Wi$$en$chaften, oder Cosmologi$che Wi$$en$chaften, melche theils auf die äu{$s}ern und innern Einflü$$e und Um- $tände $ich beziehen, durch welche in den Thieren der normale Hergang der Lebenser$cheinungen erhalten, verändert, wieder- herge$tellt oder zer$tört wird, theils auch von den durch die$e Einflü$$e hervorgebrachten Abweichungen $elb$t handeln.

Wenn $chon im Bisherigen die Aufnahme der techni- $chen Wi$$en$chaften als $elb$t$tändiger Theil des Einthei- lungsorganismus die Symmetrie de$$elben bedeutend ge$tört hat, $o i$t die{$s} noch in weit höherem Maas durch das Kapitel der medicini$chen Wi$$en$chaften der Fall, die ja $elb$t nichts $ind als ein Aggregat von Corollarien vorher $chon abge- handelter Wi$$en$chaften. Die{$s} i$t auch der Grund, warum man eine organi$ch-gerundete Durchführung in Ampère’s Gliederung der Medicin in $echszehn Wi$$en$chaften kaum wieder erkennt. Aus die$en Gründen begnügen wir uns, blos der Voll$tändigkeit halber das ge$ammte Schema der medicini$chen Wi$$en$chaften zu geben und das minder ver- $tändliche durch Bemerkungen zu erklären.

[099] # # Wi$$en$chaften er$ter \\ Ordnung. # Wi$$en$chaften zweiter Ord- \\ nung. # Wi$$en$chaften dritter \\ Ordnung. Medicini$che \\ Wi$$en$chaf- \\ ten. # Phy$i$ch-medici- \\ ni$che Wi$$en- \\ $chaften. # Medicini$che Phy$ik. # Medicini$che Phy$ik im \\ engern Sinn. # Pharmaceutik. # # # # Traumatologie. # # # Biotologie. # Diätetik. # # # # Phrenygietik. # # Se$undheitslehre (Hy- \\ gicine). # Cra$iologie oder Lehre \\ von den Tempera- \\ menten. # Cra$iographie. # # # # Cra$iori$tik. # # # Ge$undheitslehre im \\ engern Sinn. # Hygionomie. # # # # Prophylactik. # Medicini$che \\ Wi$$en$chaften \\ im engern Sinn. # No$ologie. # No$ologie im engern \\ Sinn. # No$ographie. # # # # Pathologi$che Anatomie. # # # Heillehre. # Allgemeine Therapie. # # # # Medicini$che Phy$iologie. # # Practi$che Medicin. # Semiologie. # Semiographie. # # # # Diagno$tik. # # # Practi$che Medicin im \\ engern Sinn. # Spezielle Therapie. # # # # Progno$tik. [100]

Die vier Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche Ampère unter der „medicini$chen Phy$ik” begreift, enthalten der Reihe nach die ver$chiedenen Einwirkungen, welche der Organismus erleiden kann; Ampère fa{$s}t alle Arten von Einflü$$en, $ie mögen heilende oder $chädliche $ein, in die$en vier Gruppen zu$ammen; in der er$ten die chemi$ch-dynami$chen Mittel, Arzneien und Gifte, φάρμακα, in der zweiten die mechani- $chen, welche zufällig oder zu Heilzwecken abnorme Tren- nungen und Vereinigungen im Körper hervorbringen, in der dritten, der Diätetik, die ver$chiedenen Lebenswei$en und ihre Einflü$$e, Folge von übermä{$s}igen An$trengungen von Organen u. $. f., in der Phrenygietik die Einflü$$e, welche die gei$tige und morali$che Seite des Men$chen auf den Körper übt. Er vindicirt die$e ausdrücklich den auf den Körper bezüglichen Wi$$en$chaften und $agt, da{$s} umgekehrt die Betrachtung der Einflü$$e, welche der Körper auf das gei$tige und gemüthliche Leben des Men$chen äu{$s}ert, in den Wi$$en$chaften des Gei$tes betrachtet werden mü$$en.

Die vier Wi$$en$chaften der Ge$undheitslehre lehren die Temperamente und Con$titutionen kennen, die Cra$iographie be$chreibt $ie, die Cra$iori$tik gibt ihre Diagno$e, die Hygio- nomie lehrt die Ge$etze, nach welchen die ver$chiedenen in- nern und äu{$s}ern Ur$achen bald $o, bald anders auf die ver$chiedenen Con$titutionen wirken, und die Prophylactik zeigt, wie man $ich davor zu $chützen hat.

Bei Ampère’s No$ologie i$t zu bemerken, da{$s} er auch hier beide Ge$ichtspunkte, Betrachtung der Krankheit an $ich, und Beobachtung der heilenden oder $chädlichen Einwirkun- gen, welche Arzneien ausüben, als gleich we$entlich fe$t hält; er verlangt z. B. in der No$ographie, da{$s} die einzelnen Krankheitsfälle, welche $ie lieferten, Alles enthalten $ollen, was angewendet worden i$t, $ammt allen wahr$cheinlichen Folgen davon; in der allgemeinen Therapie (welche er zu der No$ographie in da$$elbe Verhältni{$s} $tellt, in welchem die Zoonomie zur Zoographie, überhaupt immer $ein dritter [101] Ge$ichtspunkt zum er$ten $teht) $ollen die allgemeinen Ge- $etze entwickelt werden, nach welchen die einzelnen Krank- heiten bei ver$chiedenen Con$titutionen und unter der An- wendung ver$chiedener Arzneien verlaufen, ferner die Ge$etze des Vorkommens der ver$chiedenen Krankheiten in ver$chie- denen Klimaten und Gegenden, die Eintheilung der Krank- heiten in natürliche Gruppen, Familien, Ordnungen u. $. f. Die medicini$che Phy$iologie endlich hat die$elbe Stellung zu den Krankheiten, welche die Phy$iologie in der Botanik und Zoologie zu den Schilderungen des ge$unden Lebens hat.

Die vier Wi$$en$chaften endlich, in welche die practi$che Medicin bei Ampère zerfällt, $ind nichts als die techni$che Anwendung alles Vorhergehenden auf den einzelnen concre- ten Fall.

Die Anwendung des viertheiligen Schema’s auf die vier Wi$$en$chaften der dritten Ordnung i$t nur in der No- $ologie glücklich, in den drei andern Fällen, der medicini$chen Phy$ik, der Ge$undheitslehre und der practi$chen Medicin, i$t die Anwendung $ehr unrein und gezwungen.

Glücklicher i$t die Anwendung der vier Ge$ichtspunkte auf die vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung der medicini$chen Provinz, des autopti$chen Ge$ichtspunkts auf die unmittelbaren Beobachtungen der medicini$chen Phy$ik, des cryptori$ti$chen auf die bei die$en Wech$elwirkungen mit den Au{$s}endingen her- vortretenden ver$chiedenen Temperamenten und Con$titutionen, was allerdings etwas dem Auge Verborgenes i$t, des tro- ponomi$chen auf die No$ologie, welche die Ge$etze des vom ge$unden abweichenden, eines veränderten Zu$tandes des Organismus lehrt, endlich des cryptologi$chen Ge$ichtspunktes auf die practi$che Medicin, welche die Mittel $ucht, das hinter dem abgeirrten Zu$tand verborgene ge$unde Leben wieder hervorzuziehen und herzu$tellen.

[102] Fünftes Kapitel. Definitionen und Eintheilung der ver$chiedenen Provinzen der cosmologi$chen Wi$$en$chaften. A. Aufzählung und Definitionen.

In die$em das Ganze der Naturwi$$en$chaften umfa$- $enden Kapitel $ucht Ampère von den allgemein$ten Ge- $ichtspunkten aus die ver$chiedenen Zweifel zu lö$en, die über die Grenzverhältni$$e der ver$chiedenen Wi$$en$chaften herr$chen.

1) Die mathemati$chen Wi$$en$chaften.

Er be$timmt $ie als die Wi$$en$chaften, welche aus der An$chauung nur die Begriffe von Grö{$s}e und Maas ent- nehmen. Er findet $ich bewogen, die lächerliche Meinung zu widerlegen, als ob die mathemati$chen Wi$$en$chaften in das Gebiet der noologi$chen Wi$$en$chaften gehörten; die$e Meinung, $agt er, komme von der An$icht, da{$s} das mathe- mati$che Wi$$en nichts Objectives, Reales zu $einem Gegen- $tand habe, als ob es $ich ganz allein auf gei$tige An- $chauungen gründe; die$e An$icht, welche ihren Ur$prung von dem Uebergewicht des logi$chen Elements in der Ma- thematik nimmt, i$t, wie Ampère richtig bemerkt, ein Irr- thum, indem die Mathematik $o gut wie irgend eine Natur- wi$$en$chaft auf der Voraus$etzung gegebener An$chauung beruht. Mü$$en nicht $chon Zahlen beobachtet $ein, um nur den Begriff der Zahl zu haben; eben$o $ind bei der Geometrie die Eigen$chaften des Raums als unbeweisbare Voraus$etzung gegeben.

Die $charfe Abgrenzung gegen die phy$ikali$chen Wi$- $en$chaften macht ihm einige Verlegenheit. Er fühlt, da{$s} die mechani$chen Wi$$en$chaften eine mittlere, $elb$t$tändige Stel- [103] lung zwi$chen Mathematik und Phy$ik haben, wovon ich $päter reden werde.

2) Die phy$icali$chen Wi$$en$chaften.

Die$e Wi$$en$chaften haben mit denen der vorhergehen- den Provinz das Gemein$chaftliche, da{$s} $ie die Eigen$chaften der Körper zum Inhalt haben, welche die$elbe unabhängig von dem organi$chen Leben an $ich tragen. Sie be$chränken $ich jedoch nicht mehr auf diejenigen Eigen$chaften, welche der Beobachtung blos die Vor$tellungen von Grö{$s}e und Maas, welche allen Körpern gemein$am $ind, darbieten, $ondern $ie haben es mit den be$ondern Eigen$chaften zu thun, durch welche $ich die Körper von einander unter$chei- den; ferner $ind die phy$icali$chen Wi$$en$chaften nothwendig auf ein $pecielles Studium der Körper be$chränkt, welche im Bereich des Men$chen $tehen und die nicht au{$s}erhalb un$e- res Planeten liegen, während die mathemati$chen Wi$$en- $chaften das ganze Weltall umfa$$en.

Die Stelle, welche die Chemie in un$erer Eintheilung einnimmt, $cheint der gewöhnlichen Annahme zu wider$pre- chen; denn in un$erem Zu$ammenhang i$t $ie eine der vier Wi$$en$chaften dritter Ordnung, welche zu$ammen die allge- meine Phy$ik ausmachen, während man gewöhnlich von die$en beiden Wi$$en$chaften $pricht, als ob $ie zwar nahe mit einander verwandt, aber doch gewi$$erma{$s}en von einan- der unabhängig wären.

Nun i$t es klar, da{$s} zu jenen unorgani$chen Eigen- $chaften, welche die allgemeine Phy$ik erfor$cht, auch die Zu$ammen$etzung homogener Sub$tanzen gehört, mögen die- $elben aus organi$chen oder unorgani$chen Körpern ihren Ur$prung nehmen. Der Chemiker, welcher die$e Zu$ammen- $etzung $tudirt, hat es al$o mit einer von den Eigen$chaften zu thun, deren Ge$ammtheit der Gegen$tand der Phy$ik i$t, und die Chemie mu{$s} $omit als Theil der Phy$ik ange$ehen werden.

[104]

Nichts de$to weniger nimmt die Chemie wegen der Wichtigkeit und Mannigfaltigkeit der auf die Zu$ammen- $etzung homogener Körper bezüglichen That$achen eine Haupt- $telle unter den Wi$$en$chaften dritter Ordnung ein. Ie weiter die$e Wi$$en$chaft vorwärts $chritt, je mannigfaltiger ihre Beziehungen zu andern Wi$$enszweigen wurden, um $o $chwieriger wurde es, die Grenzen gegen die$elben $charf zu ziehen, und ich mu{$s} de{$s}halb noch einige nähere Bemer- kungen über die$e Sache beifügen.

Unter$uchen wir fürs er$te, wie $ich die Chemie von der Experimentalphy$ik unter$cheidet. Die$elbe hat es mit $ämmtlichen Eigen$chaften der Körper zu thun, in$oweit bei letztern die Art der Zu$ammen$etzung unverändert bleibt. Die Chemie dagegen unter$ucht einen Körper, entweder um ihn in $eine Elemente zu trennen, oder um einen Theil die$er Elemente unter $ich oder mit andern Körpern neue Verbindungen eingehen zu la$$en, oder endlich um ein neues Produkt dadurch zu bilden, da{$s} man zwei oder mehrere Sub$tanzen, ohne irgend eine vorgängige Zer$etzung mit einander verbindet. Die{$s} war lange Zeit die einzige Art, die beiden genannten Wi$$en$chaften zu unter$cheiden; in einigen neueren Werken jedoch hat man die$elbe mi{$s}kannt und verworfen. Wie man nemlich bei dem Unterricht in der Experimentalphy$ik mit der Unter$uchung der allgemei- nen Eigen$chaften der Körper beginnt, $o hegt man $eit einiger Zeit den Gedanken, jene Wi$$en$chaft ganz auf die ebengenannte Unter$uchung zu be$chränken und der Chemie die be$ondern Eigen$chaften der Körper zuzuwei$en. Die$e Abtheilung der in die$en beiden Wi$$en$chaften enthaltenen Wahrheiten kann nur unter der Bedingung zugela$$en wer- den, da{$s} man aus der Experimentalphy$ik den grö{$s}ten Theil der For$chungen verbannt, welche doch we$entlich zu der$el- ben gehören. Oder geht es wohl an, in die Chemie die Unter$uchung der magneti$chen Eigen$chaften zu ver$etzen, welche wir doch nur an einer geringen Anzahl von Metallen [105] beobachten? und eben$o i$t es mit den Eigen$chaften der Härte, der Zähigkeit, welche nur fe$ten Körpern zukommen; ferner mit den Eigen$chaften der Dehnbarkeit, der Hämmer- barkeit, den Wirkungen der Härtung und des Schmiedens, was alles wieder nur bei einigen Metallen vorkommt. Die{$s} $ind offenbar keine allgemeinen Eigen$chaften, aber $ie ge- hören nichtsde$toweniger in die Experimentalphy$ik. Nicht alle Körper $ind durch$ichtig, und diejenigen, welche es $ind, zeigen nicht alle doppelte Strahlenbrechung. Die{$s} $ind al$o wieder keine allgemeinen Eigen$chaften, und doch wird kein Men$ch läugnen, da{$s} $ie Gegen$tände des Phy$ikers $ind. Eben$o i$t es $eine Aufgabe, die Tabellen der $pecifi$chen Gewichte und aller durch Zahlen dar$tellbaren Eigen$chaften der Körper zu verfertigen; Sache des Chemikers aber i$t die Be$timmung, ob die$e Körper einfach oder zu$ammenge- $etzt $ind, und in letzterem Fall die Angabe der Elemente und Stoffe, aus denen $ie be$tehen, und der Proportionen, nach denen $ich die$e Elemente und Stoffe verbinden. Gibt es ferner nicht umgekehrt bei den Eigen$chaften, die ganz allein nur zu dem Inhalt der Chemie zu rechnen $ind, ge- wi$$e allgemeine That$achen, welche noch kein Men$ch aus der Chemie in die Phy$ik ver$etzt hat? und das mü{$s}ten doch folgerechter Wei$e diejenigen thun, welche die Betrachtung aller be$ondern Eigen$chaften aus der Phy$ik verbannen wollen, um der$elben nur die Unter$uchung der allgemeinen zu la$$en.

Eine andere Verwirrung be$teht hin$ichtlich der That- $achen, welche der Wahrheit nach der Chemie angehören, von den Mineralogen jedoch in das Gebiet ihrer Wi$$en- $chaft gezogen wurde. Die$e Verwirrung i$t viel älter und $ogar bis auf einen gewi$$en Grad durch die Gewohnheit geheiligt, und gerade de{$s}halb um $o $chwerer ins Gleiche zu bringen. In die$er Beziehung mu{$s} man die Grund$ätze im Auge behalten, welche wir aufge$tellt haben, um diejeni- gen Wahrheiten, welche der allgemeinen Phy$ik (die auch [106] das chemi$che Wi$$en in $ich begreift) zugehören, von den in den geologi$chen Wi$$en$chaften enthaltenen Wahrheiten zu unter$cheiden. Wir haben nemlich ge$ehen, da{$s} alles, was $ich auf die unorgani$chen Eigen$chaften der Körper bezieht, $oweit die$elben von räumlichen und zeitlichen Ver- hältni$$en unabhängig $ind, in die allgemeine Phy$ik gehört, während alle Veränderungen, welche die$e Eigen$chaften an ver$chiedenen Orten und zu ver$chiedenen Zeiten erleiden, in der Geologie betrachtet werden mü$$en. Nach der$elben Regel mu{$s} bei den auf die Zu$ammen$etzung der Körper bezüglichen For$chungen, dasjenige, was zur Chemie gehört, getrennt werden, von dem, was den Inhalt anderer Wi$$ens- zweige ausmacht.

Wenn es $ich um homogene Verbindungen handelt, wobei aber die Proportion der Be$tandtheile unbe$timmt i$t, $o be$itzt der Chemiker offenbar nur allgemeine Mittel, um die Analy$e jener Verbindungen zu machen, und die$e Ana- ly$en gehören in den Bereich der nachfolgenden Wi$$en- $chaften, je nach dem Bedürfni{$s}, welches die$elben haben können, die Zu$ammen$etzung der fraglichen Körper kennen zu lernen. So $ind zum Bei$piel die im Handel vorkom- menden ver$chiedenen Arten von Potta$che $olche unbe$timmte Zu$ammen$etzungen, deren Preis je nach dem Inhalt der- $elben an reiner Potta$che wech$elt. Der Chemiker hat nun die Aufgabe, eine allgemeine Methode zur Be$timmung die$er Quantität aufzu$tellen; i$t die$elbe aber einmal fe$tge$etzt, $o Anmerkung Ampère’s. Den Namen „allgemeine Phy- $ik” habe ich eben darum gewählt, um die obenbezeichnete Unab- hängigkeit von räumlichen und zeitlichen Verhältni$$en, den Grund- character der in jener Wi$$en$chaft enthaltenen Wahrheiten, auszu- drücken, im Gegen$atz z. B. zu der Geologie, welche man als die be$ondere Phy$ik jedes Orts betrachten kann, welche ihre nähere Be- $timmung vollends durch die ver$chiedenen Epochen erhält, durch die eine Abänderung in die Er$cheinungen kommt, welche die an einem be$timmten Ort befindlichen Körper bemerken la$$en. [107] gehört die Anwendung der Methode auf die$e oder jene be- $timmte, im Handel vorkommende Potta$che, in das Gebiet der indu$triellen Gewinnlehre. Eben$o gibt uns die Chemie eine allgemeine Methode der Analy$e der Mineralwa$$er; aber die Anwendung die$er Methode auf die Be$timmung der näheren Zu$ammen$etzung der in den ver$chiedenen Län- dern vorkommenden Mineralquellen gehört in die phy$i$che Geographie, welche uns die Eigenthümlichkeiten die$er ver- $chiedenen Länder $childert. Eben$o wird das Verhältni{$s} der Chemie zur Probirkun$t be$timmt, welche die Art und die Menge der in einem Mineral enthaltenen Metalle zu unter$uchen hat; eben$o ihr Verhältni{$s} zur landwirth$chaft- lichen Gewinnlehre, welche die chemi$chen Proce$$e auf die Analy$e der ver$chiedenen Bodenarten anwenden mu{$s}.

Anders verhält es $ich jedoch, wenn es $ich um eine be$timmte Zu$ammen$etzung handelt, die $ich unter allen Um$tänden gleich bleibt; in die$em Fall gehört die Be$tim- mung der Proportionen der einzelnen Be$tandtheile ganz allein der Chemie an. Es i$t dabei ganz gleichgültig, ob die Verbindung minerali$chen, pflanzlichen oder thieri$chen Ur$prungs i$t; denn den Fort$chritten, welche die Chemie durch die Entdeckungen eines Bercelius, Chevreul, Dumas u. $. f. gemacht hat, verdankt man es, da{$s} man wei{$s}, eine $olche Verbindung $ei entweder eine Säure, oder ein Orid, oder eine Chlor- oder Schwefelverbindung, oder ein Salz u. $. f.; und aus welchem Naturreiche die$e Verbindung auch ab$tammen mag, $o mu{$s} der Chemiker die Stellung der$elben in der Reihe der übrigen nachwei$en, gerade wie es $eine Aufgabe i$t, die Eigen$chaften der Salpeter$äure, des Ei$enorids, der E$$ig$äure, des Zuckers, des Weingei$tes, der Harn$äure, der Margarin$äure u. $. w. zu be$chreiben; de{$s}wegen hat auch die Chemie und nicht die Mineralogie das Ge$chäft, die Zahl der Atome des Sauer$toffs und Si- liciums zu be$timmen, aus welcher die Kie$elerde be$teht; $ie, die Chemie, mu{$s} angeben, da{$s} die primitive Ge$talt der [108] kry$talli$irten Kie$elerde ein Rhomboid i$t, de$$en Kantenwinkel 94° 24′ und 85° 36′ betragen; da{$s} der $ogenannte Quarz nichts i$t, als die$e Erde, u. $. w. Dagegen überlä{$s}t $ie einer$eits der Moleculärgeometrie das Ge$chäft, die ver$chie- denen Secundärformen aus der Primitivge$talt abzuleiten, andrer$eits bleibt es Sache der Mineralogie, die ver$chiedenen Quarzvarietäten aufzuzählen und den Character der ver- $chiedenen Terrainverhältui$$e, unter welchen er vorkommt, je nachdem er kry$tallini$ch, als compacte ge$taltlo$e Ma$$e oder als Sand er$cheint.

Zieht man auf $olche Art die Grenzlinien zwi$chen den beiden ebengenannten Wi$$en$chaften, $o i$t klar, da{$s} man bei meiner Auffa$$ungswei$e manche That$achen, die man bis jetzt der Mineralogie zutheilte, in die Chemie herüber- nehmen mu{$s}, und die{$s} i$t allemal dann der Fall, wenn $ich die That$achen auf Körper von be$timmter Zu$ammen$etzung beziehen, welche in jeder Beziehung denen gleichzu$tellen $ind, die man von jeher als den Inhalt der Chemie ange$ehen hat.

Der Irrthum, in welchen man in die$er Beziehung ver- fallen i$t, $chreibt $ich von dem Um$tand her, da{$s} man die minerali$chen Sub$tanzen lange vorher analy$irte, ehe die Chemie weit genug gekommen war, um über die Natur $olcher Sub$tanzen richtige An$ichten zu haben. Zwar mu{$s} zugegeben werden, da{$s} man bei der chemi$chen Unter$uchung der näch$ten Be$tandtheile der aus Pflanzen und Thieren genommenen zu$ammenge$etzten Körper noch eben$owenig zu den Theorieen durchgedrungen war, denen gemä{$s} jene Be- $tandtheile als Säuren, Oride, Salze u. $. w. ange$ehen werden mü$$en; als jedoch die Chemiker die$e Unter$uchungen an$tellten, beging man bei die$en Sub$tanzen nicht mehr den gleichen Irrthum; man $ah ein, da{$s} es der Chemie über- la$$en bleiben mü$$e, die Verhältni$$e der ur$prünglichen Be- $tandtheile $olcher Körper, ihre $aure, ba$i$che, $alzige Neutral- natur und die primitiven Formen ihrer Kry$talle zu be$tim- men, u. $. w. Es i$t nun Zeit, die ganz ent$prechenden [109] Unter$uchungen, welche man bei minerali$chen Sub$tanzen von be$timmter und unter allen Um$tänden $ich gleich blei- bender Zu$ammen$etzung an$tellt, ebenfalls der angeführten Wi$$en$chaft zu vindiciren.

Der Stellung gemä{$s}, welche ich der phy$i$chen Geo- graphie angewie$en habe, kommt $ie vor die Mineralogie zu $tehen, und da ich das Studium der ver$chiedenen Boden- formen und ihre Unter$cheidungsmerkmale auf die er$te der beiden vorhingenannten Wi$$en$chaften gründe, $o mu{$s} die$es Studium ganz unabhängig von den in der Mineralogie ent- haltenen Wahrheiten gemacht werden können. Mü{$s}te man freilich die kry$tallini$chen Formen, die Zu$ammen$etzung der Oride, der Chlorverbindungen, der Salze u. $. f., woraus die ver$chiedenen Bodenarten be$tehen, er$t in der letztge- nannten Wi$$en$chaft abhandeln, $o befände man $ich in einer gro{$s}en Verlegenheit; aber alle die$e Dinge finden, wie wir ge$ehen haben, ihre Stelle $chon in der Moleculärgeometrie und in der Chemie; $o ver$chwindet nun die ebenbezeichnete Schwierigkeit gänzlich, und wer $ich mit der phy$i$chen Geo- graphie abgibt, hat keine Kenntni$$e nöthig, welche er$t den Inhalt der Mineralogie bilden, um zu ver$tehen, da{$s} man mit dem Namen Granit ein Conglomerat von kleinen Kie$elerdekry$tallen (Quarz), von Feld$path, der Doppelver- bindung von Kie$elerde mit Alaunerde und Kali u. $. w. be- zeichnet. Wenn man von dem Studium der phy$i$chen Geo- graphie zu dem mineralogi$chen übergeht, $o be$itzt man be- reits die Kunde von den ver$chiedenen Bodenarten, welche der Mineralogie unentbehrlich i$t.

Die Mineralogie hat dann nichts weiter zu $agen, als: die{$s} oder jenes Bodenproduct oder Steinart findet $ich in die$em be$timmten Terrain und zeigt da$elb$t die$e und jene Spielarten. Gerade eben$o $agt der Anatom z. B.: das Knochengewebe findet man nur bei denjenigen Thieren, welche ein inneres Gerü$te haben, und hat bei den mei- [110] $ten im Wa$$er lebenden Thieren die be$ondern Eigen$chaften der Fi$chgräte, im Gegen$atz zu den Knochen der übrigen Wirbelthiere, oder: das Athmungsorgan ver$chwindet bei denjenigen Thieren, deren einfacherer Bau ge$tattet, da{$s} die allgemeinen Bedeckungen die Athmungsfunction übernehmen; in dem einen Fall kommt das Ath- mungsorgan als Lunge, im andern als Kieme vor.

3) Die naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften.

Der Character die$er Wi$$en$chaften i$t durch den Ge- gen$atz, welcher zwi$chen den Da$einsformen organi$chlebendiger und unorgani$cher Körper $tattfindet, $o $charf be$timmt, da{$s} ihre Definition nicht der minde$ten Schwierigkeit unterliegt. Die eigenthümliche Da$einsform organi$chlebendiger Körper be$teht in den ununterbrochenen Veränderungen, welche jene Körper durchlaufen mü$$en, indem $ie fortwährend neue Stoffe zur Erhaltung ihrer Eri$tenz aufnehmen, und alte, welche abgenützt $ind, ab$to{$s}en. Sie ent$tehen immer aus Individuen, welche ihnen ähnlich $ind, wach$en, reproduciren $ich und $terben, während ein unorgani$cher Körper ohne Ende fortexi$tiren kann, wenn nicht ein zer$törender Einflu{$s} auf ihn wirkt.

Wenn die unter$cheidenden Charactere der organi$chen We$en keine Schwierigkeit machen, $o i$t die{$s} auch nicht der Fall in Beziehung auf die Stellung, welche die auf die or- gani$chen Körper bezüglichen Wi$$en$chaften in einer natür- lichen Cla$$ification annehmen mü$$en. Wenn man auch davon ab$ehen will, da{$s} für die$e Wi$$en$chaften die vorher- gehenden wichtige Hülfswi$$en$chaften $ind, $o wird die von uns angenommene Ordnung $chon durch die einfache Be- trachtung gerechtfertigt, da{$s} ein organi$chlebendiger Körper auch alle mathemati$chen und phy$icali$chen Eigen$chaften der unorgani$chen Materie an $ich trägt, und da{$s} die Lebens- er$cheinungen gar nicht begriffen werden können, wenn man [111] nicht wenig$tens allgemeine Begriffe von der ge$ammten Au{$s}enwelt hat, in welcher $ich die organi$chen We$en be- finden, welche ihnen den Boden gewährt, woraus die Pflanze $ich nährt, auf dem das Thier $ich bewegt, welche ihnen die Luft gibt, in der beide athmen, das Licht, das beiden gleich nothwendig i$t, u. $. f.

Von den beiden Krei$en, welche zu$ammen die Provinz der naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften ausmachen, bezieht $ich der er$te auf die Pflanzen, welche blos Leben be$itzen, d. h. welche blos ent$tehen, wach$en, $ich reproduciren und ab- $terben. Der zweite Kreis bezieht $ich auf die Thiere, welche au{$s}erdem noch die Empfindung, die $elb$tthätige Bewegung und die zur Erzeugung der letztern nothwendigen Muskel- kräfte haben.

Auch bei die$er Provinz $ucht Ampère $chwankende Grenzen $chärfer zu be$timmen, und ich hebe hier heraus, was er über das Verhältni{$s} zwi$chen Anatomie und Phy- $iologie, $owie über die Beziehung der Zoologie und Zoo- technie zur Medicin $agt. Wenn er die Phy$iologie der Pflanzen und der Thiere $o be$timmt, da{$s} $ie die Funktionen der einzelnen Theile lehren, $o will er den Begriff von Funk- tion nicht $o weit gefa{$s}t wi$$en, da{$s} die Phytographie und Zoographie, eben$o die Anatomie der Pflanzen und Thiere nicht $ollte $agen dürfen, was die Thätigkeit und der Zweck der von ihnen ge$childerten Organe i$t. Er fa{$s}t vielmehr Erkenntni{$s} der Funktion in dem engern Sinn, da{$s} die Phy$iologie die Aufgabe habe, die Ur$achen zu unter$uchen, welche erklären, da{$s} Organe von einer be$timmten Form und Mi$chung gerade die$e und keine andere Thätigkeit äu{$s}ern.

Bei dem Verhältni{$s} der Zoologie und Zootechnie zur Medicin wirft er $ich die Frage auf, warum die medicini$chen Wi$$en$chaften ganz getrennt von den zoologi$chen abge- handelt werden, während bei den phytologi$chen Wi$$en- $chaften keine $olche Trennung $tattfinde. Wir thun an Am- père die gleiche Frage: die Antwort, welche er $ich und uns [112] ertheilt, i$t rein aus äu{$s}erlichen Motiven genommen, „die medicini$chen und veterinären Wi$$en$chaften haben einen $olchen Umfang, da{$s} man $ie als $elb$t$tändige Wi$$en$chaften behandeln mu{$s}; auch werden die in ihnen gelehrten Ver- fahrungsarten von einer andern Cla$$e von Men$chen geübt, als die, welche die Zootechnie in Ausübung bringen.” Wir werden $päter die$e äu{$s}erlichen Gründe einer Kritik unter- werfen.

4) Die medicini$chen Wi$$en$chaften.

Hier gibt Ampère unter Wiederholung des Ebenge$agten die Gründe an, warum er nicht die Phy$iologie und Ana- tomie unter die medicini$chen Wi$$en$chaften ge$tellt habe, da man doch gewöhnlich jene beiden nur im Zu$ammen- hang mit der Medicin $tudire. Er $ieht in dem Zeitmangel der Medicin$tudirenden den Grund, da{$s} das Studium jener beiden Wi$$en$chaften nicht als $elb$t$tändiges Studium der Zoologie, $ondern als blo$er Anhäng$el des medicini$chen Studiums er$cheine, und $agt ganz richtig, da{$s} $olche äu{$s}er- lichen Gründe ihn nicht zur Trennung der Anatomie und Phy$iologie von den zoologi$chen Wi$$en$chaften bewegen können; $ind denn aber $eine Gründe für die Trennung der ganzen Medicin, als einer $elb$t$tändigen Wi$$en$chaft, we- niger äu{$s}erlich?

B. Cla$$ification. Reich. # Gebiete. # Provinzen. Cosmologi$che \\ Wi$$en$chaften. # Cosmologi$che Wi$- \\ $en$chaften im en- \\ gern Sinn. # Mathemati$che Wi$$en- \\ $chaften. # # Phy$icali$che Wi$$en- \\ $chaften. # Phy$iologi$che Wi$- \\ $en$chaften. # Naturhi$tori$che Wi$- \\ $en$chaften. # # Medicini$che Wi$$en- \\ $chaften.

Ampère wendet auch auf die$e Eintheilung die vier Ge$ichtspunkte an, was wir gleich ausführlich be$prechen [113] werden. Von $einen Schlu{$s}bemerkungen heben wir folgende aus: Weil es $o tief in dem We$en un$eres Gei$tes ge- gründet i$t, bei einem $tufenwei$en Studium $ämmtlicher Wi$$ensgegen$tände jenen vier Ge$ichtspunkten zu folgen, $o erklärt es $ich, warum die er$ten Gründer der Wi$$en$chaft, ihnen $elber unbewu{$s}t, $ich von den$elben leiten lie{$s}en, warum die Gruppen von Wahrheiten, welche man von jeher als be$ondere Wi$$en$chaften an$ah, die$en ver$chiedenen Ge$ichtspunkten ent$prachen, ohne da{$s} man ihre Eri$tenz ahnte, gerade wie $ich der Men$ch $einer körperlichen Organe bedient, und $eine gei$tigen Vermögen auf mancherlei Ge- gen$tände anwendet, ohne weder den innern Bau der einen, noch die Natur der andern zu kennen. Fand $ich einer die$er $chöpferi$chen Gei$ter getrieben, einen Gegen$tand unter ei- nem gewi$$en Ge$ichtspunkt zu erfor$chen, $o ent$prang aus die$em Unternehmen eine dem genannten Ge$ichtspunkt ent- $prechende Wi$$en$chaft, ohne da{$s} er de{$s}halb von dem$elben eine Vor$tellung gehabt hätte. Fa{$s}te man den$elben Gegen- $tand unter einem andern Ge$ichtspunkt auf, $o ent$tand eine andere Wi$$en$chaft. Wären die$e Arbeiten $chon vollendet, $o würden alle Zweige un$eres Wi$$ens, die ich bis jetzt auf- gezählt habe, bereits ihre Namen bekommen haben, und meine Eintheilung wäre $o zu $agen, ganz von $elb$t ent$tanden. Ich hätte blos noch die bereits benannten Wi$$en$chaften in die durch die vier Ge$ichtspunkte be$timmte natürliche Ordnung einreihen dürfen. So verhielt es $ich jedoch nicht, und obgleich alle, von welchen ich bis jetzt ge$prochen habe, wirklich bearbeitet worden $ind, $o hatten doch mehrere noch keine Namen, und waren gewi$$erma{$s}en ganz verkannt. Nur durch Analogie kam ich zur Entdeckung $olcher noch nicht bekannten Wi$$en$chaften; denn von den Ge$ichtspunkten hatte ich $elb$t noch nicht die minde$te Ahnung. Auch war ich $elb$t von der genauen Symmetrie überra$cht, welche ich in allen Theilen des in die$em Werke auseinanderge$etzten Sy$tems bemerkte; ja für mehrere Per$onen, denen ich da$$elbe [114] mittheilte, gab eben die$e Symmetrie einen Grund ab, das Sy$tem als ein kün$tliches anzu$ehen. Nun aber $ieht man den Ur$prung die$er Symmetrie ein; man $ieht, warum gerade eine Vierzahl von Provinzen $ein mu{$s}, warum jede Provinz $ich in eine gleiche Anzahl von Krei$en und von Wi$$en- $chaften der er$ten, zweiten, dritten Ordnung abtheilt; man $ieht, da{$s} alles die{$s} $einen Grund darin hat, da{$s} jene Ge- $ichtspunkte, von welchen $ich die Gründer der ver$chiedenen Wi$$en$chaften, ihnen $elb$t unbewu{$s}t, leiten lie{$s}en, der Zahl nach immer die$elben bleiben, weil $ie $ich auf die Natur un$eres Denkens gründen. Gibt man $ich $olcherge$talt Rechen$chaft von jener Symmetrie, $o erkennt man leicht, wie irrig es $ei, aus der$elben auf die Kün$tlichkeit des Sy$tems zu $chlie{$s}en, in welchem $ie vorkommt, und da{$s} man im Gegentheil hätte vorauswi$$en können, da{$s} $ie $ich in einem natürlichen Sy$tem des men$chlichen Wi$$ens geltend machen mü$$e, $obald nur da$$elbe eine voll$tändige Li$te aller Wi$$en- $chaften enthält, und jede Gruppe von Wahrheiten, die eine $olche in der That und Wahrheit i$t, gemä{$s} der Natur un$erer Gei$testhätigkeiten und der Gegen$tände der$elben, ihren gehörigen Namen erhalten hat. Reiht $ich eine neue Wi$$en$chaft nicht ein in die bereits gemachten Abtheilungen und Unterabtheilungen, $o wird $ie eine Lücke ausfüllen in einer noch unvollendeten Cla$$ification. Die$e Lücke mu{$s} $ich aus der Analogie ergeben, und wenn die Wi$$en$chaft, welche die$elbe ausfüllen $oll, auch nur im Umri{$s} vorhanden i$t, $o mu{$s} man ihr doch einen Namen geben, um die Blicke derer auf $ie zu richten, welche im Stand $ind, $ie nach allen möglichen Seiten hin zu entwickeln und zu vollenden. Wenn man nun die$en Weg ein$chlägt, den auch ich, und wie ich glaube, mit Recht einge$chlagen habe, $o gibt es $ich ganz von $elb$t, da{$s} man für die ver$chiedenen Zweige un$eres Wi$$ens neue Wi$$en$chaften auf$tellt, welche gerade wegen ihrer Abkunft von der Analogie, jene Symmetrie erzeugen, welche man mir zum Vorwurf machen zu mü$$en glaubte, [115] Ich bin freilich weit entfernt, die$elbe als einen Grund für die Annahme meiner Cla$$ification geltend zu machen; ich wollte vielmehr nur einem Vorwurf begegnen, indem ich nachwies, da{$s} die$elbe ihren natürlichen Grund in dem We$en un$erer gei$tigen Thätigkeiten hat.

Ehe wir die Critik über Ampère’s Sy$tem beginnen, wird es gut $ein, den Ueberblick $eines Sy$tems, wenig$tens bis zu den Wi$$en$chaften er$ter Ordnung vor Augen zu haben.

[116] Reich. # Gebiete. # Provinzen. # Krei$e. # Wi$$en$chaften er$ter \\ Ordnung. Cosmologi$che \\ Wi$$en$chaf- \\ ten. # Cosmologi$che \\ Wi$$en$chaften \\ im engern Sinn. # Mathemati$che Wi$$en- \\ $chaften. # Mathemati$che Wi$$en- \\ $chaften im engern Sinn. # Arithmologie. # # # # Geometrie. # # # Phy$icali$chmathemati- \\ $che Wi$$en$chaften. # Mechanik. # # # # Uranologie. # # Phy$icali$che Wi$$en- \\ $chaften. # Phy$icali$che Wi$$en$chaf- \\ ten im engern Sinn. # Allgemeine Phy$ik. # # # # Technologie. # # # Geologi$che Wi$$en$chaf- \\ ten. # Geologie. # # # # Oryktotechnie. # Phy$iologi$che \\ Wi$$en$chaften. # Naturhi$tori$che Wi$$en- \\ $chaften. # Phytologi$che Wi$$en$chaf- \\ ten. # Botanik. # # # # Agricultur. # # # Zoologi$che Wi$$en$chaf- \\ ten im weitern Sinn. # Zoologie. # # # # Zootechnie. # # Medicini$che Wi$$en- \\ $chaften. # Phy$i$chmedicini$che Wi$- \\ $en$chaften. # Medicini$che Phy$ik. # # # # Ge$undheitslehre. # # # Medicini$che Wi$$en$chaf- \\ ten im engern Sinn. # No$ologie. # # # # Practi$che Medicin. [117] Critik der Ampère’$chen Cla$$ification.

Wir haben in die$er Eintheilung eine Reihe von 64 Wi$$en$chaften, welche alle in einer be$timmten Ordnung auf einander folgen und in Gruppen abgetheilt $ind, von denen wieder da$$elbe gilt. Ampère legt auf die richtige Aufeinanderfolge den$elben Werth, wie auf die richtige Ein- theilung in be$ondere Gruppen; und bei der Beurtheilung mü$$en wir auf beides gleiche Rück$icht nehmen.

La$$en wir al$o für’s Er$te alle Ein$chnitte weg, durch welche die Reihenfolge unterbrochen und die ganze Kette in be$ondere Haufen getrennt i$t, und fragen wir; i$t nicht etwas ausgela$$en? $teht nichts vorne, was $päter kommen $ollte, und umgekehrt? Ich glaube, da{$s} alle meine Le$er ein$timmen werden, da{$s} die Reihenfolge vollkommen tadellos i$t; $ie i$t eben$o methodi$ch in wi$$en$chaftlicher Beziehung als überein$timmend mit der Natur der Dinge. Von der Arithmographie an hinauf bis zur letzten Wi$$en$chaft der practi$chen Medicin i$t das Ge$etz fe$tgehalten, da{$s} man nie auf ein Späterkommendes verwie$en wird, i$t immer das Einfachere, das Niedere, welches im Höheren und Ver- wickelteren als Bedingung enthalten i$t, vorange$tellt, und die$e Aufgabe einer natürlichen Cla$$ification i$t in genialer, $chlichter Wei$e gelö$t.

Man kann die$e Aufeinanderfolge in einem $ubjectiven Sinn (der wi$$en$chaftlichen Methode) und in einem ob- jectiven Sinn, als Verhältni{$s} der Dinge $elb$t unter ein- ander, auffa$$en; und wiewohl Ampère den er$tern Sinn voran$tellt, $o verkennt er doch die objective Bedeutung [118] $einer natürlichen Methode keineswegs. Die{$s} bewei$en ver- $chiedene Andeutungen, z. B. man könne $ich recht wohl das Pflanzenreich ohne Thierreich, nicht aber umgekehrt denken, und er$t aus die$em objectiven Verhältni{$s} folgert er auch die $ubjectivmethodi$che Beziehung, der Botaniker brauche nichts von der Zoologie zu wi$$en, wohl aber mü$$e der Zoolog auf die Botanik $ich beziehen.

Man kann die$e objective Seite der methodi$chen Reihen- folge ganz leicht als allgemeines Ge$etz $ich zur An- $chauung bringen. Der Men$ch trägt als Werkzeug und Bedingung $einer gei$tigen Thätigkeit den Leib an $ich, mit dem animali$chen Lebensproce{$s}, Sinnesempfindung und freier Bewegung; das Thier trägt den vegetativen Lebensproce{$s} in $ich; das Leben der Pflanze i$t bedingt durch den Be$tand ihrer einzelnen Organe und Gewebtheile, welche durch eine Art von Kry$talli$ation ent$tehen; dem Kry$tall, dem Stein, überhaupt jeglichem Ding, $ofern es einen gewi$$en Form- be$tand hat, dient als nothwendige Grundlage ein Sein mit gewi$$en phy$i$chen Qualitäten. Eben$o kann man $ich die$e phy$i$chen Oualitäten nicht denken, ohne da{$s} $ie einer Ma- terie adhäriren; man kann $ich die$e Materie und ihre Ac- tion, die Bewegung, nicht denken, ohne einen Raum, den $ie ausfüllt, ohne eine Zeit, in der Ruhe und Bewegung verläuft. In die höheren Seinsformen involviren al$o alle re$pectiven niedern Formen, aber nicht umgekehrt. Wird von einer Lebensform eine der in ihr $teckenden Unterlagen oder alle hinweggedacht, $o denkt man etwas Unmögliches, während man nichts Unmögliches denkt, wenn man die höch$te Seite einer Lebensform hinwegdenkt, $obald nur über- haupt noch ein Formbe$tand und nicht ein blo{$s}es Ab$tract übrig gela$$en wird. Die{$s} i$t das Ge$etz der organi- $chen Stufenverhältni$$e, welches wir unten noch näher betrachten werden, und das der Methodik Ampère’s unläugbar und ausge$prochener Maa{$s}en zu Grunde liegt.

Wir gehen nun zu einer Beurtheilung der Am- [119] père’$chen Gruppen über; $ind die einzelnen Gruppen richtig gebildet, und $ind die richtig gebildeten Gruppen auch naturgemä{$s} zu$ammenge$tellt? An der Bildung $einer Wi$$en$chaften dritter Ordnung wird man kaum etwas aus$etzen können, und wir fragen nun zunäch$t, $ind die Wi$$en$chaften dritter Ordnung auf richtige Wei$e in den Wi$$en$chaften er$ter Ord- nung zu$ammengefa{$s}t? I$t nichts in einer Wi$$en- $chaft er$ter Ordnung, was nicht in die$elbe gehört, oder aber, fehlt nicht etwas, was we$entlich in eine $olche gehört? Die er$te Frage wird man @ohl zu Gun$ten Ampère’s ver- neinen mü$$en; dagegen die Frage nach der Voll$tändigkeit der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung kann man nicht durch- gängig zu $einen Gun$ten bejahen.

Zur Beantwortung die$er Frage gibt uns Ampère $elb$t den Maa{$s}$tab in $einem viertheiligen Schema, in den vier Ge$ichtspunkten. Die$er Eintheilungsgrund, welcher das ganze Sy$tem regiert, i$t von ungemeinem Intere$$e. Ich $preche hier nur vorläufig die Ueberzeugung aus, welche ich nachher, wenn auch nur auf $kizzenhafte Wei$e begründen werde, da{$s} in die$en vier Ge$ichtspunkten die Grundlage gegeben i$t, für den richtigen Organismus der Categorieen des Denkens, und weil es ein und da$$elbe Urwe$en i$t, welches die Welt und un$ern Gei$t, und in die$em Gei$t die Fähigkeit, die Welt in Gedanken zu ergreifen, $chuf, $o $ind jene vier Ge$ichtspunkte auch die Categorieen alles Seins, und die Mittel, da$$elbe zu ver$tehen und zu begreifen. In die$er Ueberein$timmung un$eres Denkens mit dem Sein liegt auch das Recht Ampère’s, das er, ohne lange $ich zu be$innen, $ich vindicirt, die vier Ge$ichtspunkte nicht blos auf die Eintheilung der Wi$$en$chaften dritter Ordnung, $ondern auch auf die Eintheilung der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung und der Provinzen anzuwenden. Die Anwendung auf je vier Wi$$en$chaften dritter Ordnung zeigt blos die $ubjectivmethodi$che Seite der vier Ge$ichtspunkte; denn es [120] i$t ein und der$elbe Gegen$tand, der in vier zu- $ammengehörigen Wi$$en$chaften dritter Ordnung nur von ver$chiedenen Ge$ichtspunkten aus abgehandelt wird. Werden aber auch vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, ja vier Pro- vinzen auf die$elbe Wei$e eingetheilt, dann werden den ver- $chiedenen Ge$ichtspunkten auch ver$chiedene Gegen$tände zu- getheilt, es wird vorausge$etzt, die$e ver$chiedenen Ge- gen$tände $eien $elb$t wieder nur vier ver$chie- dene Auffa$$ungswei$en eines gemein$amen allgememeinen Objectes, $ie $eien die vier Gedanken- $tufen, nach welchen ein höherer Gei$t die Gebiete der Eri$tenzen hervortreten la$$e.

Wir reden nun zuer$t von der $ubjectiven methodi$chen Seite, welche in der Eintheilung der Wi$$en$chaf- ten dritter Ordnung allein hervortritt, und legen an die$e Eintheilung den Maa{$s}$tab der vier Ge$ichtspunkte, die wir, wie bereits ge$agt, als er$chöpfend an$ehn. I$t einem der vier Ge$ichtspunkte eine Wi$$en$chaft dritter Ordnung zugetheilt, welche ihm nicht ent$pricht, $ondern einem andern Ge$ichtspunkt zugehört, $o hat der er$tere keine ent$prechende Wi$$en$chaft, und da bei jedem Objecte alle vier Auffa$$ungs- arten vorkommen mü$$en, $o i$t für den genannten Fall eine Lücke nachgewie$en. Gehen wir zu dem Ende die ver- $chiedenen Wi$$en$chaften dritter Ordnung durch, $o $ind, un$eres Erachtens, bei den rein mathemati$chen Wi$$en- $chaften, bei den Wi$$en$chaften der allgemeinen Phy$ik und bei einer Wi$$en$chaft er$ter Ordnung der medicini$chen Pro- vinz, die vier Ge$ichtspunkte nicht rein durchgeführt, und zwar i$t $onderbarer Wei$e gerade der vierte, der cryptolo- gi$che Ge$ichtspunkt, mei$tens der verunglückte. Die vierte Wi$$en$chaft, welche Ampère unter der Arithmologie begreift, die Wahr$cheinlichkeitsrechnung, enthält nur eine Ahnung von dem, was die$e Wi$$en$chaft $ein $ollte. Die Frage nach der Wahr$cheinlichkeit eines oder mehrerer Fälle berührt aller- dings die höch$te Grenze der Mathematik, jen$eits welcher [121] die Herr$chaft der letztern aufhört. Die Mathematik kann z. B. be$timmen, wie oft ein gewi$$er Um$tand eintreten kann, gegenüber von der Zahl der Fälle, in welchen er nicht eintreten kann. Die$e quantitative Seite der Frage kann $ie lö$en, und die Antwort i$t eine Wahr$cheinlichkeit; da{$s} aber ein Um$tand auf die$e oder jene Wei$e eintreten wird, ߞ die Gewi{$s}heit davon haben wir nur, wenn es uns möglich i$t, über die blo$e Quantität hinaus, die Oua- lität der Dinge, ihr We$en und reellen Zu$ammenhang zu wi$$en. Die$es Wi$$en i$t kein mathemati$ches Wi$$en mehr, und die Fragen nach Wahr$cheinlichkeit und Gewi{$s}heit mü$$en $omit aufgeworfen werden in einer Wi$$en$chaft, welche die Begriffe der Grö{$s}e nach $einem ganzen Umfang, $einen Grenzen und $einen Beziehungen zu andern Begriffen unter$ucht. Die$e Wi$$en$chaft allein, eine Philo$ophie der Grö{$s}enlehre, kann dem vierten Ge$ichtspunkt der Arithmologie ent$prechen; denn der vierte Ge$ichtspunkt einer Wi$$en$chaft er$ter Ordnung $oll ja die letzten we$entlichen Ur$achen, in welchen alle Beziehungen und Ge$etze eines Gegen$tandes erklärt und zu$ammengefa{$s}t $ind, unter$uchen. Was aber Ampère als letzte Wi$$en$chaft der Arithmologie auf$tellt, i$t nur eine einzelne Beziehung die$er po$tulirten Wi$$en$chaft. Gine ähnliche Ahnung hatte Ampère bei Auf- $tellung der Moleculärgeometrie; die$e $cheint nichts zu $ein, als eine $tereometri$che Frage, wie auch die Wahr- $cheinlichkeitsrechnung an $ich nur eine Seite der Combina- tionenlehre i$t; und doch berührt die Moleculärgeometrie, nach Ampère’s Begriffsbe$timmung, den$elben höch$ten Punkt, wie $eine vierte arithmologi$che Wi$$en$chaft. Wenn er nem- lich der Moleculärgeometrie geradezu die Aufgabe $tellt, die Primitivformen kry$talli$ationsfähiger Körper aus den durch die Beobachtung gegebenen Secundärformen, und umgekehrt, abzuleiten, $o i$t klar, da{$s} hier wiederum die Beziehung des blo$en quantitativen Wi$$ens auf ein Gebiet von reellen Dingen ausge$prochen i$t. Nun i$t bekannt, da{$s} die Ste- [122] reometrie $ich mehr Form$y$teme möglich denken kann, als die Kry$tallwelt aufwei$t. Es $ind al$o einige $tereometri$che Möglichkeiten durch das Ge$etz des Lebens zu Wirklichkeiten erhoben, andere $ind dadurch ausge$chlo$$en; es i$t al$o auch hier wieder die Frage nach der Grenze aufgeworfen und $omit die Unter$uchung des Grundbegriffs der quantitativen Be$timmung zur Aufgabe gemacht. Was hier von der Aus- $chlie{$s}ung mehrerer Möglichkeiten und der Ein$chränkung auf eine be$timmte Zahl wirklicher Fälle ge$agt i$t, gilt auch von den ver$chiedenen Grö{$s}enbe$timmungen einer und der- $elben Sache. Iedes lebendige Ding hat ein gewi$$es Maa{$s}, d. h. es kann eine gewi$$e räumliche Ausdehnung erreichen, und grö{$s}ere Ausdehnungen $ind ihm durch $eine Natur ver- $agt. Was i$t für eine jede Gattung von Dingen der Grund, der ihnen ihre Quantität be$timmt; man könnte $chon a priori $agen, der Grund mü$$e im eigenthümlichen Quale des Dinges liegen, wenn man nicht auch a posteriori darauf geführt wäre. Man $ieht nemlich, da{$s} ein Ding $o lang $eine Quantität ändert, als es nach $einem eigenthüm- lichen Quale noch nicht voll$tändig ausgebildet i$t. I$t aber die{$s} ge$chehen, $o hört auch das Wachsthum auf. Mit der Erreichung der qualitativen Eigenthümlichkeit hat ein Leben- diges auch das ihm eigene Quantum erreicht, das es nun auch nicht weiter verändert. Al$o auch hier wird man wieder an die Grenz$cheide der Mathematik geführt, und die$e mu{$s} die$elbe aus dem allgemeinen Begriff der Grö{$s}e be- $timmen. Schon Hegel hat eine Wi$$en$chaft der Maa{$s}e po$tulirt, welche noch nicht eri$tire; und $o weit auch bis jetzt die Mathematik ihre Arme und Fü{$s}e in alle Weiten des Univer$ums aus$treckt, $o fehlt ihr noch der Kopf. Ampère hat die{$s} geahnt bei der Auf$tellung der beiden letzten Wi$$en- $chaften in der Arithmologie und Geometrie.

Die gleiche Aus$tellung mü$$en wir bei der vierten Wi$$en$chaft der allgemeinen Phy$ik machen. Auch hier hat Ampère gefühlt, da{$s} die phy$icali$chen und chemi$chen Wi$$en- [123] $chaften einer Wi$$en$chaft bedürfen, welche die Mannig- faltigkeit der in ihnen gelehrten Er$cheinungen in einem er- klärenden Mittelpunkt zu$ammenfa{$s}t und um die $ich bis jetzt Phy$iker und Chemiker ungemein wenig bekümmert haben. Nach welchen Ge$etzen theilt $ich die Ge$ammtheit der Elemente in gewi$$e Gruppen, nach welchen Ge$etzen theilen $ich die be$onderen Gruppen in die einzelnen Elemente? welches $ind die Gründe ihrer electri$chen und galvani$chen Bezie- hungen und ihrer chemi$chen Affinitäten unter einander? Die$e Fragen drängen $ich nothwendig auf, nachdem man das Detail aller die$er Er$cheinungen durchlaufen. Schon die Con$tanz der Mi$chungsgewichte, welche die einzelnen Elemente in allen Verbindungen behaupten, führen auf die Annahme, da{$s} alle die$e Elemente zu$ammen ein Ganzes mit einander bilden, de$$en Gliederung von einem einfachen Ge$etz beherr$cht $ein mu{$s}, wie die Wech$elwirkungen $einer Theile. Die$e philo$ophi$che Phy$ik fehlt noch eben$o, wie die Philo$ophie der Grö{$s}e. Ampère hat das Bedürfni{$s} einer $olchen Wi$$en$chaft gleichfalls empfunden, aber $eine Atomologie wird da$$elbe $chwerlich befriedigen, denn nicht durch Zerlegung der Elemente in ihre klein$ten Theile, $ondern durch Betrachtung des Zu$ammenhangs, in dem jedes Element mit der Ge$ammtheit aller übrigen Elemente $teht, findet man das Ge$etz, das das Ganze und das Einzelne beherr$cht.

Bei den medicini$chen Wi$$en$chaften könnte man bei der Prophylactik und Progno$e zweifeln, ob $ie wohl den cryptologi$chen Ge$ichtspunkt voll$tändig reprä$entiren, da man gewöhnlich beide Wi$$en$chaften nur in einem be- $chränkten Sinn auffa{$s}t und fa$t wie Neben$achen behandelt. Man kann jedoch in der That in die$en Wi$$en$chaften das Siehe hierüber meine Schrift: „We$en der Natur.” Bei Ebner und Seubert, Stuttgart 1839. [124] zu$ammenfa$$ende Re$ultat der ihnen vorausgegangenen Wi$- $en$chaften dritter Ordnung $ehen, in der Prophylactik die Zu$ammenfa$$ung der ganzen Hygieine, in der Progno$e das Ge$ammtre$ultat des ärztlichen Urtheils über einen practi$chen Fall.

Ganz unrein $ind die vier Punkte durchgeführt in Am- père’s medicini$cher Phy$ik. Hier gehören offenbar alle vier Wi$$en$chaften, die Ampère auf$tellt, ihrem Object nach, in den er$ten Ge$ichtspunkt, der alle die $chädlichen oder heil$amen Einflü$$e, mögen nun chemi$che oder mecha- ni$che oder gei$tige Ur$achen auf den Organismus einwirken, $emiographi$ch zu betrachten hat. Der zweite Punkt mu{$s} $ie anatomi$ch-diagno$ti$ch unter$uchen. Die Wi$$en$chaft des dritten Punkies mu{$s} die Ge$etze auf$uchen, nach welchen die ver$chiedenen Einflü$$e auf ver$chiedene Art wirken mü$$en, und die Wi$$en$chaft des cryptologi$chen Ge$ichtspunktes mu{$s} die$e Ge$etze auf einen letzten gemein$amen Grund zurück- führen. An Stoff für die$en vierten Punkt hätte es Am- père $chwerlich gefehlt, wenn er Arzt gewe$en wäre und ge$ehen hätte, welcher Wirrwarr in den Begriffen über or- gani$che Reaction herr$cht, wo der eine alle Symptome als Heil$ymptome auffa{$s}t, während Andere den Organismus zum pa$$iven Zu$chauer eines in ihn eingedrungenen fremden Lebensproce$$es macht. Die Grundge$etze der organi$chen Reaction mü$$en in die$er vierten Wi$$en$chaft der medicini- $chen Phy$ik abgehandelt werden, weil nur hier, wo die Einwirkungen $charf vor Augen liegen, etwas Klares über die Wech$elwirkungen zwi$chen Organismus und krankhafter Affection ge$agt werden kann. Die$e hier von uns po$tulirte vierte Wi$$en$chaft der medicini$chen Phy$ik i$t unerlä{$s}liche Voraus$etzung der medicini$chen Phy$iologie, welche Ampère ganz richtig als die vierte Wi$$en$chaft der No$ologie auf- ge$tellt hat.

Nachdem wir nun die Frage beantwortet, ob die Wi$$en- $chaften dritter Ordnung auf richtige Wei$e in den Wi$$en- [125] $chaften er$ter Ordnung zu$ammenge$tellt $ind, fragen wir da$$elbe in Betreff der Wi$$en$chaften er$ter Ordnung und ihrer Zu$ammen$tellung in Provinzen. I$t in keiner Provinz weder zu viel noch zu wenig? i$t jede Wi$$en- $chaft er$ter Ordnung ihrem ent$prechenden Ge$ichtspunkt zu- getheilt? Die$e Fragen werden beantwortet $ein, wenn wir jede Wi$$en$chaft er$ter Ordnung unter$uchen, ob $ie dem ihr zugetheilten Ge$ichtspunkt ent$pricht, und, wenn die{$s} nicht der Fall i$t, $ie ihrem richtigen Ge$ichtspunkt unterordnen. Da wir aber hier die Vergleichung objectiver Gebiete mit den vier Ge$ichtspunkten beab$ichtigen, $o mü$$en wir auch die letztern von dem aus$chlie{$s}lich $ubjectiven Sinn entklei- den, den $ie bei der Eintheilung der Wi$$en$chaften dritter Ordnung haben mu{$s}ten, und wonach $ie nur die vier Stufen der Erkenntni{$s} bezeichnen; wir mü$$en $ie nachwei$en als nothwendige Seiten eines jeden Da$eins. Iedes Ding lä{$s}t ein doppeltes in $ich unter$cheiden. 1) Es be$teht. 2) Es be$teht auf eine gewi$$e Art. Das Be$tehen $owohl, als die Art des Be$tehens la$$en eine doppelte Auffa$$ung zu, man betrachtet $ie entweder nach ihren einzelnen Seiten und Momenten, oder man betrachtet beide in ihrer Totalität. Bei$piele für die$e vier möglichen Grundan$chauungen werden wir nachher bekommen; die Ueberein$timmung mit den vier Ge$ichtspunkten aber liegt klar vor Augen. Das Be$tehen eines Dings in einem Moment, nach einer zufälligen Au{$s}en$eite ge- nommen, i$t der autopti$che Ge$ichtspunkt, welcher die Stufe des Erkennens i$t, das bei der unmittelbaren Wahrnehmung $tehen bleibt. Das Be$tehen eines Dings nach $einer Totalität genommen $timmt zu$ammen mit dem cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkt, wel- cher auch das hinter der unmittelbaren Wahrnehmung Ver- $teckte, al$o das Ganze einer Sache empiri$ch er- for$cht. Eine Sache be$teht aber unter ver$chiedenen Um$tänden und zu ver$chiedenen Zeiten auf ver- [126] $chiedene Arten. Die Ge$etze die$er ver$chiedenen Er- $cheinungsformen zu entwickeln, i$t die Aufgabe des tro- ponomi$chen Ge$ichtspunktes. Die Erkenntni{$s} die$er Wech$elbeziehungen und der in ihnen herr$chenden Ge$etze $etzt natürlich die empiri$che Kenntni{$s} die$er be$ondern nach ihrem gemein$amen Totalbe$tand voraus, gerade wie ein Ding auf eine gewi$$e Art nur be$tehen kann, wenn das Be$tehen de$$elben überhaupt möglich i$t, ߞ der troponomi$che Ge$ichtspunkt $etzt den cryptori$ti- $chen voraus. Wird die Art des Be$tehens eines Dings nach der Totalität ihrer Seiten genommen, $o i$t die{$s} der objective Ausdruck des cryptologi$chen Ge$ichtspunktes und ent$pricht ganz dem $ubjectiven Ausdruck de$$elben, welcher die den mannigfaltigen Er$chei- nungswei$en eines Dings zu Grund liegenden Ge$etze auf Eine Grundur$ache zurückführt. Die Wech$elbeziehung der $ubjectivmethodi$chen und der objectiven Auffa$$ung der vier Ge$ichtspunkte i$t al$o folgende: die zwei er$ten Ge$ichtspunkte (von Ampère oft die elementaren Wi$$en$chaften genannt) verhalten $ich, bei der $ubjecti- ven Fa$$ung, zu den beiden höheren Ge$ichtspunkten, wie empiri$ches Material zu den allgemeinen Ge$etzen, welche daraus entwickelt werden, wie Material der Erkenntni{$s} zur wirklichen Erkenntni{$s} der darin enthaltenen Wahrheiten; die$er Unter- $chied i$t nichts anderes, als der von uns aufgeführte ob- jective Gegen$atz des blo$en Be$tehens zu den For- menverhältni$$en de$$elben; da{$s} nun die$e Wahrheiten bald als eine Vielheit, bald als reducirt auf eine ober$te Einheit er$cheinen; da{$s} jenes Material entweder theilweis oder voll$tändig i$t, gibt auf einfache Art die vier Ge$ichts- punkte.

Gehen wir nun zu der oben bezeichneten Anwendung der vier Ge$ichtspunkte über, $o kann bei der Arithmologie kein Zweifel $ein, da{$s} $ie dem autopti$chen Ge$ichtspunkt [127] zugehört, denn die Zahl, in welcher eine Sache er$cheint, i$t gewi{$s} das äu{$s}erlich$te und ganz an der Oberfläche lie- gende Moment des Be$tehens einer Sache.

Die Geometrie wird von Ampère dem cryptori- $ti$chen Ge$ichtspunkt zugetheilt, aber mit welchem Recht? Was i$t denn die räumliche Beziehung eines Dinges, da{$s} $ie das Recht gäbe, den Raum als ein hinter einem Aeu{$s}ern verborgen Liegendes anzunehmen? I$t nicht vielmehr der Raum eine eben$o oberflächliche Beziehung an den Dingen, wie die Zahl? Hinter einer Zahl liegt das, was gezählt wird; hinter dem Ort, dem Raum, liegt die Ma- terie, die ihn ausfüllt, die $ich in ihm bewegt. Der Raum i$t al$o eben$o dem autopti$chen Ge$ichtspunkt zugehörig, wie die Zahl; und was i$t denn Zahl anders, als discretgedachte Raum- und Zeittheile?

Durch die bisherigen Bemerkungen i$t bereits auch über die Stellung ent$chieden, welche Ampère der Mechanik gibt; $chon de{$s}halb, weil die zwi$chen der Arithmologie und Mechanik gelegene Geometrie dem autopti$chen Ge$ichtspunkt zufällt, kann man a priori annehmen, da{$s} die Wi$$en$chaft, welche der natürlichen Reihefolge nach auf die Geometrie kommt, nemlich die Mechanik, dem cryptori$ti$chen, und nicht wie Ampère glaubt, dem troponomi$chen Ge$ichtspunkt zu- fallen mu{$s}. Doch die Gründe hierfür mü$$en aus der Sache $elb$t genommen werden. Ampère nennt die Me- chanik eine troponomi$che Wi$$en$chaft, weil $ie von Bewe- gungen, al$o von Veränderungen handelt, und die$es der Grundcharacter des troponomi$chen Ge$ichtspunkts $ei. Die{$s} i$t aber, $einen eigenen Begriffsbe$timmungen gegenüber, viel zu flach aufgefa{$s}t. „Der troponomi$che Ge$ichtspunkt” $agt Ampère, „bezieht $ich auf die allmähligen Veränderungen, die ein und der$elbe Gegen$tand theils für die unmittelbare Wahrnehmung, theils in Hin$icht auf das, was er$t durch weitere Zerlegung gefunden werden kann, erleidet; u. $. f.” Man $ieht, da{$s} hier von we$entlichen Veränderungen [128] die Rede i$t; i$t denn aber die Bewegung eine we$entliche Veränderung? Das We$en der Bewegung i$t ja ge- rade das, da{$s} der Körper im Wech$el der Orte $ich ganz gleich bleibt, $ich nicht verändert, und eben de{$s}- halb i$t die Mechanik nicht, wie Ampère meint, eine tro- ponomi$che Wi$$en$chaft, $ondern eine cryptori$ti$che, denn die Materie i$t das hinter dem Raum Stehende; eben weil $ie das Da$ein i$t, das im Wech$el des Orts identi$ch bleibt; $ie verhält $ich zum einzelnen Ort, wie das totale Be$tehen einer Sache zum einzelnen Moment.

Da{$s} Ampère die Uranologie von der Mechanik als eine eben$o $elb$t$tändige Wi$$en$chaft er$ter Ordnung trennt, wie die Mechanik von den mathemati$chen Wi$$en- $chaften im engern Sinn, i$t $o wenig zu rechtfertigen, als die Trennung der Arithmologie von der Geometrie. Es herr$chen in der Uranologie ganz die$elben Ge$etze der Attrac- tion und Repul$ion, wie in der Mechanik, und $ie gehören auch zu Einem Ge$ichtspunkt, indem die Materie in Form des Planeten und der übrigen Himmelskörper um nichts weniger cryptori$ti$ch $ich verhält, als jede andere Materie, und der Unter$chied, da{$s} die Mechanik es nur mit möglichen ($ollte hei{$s}en zufälligen), die Uranologie mit wirklichen ($ollte hei{$s}en nothwendigen) Bewegungen zu thun habe, i$t gar zu gering, als da{$s} er einen $o gro{$s}en Unter$chied recht- fertigen könnte.

Wir haben nun die vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung, welche Ampère in der Provinz der mathemati$chen Wi$$en- $chaften vereinigt, in zwei Wi$$en$chaften zu$ammengezogen, die mathemati$chen Wi$$en$chaften im engern Sinn, welche den autopti$chen Ge$ichtspunkt reprä$entiren, und die mechani$chen Wi$$en$chaften, welche dem cryptori- $ti$chen Ge$ichtspunkt ent$prechen. Ehe wir aber zu den weiteren Provinzen Ampère’s übergehen, mü$$en wir eine allgemeine Bemerkung über die$elben ein$chieben. Ampère führt von nun an auch $olche Wi$$en$chaften als we$entliche [129] Be$tandtheile der Eintheilung auf, welche nur die techni- $che Anwendung des in andern Wi$$en$chaften Gelehrten für gewi$$e practi$che Zwecke des Men$chen enthalten. Die$e techni$chen Wi$$en$chaften hinderten nicht, die Reihenfolge, in welcher man von den Gruppirungen der Wi$$en$chaften ab$ieht, richtig aufzu$tellen. Für die Frage nach der blo$en Reihenfolge i$t es ganz gleichgültig, ob eine Wi$$en$chaft als blo$es Corollarium einer andern oder als $elb$t$tändiger we$entlicher Theil er$cheint. Wenn aber Gruppen gebil- det werden, $o wird das ganze Netz der Eintheilung ver- $choben, wenn man eine Wi$$en$chaft als ein we$entliches Glied der Eintheilung nimmt, welche in der That kein $ol- ches i$t. Sie ver$perrt einem we$entlichen Theil den Platz, und die$er we$entliche Theil kommt an eine fal$che Stelle. Da{$s} aber bei einer Eintheilung der Naturwi$$en$chaften, in welcher auch der objective Naturzu$ammenhang hervortreten $oll, die techni$chen Wi$$en$chaften ungehörige Beigaben $ind, und blos als un$elb$t$tändige Corollarien ange$ehen werden mü$$en, i$t von $ich $elb$t klar, da $ie nichts als die Wie- derholung und detaillirteren Con$equenzen von früher Vor- gebrachtem $ind. Die Wichtigkeit, welche die$e Corollarien für den Men$chen haben, gehen den Naturzu$ammenhang nichts an. Die$er i$t in $ich $elb$t $ymmetri$ch und harmo- ni$ch. Will Ampère die techni$chen Wi$$en$chaften als $elb$t- $tändig gelten la$$en, $o mu{$s} er darauf verzichten, ein Ab- bild der Natur zu geben. Will er die Natur in $einem Sy$tem wieder$piegeln, $o darf alles techni$che Wi$$en nur als Corollar auftreten (was nicht hindert, da{$s} die$e Corol- larien in $ich $elb$t ganz organi$ch geordnet $ind). Ampère i$t $ich die$es Dilemma’s nicht bewu{$s}t; wenn er die mathemati$chen Wi$$en$chaften dem autopti$chen, die Thierwelt dem troponomi$chen Ge$ichtspunkt zutheilt, $o $ind die{$s} $olche glückliche Blicke in den objectiven Gang der Na- tur$tufen, da{$s} man nicht zweifeln kann, er wolle die reale Natur wieder$piegeln; und doch zer$tört er die$e Symmetrie [130] wieder voll$tändig durch die Aufnahme der techni$chen Wi$$en- $chaften. Wir werden nun bei der weiteren Critik die tech- ni$chen Wi$$en$chaften gänzlich au{$s}er Augen la$$en, und die andern Wi$$en$chaften $o ordnen, da{$s} ihr Ge$ammtzu$ammen- hang der Natur ent$pricht.

Ampère hat mit der Uranologie eine Provinz von vier Wi$$en$chaften er$ter Ordnung abge$chlo$$en und er gibt die$er Provinz, welche nach ihm nur das mathemati$che und mechani$che Wi$$en in $ich begreift, in ihrer Ge$ammtheit genommen den Charakter des autopti$chen Ge$ichtspunkts, der näch$ten Provinz, welche nach ihm die allgemeine Phy$ik und die Geologie in $ich begreift, theilt er den cryptori$ti- $chen Ge$ichtspunkt zu, und innerhalb die$er cryptori$ti$chen Provinz reprä$entirt die allgemeine Phy$ik bei Ampère den autopti$chen Ge$ichtspunkt. Da wir genöthigt waren, die vier Wi$$en$chaften von Ampère’s er$ter Provinz auf zwei zu reduciren, welche nur den autopti$chen und cryptori$ti- $chen Ge$ichtspunkt reprä$entiren, $o i$t die$e er$te Provinz bei un$erer Auffa$$ung noch nicht voll$tändig, und wir mü$$en die Fe$t$tellung des allgemeinen Charakters der er$ten Pro- vinz auf$chieben, bis wir $ie vervoll$tändigt und ihre Be- ziehung zur zweiten Provinz fe$tge$etzt haben.

In der natürlichen Reihenfolge der Wi$$en$chaften kommt nach der Mechanik und Uranologie die allgemeine Phy$ik. Der gemein$ame Begriff, welcher den beiden mechani$chen Wi$$en$chaften zu Grunde liegt, i$t die Materie, die den Raum ausfüllt und $ich in ihm bewegt. Die{$s} i$t die all- gemeine Eigen$chaft jeder Materie. Aber es gibt nicht blos Eine Materie, die überall $ich $elb$t gleich i$t. Au{$s}er die$er gemein$chaftlichen Grundeigen$chaft, wodurch die Materie als $olche i$t und be$teht, gibt es auch noch unendliche Unter- $chiede, eine Menge ver$chiedener Eigen$chaften, die $ich ge- gen$eitig aus$chlie{$s}en, welche auf die ver$chiedenen Theile der Materie vertheilt $ind, durch welche die$e $ich von einan- der unter$cheiden, aber auch wieder in Wech$elbezug kom- [131] men, ja welche an einer und der$elben Materie zu ver$chie- denen Zeiten ver$chieden $ind. Der Ge$ichtspunkt aber, welcher, nachdem der allgemeine Be$tand einer Sache er- gründet i$t, nun auch die ver$chiedenen Er$cheinungsarten der$elben zu ver$chiedenen Orten und Zeiten unter$ucht, i$t unverkennbar der troponomi$che, und die{$s} i$t der Ge- $ichtspunkt, unter welchen die Phy$ik fällt. Der Haupt- fehler Ampère’s in Betreff der Phy$ik liegt darin, da{$s} er $ie $chon in eine höhere Provinz aufnimmt, während $ie noch in die er$te gehört. Da{$s} er ihr dann in die$er höhe- ren Provinz den autopti$chen Ge$ichtspunkt zutheilt, war nun freilich notwendig und auch dem Charakter der Ge- $ichtspunkte nicht allzuwider$prechend, da in der That der troponomi$che Ge$ichtspunkt eine Analogie mit dem autop- ti$chen hat (wie $chon Ampère auf die Analogie des cryp- tori$ti$chen mit dem cryptologi$chen hingewie$en hat), und, wenn einmal die wahre Eintheilung ins Schiefe ver$choben i$t, eine troponomi$che Wi$$en$chaft einer niederen Provinz ohne vielen Zwang als autopti$che Wi$$en$chaft der näch$t höhern Provinz gedeutet werden kann.

Die Technologie la$$en wir weg, da wir $ie in die$er objectiven Eintheilung der Naturwi$$en$chaften nur als Corollarium der Phy$ik an$ehen können, und la$$en $omit auf die$e $ogleich die Geologie als $elb$t$tändige Wi$$en$chaft folgen. Die Geologie hat ein doppeltes Object, wie auch die Mechanik, nemlich den einzelnen zufälligen Körper und den Planeten. Die hierher gehörigen Wi$$en$chaften betrachten den einzelnen Körper nicht blos im Zu$am- menhang mit dem Ganzen als Object der Geologie und Mineralogie, $ondern auch ganz für $ich allein genom- men hat der einzelne Körper $eine mineralogi$che Seite, welche keineswegs durch die phy$icali$chen Betrachtungen er- $chöpft i$t. Die{$s} i$t die Ge$talt und das Gefüge des Kör- pers, die auch die Grundlage eines natürlichen mineralogi- $chen Sy$tems $ind. Die Ge$talt i$t bei allen chemi$ch-phy- [132] $icali$chen Unter$uchungen eine unwe$entliche Sache, aber bei der Mineralogie i$t $ie die Haupt$ache. Auch Ampère $ieht die{$s} $o an, doch überwiegt bei ihm der Gedanke, da{$s} in der Geologie die be$ondern Körper in ihrem Verhältni{$s} zum planetari$chen Ganzen nach ihrem ver$chiedenen Vor- kommen an ver$chiedenen Orten und zu ver$chiedenen Zeiten betrachtet werden; de{$s}halb be$timmt er die Geologie als die troponomi$che Wi$$en$chaft der zweiten Provinz. Hätte er aber, wie man nicht anders kann, den Hauptaccent auf die Eigenthümlichkeit gelegt, durch welche $ich auch $chon das einzelne Mineral über die blo$e phy$icali$che Auffa$$ung er- hebt, nemlich die Form, $o hätte er $ehen mü$$en, da{$s} der troponomi$che Ge$ichtspunkt keineswegs der durchherr$chende Charakter der geologi$chen Wi$$en$chaften i$t, $ondern da{$s} er nur in der$elben untergeordneten Wei$e vorkommt, wie er in der Phytonomie und der Zoonomie $ich dar$tellt; wenn aber der troponomi$che Ge$ichtspunkt nicht der charakteri$ti- $che i$t für die geologi$chen Wi$$en$chaften, welcher i$t es dann? Nach un$erer Auffa$$ung i$t die Antwort nicht mehr $chwer. Wir hatten die Phy$ik als eine troponomi$che Wi$- $en$chaft erkannt, und mü$$en $chon aus der natürlichen Reihenfolge vermuthen, da{$s} das unmittelbar darauf folgende geologi$ch-mineralogi$che Wi$$en dem vierten Ge$ichtspunkt ent$prechen werde; die Unter$uchung de$$en, was Form i$t, wird die$e Vermuthung be$tätigen. In der Form i$t der Körper vollendet, was er noch nicht war, $o lang man ihn blos als Materie mit gewi$$en phy$ikali$chen Qua- litäten betrachtete. In der Form i$t die phy$icali$ch-qualifi- cirte Materie in ein individuelles Sein, in eine Einheit zu$ammen gefa{$s}t. Form i$t der Artbe$tand eines Dings in $einer Totalität aufgefa{$s}t, ߞ was wir als den cryptologi$chen Ge$ichtspunkt darge$tellt haben, welcher gleichfalls den übrigen drei Ge$ichtspunkten als Schlu{$s}punkt und Krone dient.

Nun wird man mir aber einwenden, da{$s} die$e Seite, [133] Vollendung durch die Form, nicht blos an den Mineralien, $ondern auch an Pflanzen, Thieren, Men$chen u. $. f. vor- kommt, und in die$en Gebieten allen noch in weit vollkomm- nerem Maas. Ich gebe die{$s} zu und verlege, wegen die$er gemein$chaftlichen Grundlage, die Ge$ammtheit aller ge$tal- teten Körper in den cryptologi$chen Ge$ichtspunkt. Die Arten die$er ge$talteten We$en $ind aber $elb$t wieder vierer- lei, Mineral, Pflanze, Thier und Men$ch.

In Allen i$t phy$icali$che Materie in einer gewi$$en Ge$talt, aber die Ge$talt $elb$t i$t in vier ver$chiedenen Stufen geordnet. Auch die$e vier Stufen $tehen in dem oben er- wähnten organi$chen Stufenverhältni{$s}, wo das höhere jede niedere Stufe in modi$icirter Form in $ich enthält, das niedere aber auch ohne das höhere $ein kann. Vergleichen wir die Stufen näher mit einander: Bei dem Mineral i$t die Flü$$igkeit, woraus da$$elbe ent$tanden, ganz in dem Solidum ab$orbirt; der Stoff des Minerals i$t nicht fähig, heterogene Materien zu a$$imi- liren und $ich auf Ko$ten der umgebenden Welt zu ver- grö{$s}ern, zu wach$en, $eine Form zu verändern; $eine Form bleibt $o, wie $ie im Anfang war, nach der er$ten Bildung, und bleibt gebunden an den$elben phy$icali$chen Stoff. Da es für die Form ganz unwe$entlich i$t, ob $ie aus die$em oder jenem Theil einer gewi$$en phy$icali$chen Materie be$teht, $o i$t al$o in die$em Fall die Form an einen einzelnen zufälligen Stoff gebunden, wie eine Materie an den zufälligen Ort, in dem $ie $ich gerade in einem Moment befindet. Die Analogie die$er er$ten Stufe der Formen mit der er$ten Stufe, in der wir die $toffliche Grundlage auffa{$s}ten, i$t nicht zu verkennen. Der Stein reprä$entirt al$o die autopti$che Unterabtheilung des cryptologi- $chen Ge$ichtspunkts. ߞ Bei der Pflanze geht das Bildungsfluidum nicht in den $oliden Formen auf. Die{$s} Pflanzenfluidum i$t fähig, hetero- [134] gene Materien zu a$$imuliren und $ich auf Ko$ten der umgebenden Welt zu vermehren, und in Folge die$er Vermehrung der Bildungsflü$$igkeit werden zu den alten hin immer neue fe$te Theile gebildet, al$o die Form verändert. Hier i$t al$o ein Ge$tal- tungsproce{$s}, welcher auch in Berührung mit ver$chiedenen Stoffen $ich erhält, der über die er$te Bildung hinaus- tritt, der hinter und mittel$t der bereits vorhandenen Ge- $talt ins Unendliche immer wieder neue Bildungen hervor- treibt, analog der Materie, welche $ich durch ver$chiedene Oerter bewegt, al$o frei i$t von jedem einzelnen Ort. Die Analogie die$er zweiten Stufe der Formen mit der zweiten Stufe, in der wir die $toffliche Grundlage auffa{$s}ten, i$t nicht zu verkennen. Die Pflanze reprä$entirt al$o die cryptori$ti$che Unterabtheilung des crypto- logi$chen Ge$ichtspunktes. Wie in der Mechanik er$t das materielle Be$tehen eines Körpers, abge$ehen von $einen phy$icali$chen Eigen$chaften, betrachtet wurde, $o geht auch bei der Pflanze alle Thätigkeit in der Erzeugung neuer Pflanzentheile auf. I$t einer erzeugt, $o i$t er wieder Un- terlage für neue Bildungen, und darin i$t $eine ganze Thä- tigkeit er$chöpft. Bei dem Thier aber $ind au{$s}er der Thätigkeit, welche blos auf Be$tehen und Er- zeugen gerichtet i$t, noch andere Thätigkeiten vor- handen. Der Zeugungsproce{$s}, in welchem $ich das Pflanzenleben endlos ergie{$s}t, i$t bei dem Thier auf die Bildung individueller $elb$ti$cher Körper zu$ammengezogen, welche nun die Träger höhe- rer Actionen werden können, ߞ der Empfin- dung und freien Bewegung, mittel$t welcher $ich die$e Individuen gegen alles au{$s}er ihnen als ein be$onderes ab- $cheiden, und auf eben die$es Andere wirken, wie der phy$i- cali$che Körper mittel$t $einer Eigen$chaften $ich von Anderm unter$cheidet und auf Anderes wirkt; und wie die phy$ica- li$che Materie in ihren Eigen$chaften $ich gleich bleibt trotz [135] allem Wech$el des Orts, $o bleibt $ich das Thier mit $einen individuellen Kräften gleich trotz allem Wech$el des Stoffs. Das Thier i$t die troponomi$che Unterabthei- lung in der Stufenreihe der Formen, welche un$er cryptologi$cher Ge$ichtspunkt unter $ich begreift. ߞ Die Zu$ammenfa$$ung aller die$er einzelnen Lebens- gefühle, Empfindungen, Triebe in der Einheit eines Bewu{$s}t$eins i$t er$t im gei$tigen Leben mög- lich, und die{$s} verhält $ich al$o zur thieri$chen Seele wie die Form eines Körpers überhaupt zu den mannigfaltigen Eigen$chaften, welche in jener zur Einheit zu$ammengefa{$s}t $ind. Das gei$tige Leben i$t al$o die cryptologi- $che Unterabtheilung des cryptologi$chen Ge- $ichtspunktes; es i$t die Form auf der Stufe der Form; die Form, die $ich $elb$t erreicht hat.

Das Schema un$erer Eintheilung i$t al$o folgendes: Das gei$tige \\ Leben # Men$ch. Organi$ches \\ Leben # Thier. # (Organik) Form. # Pflanze. # Mineral. # Unorgani$ches \\ Sein. # Phy$ik (Qualitäten). # # Mechanik (Materie und Bewegung). # # Mathematik (Raum und Zeit).

Betrachten wir nun die{$s} Schema näher, $o bemerken wir au{$s}er den Beziehungen, die wir im Bisherigen zwi$chen den beiden Seiten des Schema’s nachgewie$en haben, auch noch folgende Unter$chiede: In allen beiden Seiten $etzt das Höhere $ämmtliche niedern Stufen voraus; wie auch die Die$e ganze Analogie der drei Stufen der unorgani$chen Natur mit den drei Reichen der organi$chen i$t in allen ihren merkwürdigen Details entwickelt in meinen „We$en der Natur;” wie z. B. der phy$icali$che Körper leuchtet, klingt u. $. f., $o hat das Thier Aug, Ohr, Stimme u. $. f. [136] organi$che Seite die unorgani$che voraus$etzt. Aber wäh- rend auf der organi$chen Seite eine niedere Stufe für $ich exi$tiren kann, ohne die höhere, i$t ein Gleiches auf Seite der unorgani$chen Stufenleiter nicht der Fall. Hier kann eine niedere Stufe ohne die höhere nicht exi$tiren. Es gibt keinen Raum, der nicht ausgefüllt wäre, keine ausfüllende Materie, die nicht irgend welche Eigen$chaften hätte, es gibt keine $olche Materie, die gar keine Art von Form be$ä{$s}e; die$e Unter$chiede haben ihren einfachen Ur$prung in den allgemeinen Grund$ätzen: 1) Bei jeder Sache i$t ein Sub- $trat und eine Form; al$o 2) kann man weder von einer Sache alle ihre Sub$trate oder eines ihrer Sub$trate weg- la$$en, noch auch kann man vom Sub$trat $elb$t irgend eine und die andere Seite wegla$$en; 3) eben$owenig aber kann man ein Sub$trat ohne alle Form denken; aber 4) die$e Form kann bald blos eine niedere, bald eine höhere $ein, welche die niedere in $ich $chlie{$s}t. Eine unorgani$che Natur neben einer organi$chen gibt es al$o gar nicht, das Un- organi$che i$t blos eine be$ondere Seite am Organi$chen, die Unterlage de$$elben. Da{$s} nach Ab$traction von der Form die Materie noch in drei Er$cheinungswei$en $ich dar$tellt, die aber nicht in der Eri$tenz, $ondern nur im Ge- danken getrennt $ich zeigen, da{$s} ferner die Form in drei Naturreiche und ein gei$tiges Reich, das über ihnen $teht, $ich gliedert, das kommt von den vier Ge$ichtspunkten, den we- $entlichen Categorien alles Seins, die $ich in der Form, wie in der Materie ausdrücken mü$$en. Man wäre auf die$e Eintheilung gekommen, auch wenn man oben angefangen hätte, und nicht von unten, wie wir gethan haben. Dann hätte man durch Analy$e des Men$chen das gei$tige Gebiet und die drei organi$chen Formen gefunden, die $ich auch Man wendet vielleicht Luft und Wa$$er ein; aber auch die$e haben eine Form im weitern Sinn, und beide bleiben $ich gegen Aeu{$s}eres mit einer gewi$$en Selb$terhaltung gleich. [137] au{$s}erhalb des Men$chen $elb$t$tändig reali$iren; und als Grundlage die$er $ämmtlichen organi$chen Formen hätte man die Materie nach ihren drei Auffa$$ungswei$en auseinander gelegt. Auf die$e wie auf die andere Art wäre die Ein- theilung auf gleiche Wei$e zu Stande gekommen, nur in ver$chiedener Form; war das er$te Mal die Ableitung die$e: # cryptologi$ch # Organi$ches Leben. # troponomi$ch # cryptori$ti$ch cryptologi$ch ߞ # autopti$ch troponomi$ch # Unorgani$che \\ Seite. cryptori$ti$ch autopti$ch $o wäre $ie das zweite Mal umgekehrt gewe$en: Organi$ches Leben # cryptologi$ch # troponomi$ch # cryptori$ti$ch # autopti$ch ߞ # cryptologi$ch # Unorgani$che \\ Seite # troponomi$ch # # cryptori$ti$ch # # autopti$ch.

In beiden Fällen aber i$t es eine einfache Einthei- lung, eine einmalige Gliederung der vier Ge$ichtspunkte, welche das ganze endliche Da$ein umfa{$s}t, denn die andere Gliederung i$t keine coordinirte, $ondern einem be$on- dern Ge$ichtspunkt untergeordnet, während bei Ampère die beiden Gebiete vollkommen coordinirte Eintheilungen be$itzen, was nicht nur gegen die organi$che Rundung der Eintheilung, $ondern auch gegen die Naturwahrheit i$t. ߞ

Wir wollen nun von dem gewonnenen Standpunkt aus noch eine kurze Critik des Re$tes der Ampère’$chen Eintheilung geben. Ampère theilt die Provinzen gerade $o wie die Wi$$en$chaften er$ter Ordnung den ver$chiede- nen Ge$ichtspunkten zu, und bringt vier Provinzen heraus, die mathemati$che, phy$icali$che, naturhi$tori$che und medici- [138] ni$che, und damit $chlie{$s}t $ich die Reihe der Naturwi$$en- $chaften bei ihm rund, nach den vier Ge$ichtspunkten ab. Wir haben den Grund angegeben, warum wir die medici- ni$chen Wi$$en$chaften in einem objectiven Sy$tem unter die naturhi$tori$chen Wi$$en$chaften einreihen mü$$en; die$e vierte Provinz fällt al$o weg; um jedoch uns leichter mit Ampère ver$tändigen zu können, wollen wir an die Stelle der me- dicini$chen Wi$$en$chaften $ein ganzes noologi$ches Reich $etzen, die Wi$$en$chaft des Men$chen, der ja ohnehin auch als Theil der Naturwi$$en$chaften durch die Medicin reprä- $entirt i$t. Die$es i$t um $o nöthiger, da bei jeder Frage über Eintheilungen das Ganze, was eingetheilt werden $oll, vor Augen liegen mu{$s}. Betrachten wir nun die$e vier gro{$s}en Gruppen bei Ampère, $o wäre $omit das ganze Sein nach den vier Ge$ichtspunkten geordnet. Die{$s} i$t jedoch anders: Ampère’s phy$icali$che Provinz haben wir getrennt, die geologi$ch-mineralogi$chen Wi$$enszweige haben wir dem organi$chen Gebiete zugetheilt, darf nun wohl die allgemeine Phy$ik noch als eine Provinz für $ich zwi$chen den mathe- mati$chen und mechani$chen Wi$$en$chaften einer$eits, und den Wi$$en$chaften des organi$chen Lebens anderer$eits da- $tehen? I$t die Mechanik nicht eben $o $charf von der Ma- thematik unter$chieden als von der Phy$ik? Wenn aber die Mechanik zu der Mathematik gerückt wird, $o i$t kein Grund, die Phy$ik von beiden zu trennen. Ampère nennt die ma- themati$ch-mechani$che Provinz eine autopti$che Provinz, und die allgemeine Phy$ik führt er als die er$te Wi$$en$chaft einer zweiten (cryptori$ti$chen) Provinz auf. Er thut die{$s}, weil die Phy$ik das, was man in der Mathematik und Mechanik nur nach einer allgemeinen Eigen$chaft (Grö{$s}e, Maas, mechani$che Kräfte) kennen gelernt habe, nun im Be$ondern kennen lehre. Aber die{$s} i$t nicht der Schritt der Erkenntni{$s}, welche das Eigenthümliche des cryptori$ti$chen Ge$ichtspunkts i$t.

Vergleiche die Tabelle Seite 102. [139]

Der cryptori$ti$che Ge$ichtspunkt dringt von einer zu- fälligen Wahrnehmung zur Ge$ammtheit der Wahrnehmun- gen, die man über eine Sache machen kann, vom Theil zum Ganzen; der troponomi$che Ge$ichtspunkt aber i$t es, welcher nach voll$tändiger allgemeiner Erkenntni{$s} einer Sache nun auch die Unter$chiede, die Be$onderheiten und ihre Ge$etze auf$ucht. Die{$s} i$t das Ge$chäft der Phy$ik; darum i$t $ie uns die dritte Wi$$en$chaft des unorgani$chen Gebiets, und $ie als Theil einer cryptori$ti$chen Provinz aufzufa$$en, dazu i$t, wie erwähnt, kein Grund da. Wollen auch wir ganze Provinzen eintheilen, $o fällt auf, da{$s} in die er$te Provinz nur drei Wi$$en$chaften fallen können, denn der vierte Ge- $ichtspunkt i$t es ja gerade, de$$en Unterabtheilungen eine höhere Provinz bilden, nemlich die organi$chen Reiche und den Men$chen; und die$er, die vierte Unterabtheilung, $ammt $einen weiteren Unterabtheilungen i$t $elb$t wieder eine höhere Sphäre gegen die Naturreiche, und $o kommt das $onder- bare Re$ultat heraus, da{$s} jedesmal der cryptologi$che Ge- $ichtspunkt eine höhere Sphäre bildet gegen die drei ihm vorausgehenden Stufen, und da{$s} $omit eine Provinz, will man nicht ganz Heterogenes zu$ammen werfen, nur aus drei Stufen be$tehen kann. Da nun Ampère’s phy$icali$che Provinz zertrennt und ein Theil, die allgemeine Phy$ik, in die Provinz der unorgani$chen Wi$$en$chaften, der andere Theil, die Geologie und Mineralogie, zu den organi$chen Wi$$en$chaften ge$tellt wurde, $o haben wir nur noch fol- gende drei Hauptabtheilungen:

1) die Provinz der unorgani$chen Wi$$en$chaften;

2) die Provinz der organi$chen Wi$$en$chaften;

3) die Wi$$en$chaften des gei$tigen Lebens.

Ver$uchen wir auch hier die vier Ge$ichtspunkte, $o i$t die unorgani$che Seite aller We$en eine Wech$el- Da$$elbe Ge$etz finden wir auch bei den Wi$$en$chaften dritter Ord- nung, wo die cryptologi$che Wi$$en$chaft auf ein höheres Gebiet überführt. [140] wirkung nach dem blo{$s}en, unmittelbaren, materiellen Be- $tand, ߞ autopti$ch. In den organi$chen Reichen $treben die Naturdinge die{$s} materielle Sub$trat dem ge$tal- tenden Einflu{$s} eines innewohnenden Lebens zu unterwerfen, welches hinter der äu{$s}ern materiellen Er$cheinung liegt ߞ der cryptori$ti$che Ge$ichtspunkt. Die höch$te Form i$t der Gei$t; die$er i$t dem Men$chen gegeben, aber in mannigfacher Vertheilung, den ver$chiedenen Men$chen auf ver- $chiedene und daher für jeden auf be$chränkte Wei$e ߞ der troponomi$che Ge$ichtspunkt. Der cryptologi- $che Ge$ichtspunkt mu{$s} dahin fallen, wo alle Materien, alle Formen, alle Be$eelung und gei$tiges Leben ihren Ur- $prung haben, in den Urgrund aller Dinge, in Gott. Wollte man analog dem Gebiet des unorgani$chen Seins und der organi$chen Reiche auch in der Men$chenwelt Stufen und Grade machen, $o mü{$s}te $ich auch hier das Ge$etz nach- wei$en la$$en, da{$s} der, welcher in den ober$ten Grad tritt, aus $einer Sphäre in eine höhere $ich erhebt, d. h. ein Men$ch, welcher den höch$ten Punkt der Men$chheit erreicht hat, würde ein göttliches Leben in $ich haben, mit Gott $elb$t verbunden $ein. So $ind al$o bei un$erer Auffa$$ung die vier Ge$ichtspunkte auch an der ge$ammten Welt ge- rechtfertigt, was Ampère nicht that; er hat $ie blos auf die beiden gro{$s}en Reiche, der Natur und des Gei$tes, auf jedes ins Be$ondere, nicht aber auf den Zu$ammenhang beider in einem grö{$s}eren Ueberblick angewendet, wie wir; fa$$en wir das Schema blos nach reellen Exi$tenzen, $o i$t es $o: Endliche Welt. # Gott. # Der Men$ch. # Die organi$chen Naturreiche. # Nichts.

Denn die unorgani$che Seite i$t in der That ein Nichts, $ie i$t gar nichts Reelles, für $ich Be$tehendes, $ie i$t nur an einem Andern, an dem Organi$chen, und doch von die$em Andern zu un- ter$cheiden. [141]

So weit die criti$che Umge$taltung des Ampère’$chen Sy$tems. Sein Grundprincip i$t vollkommen richtig und durch die weiteren Anwendungen, die wir hier nur theil- wei$e geben konnten, von der grö{$s}ten Wichtigkeit; nur in der Anwendung hat es Ampère verfehlt, und die$e allein haben wir geändert. Ampère nennt mehrere Gründe für die Richtigkeit $eines Sy$tems: 1) er verwei$t auf die lange Zeit, die er darauf verwendet, da nur kün$tliche Sy$teme $chnell aufgebaut werden können; 2) er behauptet, er $ei nicht eigen$innig darauf be$tanden, Analogieen, die er an einigen Punkten des Sy$tems bemerkt, durch das Ganze durch geltend zu machen; er $ei vielmehr oft, geleitet durch die empiri$che Wahrheit, von den Analogieen abgegangen. Die$e beiden Punkte bewei$en nur, da{$s} er das natürliche Sy$tem ge$ucht hat, aber noch nicht, da{$s} er es gefunden hat. Er $agt endlich 3), er $ei auf ver$chiedenen Wegen zu dem$elben Re$ultate gekommen, auf Wegen, welche alle gänzlich von einander unabhängig $eien. Die Zu$ammen- $timmung im Re$ultate $oll al$o die Richtigkeit jedes ein- zelnen Wegs bewei$en. Die{$s} i$t aber nicht richtig. Aus der Richtigkeit jedes einzelnen Wegs folgt allerdings, da{$s} $ie alle im Re$ultat zu$ammen$timmen mü$$en, aber umge- kehrt gilt die Folgerung nicht, denn es könnten ja möglicher- wei$e die einzelnen Wege alle fal$ch $ein und doch zufällig im Re$ultate zu$ammen$timmen. Eben$owenig folgt aus der Symmetrie einer Eintheilung ihre Richtigkeit; aber eben$o richtig i$t, wie Ampère $agt, da{$s} man nicht aus der Sym- metrie auf Unrichtigkeit und Kün$tlichkeit $chlie{$s}en darf, da{$s} vielmehr das natürliche Sy$tem, $obald es nur voll$tändig i$t, auch $ymmetri$ch $ein mu{$s}, und die{$s} nehmen wir auch für un$ere Umge$taltung in An$pruch.

Ueber das Verhältni{$s} die$er Philo$ophie zu der deut- $chen bedarf es nur weniger Worte. Ich erinnere an das in der Einleitung Ge$agte; die deut$che Philo$ophie be$trebte $ich, den richtigen Organismus der Categorieen zu finden [142] und von die$em aus die Welt zu begreifen. Die franzö$i- $che Philo$ophie hatte $ich auf die Empirie geworfen, $uchte die$e $y$temati$ch zu ordnen und zu den ober$ten Principien aufzu$teigen. Wir haben gezeigt, da{$s} $ie ein $olches gefun- den, wir haben auf andere Art, als Ampère, $eine Anwen- dung nachgewie$en, und halten es für das Wahre. In der deut$chen Philo$ophie hat man Anfangs, als der richtige Organismus der Categorieen noch nicht gefunden war, die objective Welt, die mit den angenommenen Categorieen nicht zu$ammen$timmte, auf die Seite ge$choben (Kant, Fichte); da die{$s} in die Länge nicht ging, ver$uchte man es, die ob- jective Welt mit den Categorieen gewalt$am in Ueberein- $timmung zu bringen. Man that der Welt der Objecte Gewalt an, bis die Categorieen darauf pa{$s}ten (Schelling, Hegel). Viele haben den Wider$treit einge$ehen, der zwi- $chen der wirklichen, unver$chrobenen Welt und der in das Sy$tem einge$pannten Welt herr$chte. Sie haben auf den Wider$pruch hingewie$en, haben „Freiheit,” „Leben,” „per- $önlicher Gott” u. $. f. im Munde geführt, als Dinge, die gegenüber von dem gewalt$amen Sy$tem gerettet werden mü$$en. Aber es blieb bei den Nothrufen, und man $agte ihnen ganz mit Recht, „wenn Euch die einzelnen Con$e- quenzen des Sy$tems nicht gefallen, $o macht Euch ein anderes.” Doch die lauteu Rufer waren mit Unfruchtbar- keit ge$chlagen, je durchgebildeter die Gliederung jener fal- $chen Sy$teme war, um $o kläglicher trat die Unfähigkeit der lauten Opponenten hervor, einen vollgenügenden Er$atz zu geben, und $ie mögen $ich die einfache Weisheit merken, geduldig zu warten, bis Einer kommt, der Kraft hat, jenen Er$atz zu geben. Meiner An$icht nach i$t ein Solcher ge- kommen. Da$$elbe Princip, das Ampère gefunden und nicht anzuwenden ver$tand, wurde im Iahr 1836 in einer Reihe philo$ophi$cher The$en in $einer einfach$ten Grundlage aus- ge$prochen (Anfang und Ende der Speculation von Friedrich Rohmer, München, 1836). Da$$elbe wurde $eitdem von [143] dem$elben zu der umfangreich$ten, in alle Fragen der Zeit aufs Tief$te eingreifenden Lehre entwickelt, welche in die$em Augenblick mit ihren practi$chen Con$equenzen hervorzutre- ten beginnt. Ich nenne die{$s} Werk, um einem Mi{$s}ver- $tändni{$s} vorzubeugen, welches aus der Zu$ammen$tellung der in die$em Werke gegebenen Analy$e der vier Lebens- alter mit den vier Grundcategorieen ent$tehen könnte. Beide $ind durchaus ver$chieden, hängen aber auf das Eng$te zu- $ammen: die vier Grundcategorieen geben das Ge$etz der allmähligen Compo$ition höherer Eri$tenzformen aus niedern; die vier Lebensalter $ind die Entwicklungs$tufen einer $olchen Eri$tenzform, als componirtes Ganze betrach- tet. Der Zu$ammenhang be$teht darin, da{$s} in der er$ten Stufe der Keimung und anfänglichen Bildung die auf das Aeu{$s}erliche und Einzelne gerichteten Thätigkeiten des er$ten und dritten Punktes, in der Zeit jugendlicher Vollkraft und männlicher Con$olidirung die ein Ganzes erfa$$enden Kräfte des zweiten und vierten Punktes hervortreten, während in der Zeit der Altersreife das Leben wieder in die aufs Aeu{$s}erliche gehenden Actionen zurück$inkt. In beiden Fällen $ind die$elben Grundcategorieen wirk$am, aber wie ver$chie- den die Compo$ition von der Entwicklung des componirten, $o ver$chieden i$t auch die Ordnung der wirkenden Catego- rieen im er$ten und zweiten Fall.

Ich $elb$t habe, ohne die{$s} richtige Grundprincip zu haben, vor vier Iahren auf empiri$cher Ba$is eine Natur- philo$ophie (in meinem mehrfach erwähnten Werke) $kizzirt, deren Grundan$chauung mit dem genannten Princip ganz überein$timmt. Wenn ich von den wenigen Punkten ab- $ehe, welche durch die An$ichten die$er Blätter eine Modifi- cation erleiden, i$t das in jener Schrift Ausge$prochene noch jetzt meine Ueberzeugung, und man mag da$$elbe als einen Friedrich Nohmers Lehre von den politi$chen Parteien, Zürich bei Chri$tian Beyel, 1844. [144] Ver$uch an$ehen, an die Stelle der früheren Naturphilo$o- phie, der Schellingi$chen wie der Hegeli$chen, eine andere zu $etzen, welche die Idee mit der Erfahrung in zwanglo- $erer, ge$underer Form vereinigt, als die$e.

[145]

In dem$elben Verlag er$chienen früher, und i$t durch alle Buch- handlungen zn beziehen:

Die moderne Philo$ophie oder Die Per$önlichkeit Gottes. Eine Kritik der Gottes-Lehre der modernen Philo$ophie und ihrer Angriffe auf das chri$tliche Dogma von Immannel Paulus, Mitvor$teher und Lehrer der Philophie an der wi$$en$chaftl. Bildungsan$talt auf dem Salon bei Ludwigsbnrg. gr. 8. geheftet. Preis fl. 2. oder Rthlr. 1. 6 ggr.

Die$e Schrift widerlegt die Angriffe, welche von Seiten der moder- nen Philo$ophie auf das chri$tliche Dogma von der Per$önlichkeit Gottes gemacht worden $ind, $ie weist die Unfähigkeit die$er Schule, die in die$em Dogma vorkommenden Begriffe aufzufa$$en nach, und beleuchtet die un- auflösbaren Wider$prüche, die die po$itive Lehre die$er Philo$ophie neben angeborner Unklarheit und Verworrenheit in Betreff die$er Begriffe in $ich vereinigt. Sie gibt zugleich eine umfa$$ende Kritik der Grundtheo- rieen des Hegel’$chen Sy$tems und dürfte ihren Le$ern neben einer ge- drängten und gediegenen Kenntni{$s} die$es Sy$tems, neben einem freien und gegründeten Urtheil über da$$elbe auch weiterhin überhaupt ein ge- $chärftes Bewu{$s}t$eyn über das We$en der Grundbegriffe der Philo$ophie und Theologie gewähren.

Die $echs Schöpfungstnge. Ein Beitrag zu Förderung wahrer Bildung von E. Ph. Paulus, Direktor der wi$$en$chaftlichen Bildungsan$talt auf dem Salon bei Ludwigsburg. gr. 8. geheftet. Preis fl. 1. 12 kr. oder 18 ggr.

Die vorliegende Schrift beab$ichtigt er$tens die Wahrheit und Rich- tigkeit der er$ten Urkunde, womit in der heil. Schrift die ganze Reihe der göttlichen Offenbarungen eröffnet wird, $o weit es möglich i$t, nachzu- wei$en, und namentlich gegen die Angriffe des modernen Unglaubens zu vertheidigen; zweitens den Zweck und die Bedeutung der Schöpfungsge- $chichte in der Bibel zum Bewu{$s}t$eyn zu bringen, und endlich drittens die Naturwi$$en$chaften im Verhältni{$s} zur Schöpfungsge$chichte, im [146] Gegen$atz gegen den Mi{$s}brauch, welchen der moderne Unglaube zur Be- kämpfung der bibli$chen Dar$tellung davon macht, $o zu benützen, wie $ie allein benützt werden können, nemlich nicht um für oder wider die Rich- tigkeit der mo$ai$chen Urkunden zu bewei$en, $ondern um einen vernünf- tigen Blick in die einzelnen Gebiete, welche an den einzelnen Tagen der Schöpfung ins Leben traten, zu eröffnen. Durch die$en letzten Theil wird $odann aber die$es Werk nicht blos in religiö$er Beziehung werthvoll, $ondern es wird zugleich dadurch auch ein reeller Beitrag zur Förderung wahrer Bildung überhaupt, indem diejenigen, deren Beruf es nicht mit $ich brachte, mit den Naturwi$$en$chaften, mit Phy$ik, Chemie, Geogno$ie, Botanik und Zoologie, näher $ich zu be$chäftigen, hier die Re$ultate die$er Wi$$en$chaften auf eine $olche Wei$e angewendet finden, da{$s} $ie dadurch einen vernünftigen Blick in die$e Wi$$en$chaften $elb$t erhalten, und $o viel als für einen gebildeten Mann überhaupt zu wi$$en nöthig i$t, auf eine leichtfa{$s}liche und zugleich anziehende Wei$e lernen können.

Paulus, Gebrüder (Vor$teher der Bildungsan$talt auf dem Salon bei Ludwigsburg), Die Principien des Unter- richts und der Erziehung. Wi$$en$chaftlich unter- $ucht und beleuchtet. Neb$t einem Anhange über die be$tehenden Einrichtungen der An$talt. 2 Hefte. gr. 8. geh. fl. 3. 12 kr. oder 2 Thlr.

Schon von ver$chiedenen Seiten i$t auf die wi$$en$chaftliche Bedeut- $amkeit, $o wie auf die allgemeine Wichtigkeit die$er Schrift aufmerk$am gemacht worden, namentlich i$t die$elbe in die$er Beziehung in der päda- gogi$chen Revue von Dr. Mager, in dem Literaturblatt von Dr. Menzel, im Repertorium von Gersdorf als ein, aller Beachtung höch$t wichtiges Werk anerkannt und empfohlen worden.

Paulus, E. Ph., Die Vor$ehung oder über das Eingreifen Gottes in das men$chliche Leben. gr. 8. geh. Preis fl. 1. 36 kr. oder 1 Thlr.

Auch die$e Schrift i$t $chon in mehreren Zeit$chriften, namentlich im Chri$tenboten, im Sonntagsblatt von Pfarrer Wucherer und in Guerike’s Zeit$chrift für die lutheri$che Theorie und Kirche angezeigt und auf@s Gün$tig$te beurtheilt worden, namentlich wird in den$elben ihr wahrhaft $peculativer Gehalt, $o wie ihre prakti$che Wichtigkeit neben einer anzie- henden Form der Dar$tellung hervorgehoben.

Paulus, E. Ph., Die wi$$en$chaftliche Bil- dungsan$talt der Gebr. Paulus auf dem Salon bei Ludwigsburg. Eine Schilderung der in ihr be$tehenden Einrichtungen und des Lebens der Zöglinge in ihr. Mit einer An$icht der An$talt. 8. geh. Preis 24 kr. oder 6 ggr.

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In dem$elben Verlage i$t früher er$chienen und durch alle Buch- handlungen zu beziehen:

Ueber das We$en der Uatur neb$t einem Blick auf Die Homöopathie von Dr. Cu$tao Widenmann. Geheftet. Preis fl. 1. 36 kr. oder 1 Thlr.

Der Verfa$$er $ucht die den ver$chiedenen Naturwi$$en$chaften zu Grunde liegenden Begriffe $o genau als möglich zu be$timmen und das Verhältni{$s} der Natur zum Men$chen und zu Gott auseinander zu $etzen. Bei der Zu$ammen$tellung jener Grundbegriffe erhält der bekannte Gedanke, da{$s} die Natur eine Reihe von We$en $ey, eine ganz neue und überra$chende Dar$tellung.

Bei den Erregungsverhältni$$en des thieri$chen Organismus wurde auf die ver$chiedenen Heilmethoden be$ondere Rück$icht genommen, und insbe$ondere dem homöpathi$chen Heilweg, ohne iedoch die andere auszu$chlie{$s}en, eine fe$te p$ychologi$che Begründung gegeben, welche durch Widerlegung der von den Herren Profe$$oren Schultz und Müller in Berlin gegen die Homöopathie gemachten Einwürfe an$chaulich ge- macht wird.